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OTTO, AEG
und der freie Fall der deutschen Wirtschaft

Don M. Barbagrigia. Havelsee. Einst bürgte das Markenzeichen „Made in Germany“ in Bezug auf Waren und Dienstleistungen für Solidität, hervorragende Qualität und seriöse Kaufmannschaft. Das wurzelte tief im Boden zwischen dem Einflussbereich der Deutschen Hanse und schwäbischer Tüchtigkeit. Man war, was man herstellte und was man vertrieb. Man stand mit seinem Namen hinter seinem Produkt. Niemand in der Welt verkörperte diese Haltung so sehr wie die Deutschen.

„Made in Germany“ wurde von den Engländern erfunden, um die deutschen Waren zu diskreditieren. Wahrscheinlich niemals zuvor und bis zum Brexit haben sich die Insulaner Britanniens so sehr ins eigene Knie geschossen.

Doch das ist vorbei. Ein halbes Jahrhundert mindestens … Nachdem Spitzenhersteller wie BREANNBOR an ihrer eigenen Qualität verreckten, wurde die Obsoleszenz entdeckt – das Prinzip des eingeplanten Ablaufs der Funktionstüchtigkeit des Produkts. So hält man den Markt am Laufen. Der Konsument muss gezwungen werden zu konsumieren.

Im Gefolge der Obsoleszenz nimmt der Pfusch natürlich eine prominente Rolle ein. Wenn alle pfuschen – wohin soll sich der Konsument dann noch wenden? Da kann ein Markt nichts mehr regulieren. Es gibt dann kein Überleben der Besten mehr.

Maria ist eine brillante Köchin. Was liegt da näher, als ihr zur Hochzeit einen Herd mit allem Schnickschnack zu schenken? Weil sie nun einen Ehemann hat, der sie nicht nur von Herzen liebt, sondern der auch noch mit Fred Feuerstein gemeinsam die Schulbank gedrückt hat und daher die goldenen Zeiten deutscher Produkte und Dienstleistungen und vor allem noch eines vorbildlichen deutschen Wirtschaftsethos’ kennengelernt hat, sucht der ihr einen Herd aus. Das soll schon etwas Feines sein: Einen freistehenden AEG-Induktionsherd mit allem pi-pa-po.

AEG, Miele, Siemens, Philips – das waren einmal Namen mit Klang. Da konnte man nichts falsch machen. Hoher Markenpreis? Egal! Das konnte man noch seinen Enkeln vererben. Das hielt, das funktionierte, das ging nicht kaputt.

Also ein AEG – Induktionsstandherd CIB6643BBM … Das sind Namen, was! „AEG – Küchenkamerad“ wäre weniger verschwurbelt, dafür aber vertrauenerweckender gewesen. Na ja, seine Manufaktur stand ja auch in der Alee Powstancow Slaskich 26 in 30-570 Krakau, Polen.

AEG und Polen? Da käme wohl nur ein Hans Frank auf den abartigen Gedanken, dass dieser Produktionsstandort ursächlich mit einer deutschen Firma in Übereinstimmung zu bringen sei. Dafür landete der Polenschlächter und Erzgauner dann auch zu Recht am Galgen.

Da hätten wir schon mal ein Qualitätsmerkmal erfolgreich ausgeschaltet – die Qualität des Produktes nämlich. Bei dem war nämlich ein Druckknopf schief verbaut und die Herdplatte ