|
Kinderschundfernsehen
Kotofeij K. Bajun. Rathenow. Am 18. November 2009, vor sechzehn Jahren also, regte sich der Kollege Lemarcou mit seinem Aufsatz „Müll aus der Röhre“ erschienen im 15. Volumen der „Otto-Wels-Hauptredaktion Politik, Wirtschaft, Allgemeines“ des Preußischen Landboten mit geharnischten Worten über die gewissenlose Verblödung des Nachwuchses unter aktiver Teilnahme der fernsehgestützen Medien – in seinem Falle sogar des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks auf. Geändert hat sich nichts. Jedenfalls nicht spürbar. Das deutsche Fernsehen wird sowieso bereits von amerikanischen Formaten überspült. Selten, dass man mal einen französischen, italienischen, dänischen, schwedischen, belgischen, englischen oder gar persischen Film zu Gesicht bekommt. Mitunter auch mal einen japanischen – die Chinesen bringen ihre aberwitzigen, als Historienspektakel getarnten Albernheiten unters Volk und andere Kulturnationen, die cineastisch auch etwas zu bieten haben, fallen völlig unter den Teppich. Beim sogenannten Kinderfernsehen erhebt sich dieses Problem zu Potenz. Es ist ja nicht so, dass die Yankees nicht auch ab und zu hervorragende Kinderformate produzierten – man denke da an die für die Unterschicht konzipierte Sesamstraße. Das war importwürdig. Aber wo ist die deutsche Präsenz? Wo ist die Sendung mit der Maus, Löwenzahn, oder „Wissen macht aah!“? Was wir mitbekommen, ist Müll der übelsten Sorte und der stammt zumeist aus den U.S.A. Er bildet die amerikanische Seele perfekt ab, liefert quasi ein Röntgenbild dieser verkorksten Nation, die in der Neuen Welt alles besser machen wollte und damit so grandios gescheitert ist, wie es sich kaum in Worte fassen lässt. Indianer ausrotten und das Recht auf dem geraubten Land mit der Faust und dem Revolver in der Hand erringen und behaupten … zu mehr langt es bei ihnen nicht. Darum scheinen all ihre Probleme zu kreisen und natürlich über ihre Sohn-Vater-Neurosen. Da müssen sich ständig die Söhne behaupten, um endlich den Erwartungen ihrer Väter zu genügen und sich deren Anerkennung zu verdienen. Diese Väter sind in aller Regel die schweigsamen Alleskönner, die den amerikanischen Albtraum verwirklicht haben. Gott, ist das krank! Gott, ist das öde! Hier manifestiert sich eine der Wurzeln der seelischen Verkrüppelung dieser Nation. Ja nun – da geht es also seit Tom und Jerry, Roadrunner und Coyoten-Karl, diesem bescheuerten Hasen, der Ente und dem Wichtel, der von dem Hasen „Doc“ genannt wird – in welchem Fache ist diese Jammerfigur für welche Dissertation promoviert worden? – Speedy Gonzales und und und und immer wieder nur darum, den anderen zu übertölpeln, auszuknocken und ihm seine Ressourcen zu stehlen. Strawinsky, der 12-Ton-Kakophonist, diffamierte einmal Gottes Staatssekretär für abendländische Musik Antonio Vivaldi, dieser sei ein langweiliger Musiker gewesen, der nicht 600 Konzerte, sondern ein Konzert 600-mal geschrieben habe. Das einzig Gute an diesem „Malmot“ ist, dass es zu einhundert Prozent auf die stupide Varianz dieses amerikanischen Comic-Strickmusters verweist. Was kommt an Lerneffekten für kleine Kinder 'rüber? Gar nichts. Ständig schreien irgendwelche Protagonisten vor Angst, tun sich weh oder ihnen wird wehgetan, jeder weiß, dass es für die Guten gut ausgeht und die Bösen wieder aufstehen, nachdem sie eine auf die Nuss kassiert haben. Immer, immer und immer wieder. Die deutschen Eltern achten sehr darauf, dass ihre Kinder keinen Alkohol konsumieren. Wer das zulässt, der macht sich einer Kindeswohlgefährdung schuldig. Selbst Cola wird dem Nachwuchs verwehrt, solange es angeht. Desgleichen Schokolade und anderer Süßkram. … weil das ja alles schädlich ist. Ja, richtig! Es macht die Zähne kaputt und das heranwachsende Gehirn. Und was ist mit „Angelo!“, Bugs Bunny, den „Louds“, dem Stumpfsinn von Paw Patrol – Gott, sind die süüüüüüß – wer dagegen etwas vorbringt, offenbart sich selbst als Barbar! – was ist mit dem pädagogischen Effekt dieses Schwachsinns? Der ist gleich Null oder sogar im Bereich der negativen Zahlen angesiedelt. 1969. Gorki-Studios Moskau. Kindersendung: Ein kleiner Junge kommt aus der Schule nach Hause und möchte so schnell wie möglich zum Sportplatz, um mit seinen Freunden Fußball zu spielen. Ja, die Mathematik-Hausaufgaben müssen noch vorher erledigt werden, sonst gibt es mit Mama Krach. Mit den Gedanken aber ist der Junge bereits auf dem Sportplatz. Er konzentriert sich nicht, er schludert, er pfuscht, er setzt die Kommata falsch. Er sollte eine Wassermenge berechnen, die durch ein Zuleitungsrohr in sein Dorf geführt werden muss, damit alle etwas zu trinken haben, um das Vieh versorgen und den Garten bewässern und im Hause den Abwasch und die Wäsche erledigen zu können. Doch der unkonzentrierte Junge sorgt sich nicht um die Position des Kommas und plötzlich beginnt sich dieser Fehler aus seinem Schreibheft zu materialisieren. Er nimmt Gestalt an und die vom Jungen berechneten Wassermengen verwandeln sich in eine Sintflut, denn das Komma stand viel zu weit rechts. Das Dorf wird überschwemmt und droht abzusaufen. Schon paddeln Ziegen und Katzen um ihr Überleben, die Leute retten sich auf ihre Dächer, der Fußball schwimmt vorbei. Der Junge ist entsetzt. Eine Fee erklärt ihm das Übel und die einzige Hoffnung auf Rettung besteht darin, dass er sich eiligst auf den Hosenboden setzt und das korrekte Ergebnis berechnet. Er tut es, das Ergebnis stimmt, das Wasser fließt ab und die letzten Tropfen sind die des Schweißes auf seiner Stirn: Er hat seine Lektion gelernt: Husch, husch, husch gibt Pfusch! Den aber will niemand. Pfusch ist gefährlich. Die Ausstrahlung dieses Zeichentrickfilms ist nun sechsundfünfzig Jahre her und sie hat viele Kinder in ihrer Haltung geprägt. Man erinnert sich des Films und seiner Botschaft. Erinnert man sich in fünfzig Jahren auch noch an Sponge-Bob oder Bugs-Bunny? Was waren deren Botschaften – außer dass einer den anderen jagt, mit Vorspiegelung falscher Tatsachen zu übertölpeln sucht, um ihn um das Seine zu betrügen? Welche Gefühle hat dieser Schund bei seinen kleinen Konsumenten erzeugt, außer das der Schadenfreude, der Häme und der Unbarmherzigkeit? Diese Filme, diese „Cartoons“ sind ebenso schlimm und gefährlich für das kindliche Gehirn und die Entwicklung eines Kindes wie Schnaps. Aber sie stehen bei nur wenigen Eltern auf dem Index! Dieser Dreck erfüllt alle Kriterien einer Kindeswohlgefährdung – aber es ist den sonst so mächtigen Jugendämtern scheißegal. Wo sind deren Kampagnen gegen diesen Mist? Nein, das ist gewollt. Kurzsichtiger Weise wird hier eine Nachwuchsgeneration von Apallikern und hirntoten Zombies bewusst herangezüchtet, die man als unkritische, weil völlig verblödete Konsumenten ihrerseits um das Wenige betrügen kann, was diese noch ihr Eigen nennen. Nun mag man den berechtigten Einwand vortragen, dass ja diese Vorräte irgendwann einmal erschöpft sind. Hirntote, wissensfreie Zombies mit einer Kreativität im negativen Bereich sind schlecht in eine verdienstbehaftete Wertschöpfungskette einzubinden, die sie in die Lage versetzen würde auch später noch nachhaltig am Konsumkreislauf teilnehmen zu können. Auf den ersten Blick ist das eine törichte Strategie. Aber wirklich nur auf den ersten Blick! Denn siehe, das Kapital hat sich längst globalisiert. Es ist eine Heuschrecke, die dorthin zieht, wo es etwas zu fressen gibt. Ist die Jugend eines dekadenten Gemeinwesens verblödet und – im Erwachsenenalter angekommen – nicht mehr in der Lage bedenkenlos zu konsumieren, kann sich das Kapital indes auf das Wohlstandsgefälle in der Welt verlassen. Irgendwo sind die Leute immer arm. Viele zu arm, als dass sie sich einen Fernseher leisten könnten oder den Luxus, ihre Zeit sinnlos vor ihm zu vertrödeln. Armut setzt bei vielen Leuten das Bedürfnis frei, die eigene Situation zu verbessern. Viele versuchen es auf der schiefen Bahn. Die meisten dieser Adepten werden jedoch in aller Regel nicht alt. Gut, deren Masse ist also für die Kalkulation verzichtbar. Wer mit dem .45er in der Hand umherläuft, um Drogenabsatz zu kontrollieren oder Schutzgelder einzutreiben, der wird sicher noch etlichen Tinnef abkaufen, den er für erstrebenswerten Luxus hält, bevor er dann im zarten Alter von 16 Jahren selbst ein paar Kugeln einfängt und auf einer Mülldeponie landet. Lassen wir die! Die anderen aber, die den Weg über die Bildung gehen und Tag und Nacht für einen Abschluss büffeln, mit dem sie dann den Grundstein für ihren persönlichen Erfolgsweg legen, die werden als Konsumenten in der ersten Generation auch nur mäßig zu begeistern sein: Zu kritisch, zu differenziert, durch ihren harten Weg nach oben zu sehr auf Verdienst und Sparsamkeit gedrillt, um leichtfertig die mühsam erarbeiten Kröten für irgendeinen Kitsch wieder aus dem Fenster zu werfen. Aber deren Kinder … und glauben Sie uns: So clever, langfristig planend und strategisch denkend sind die Vertreter des Kapitals allemal … diese Blagen werden wieder eine geeignete Zielgruppe. Irgendwann bekommen die den Zugriff auf die mühsam errungenen Ressourcen der Alten und da die Erkenntnis aus Goethes Faust (Der Tragödie erster Teil, 1808. Nacht, Faust mit sich allein): „Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen …“, nur noch wenigen geläufig ist und noch weniger den Sinn dahinter verstehen, wird es kein großes Problem damit geben, sich diese Ressourcen wiederum über den Umweg der Verblödung der Erben zu hirntoten Zombies zu sichern. Der Kreislauf beginnt von Neuem. Unser Resümee: Wer es gut meint mit seinen Kindern, der beschützt sie vor diesem gefährlichen Gift. Das sollte man schon im eigenen Interessen tun – denn in einer zunehmend gefühlskälter werdenden Gesellschaft könnte es wieder notwendig werden, die Kinder zu den einzig verlässlichen Stützen der Eltern in deren hilflosem Alter zu formen. Moralisch und ethisch anspruchslose, wenn nicht sogar in ihrer Wirkung verderbliche Cartoons und gleichgearteter Schund sind für diese Aufgabe kontraproduktiv. Wer also heute seine Gören vor der hirnlosen Glotze parkt, um ein paar Stunden Ruhe vor ihnen zu haben, der bezahlt für diese Bequemlichkeit mit Sicherheit ein paar Jahrzehnte später einen enormen Preis. Na dann, Glück auf! |
30.
Volumen |
©
B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003 05.05.2025 |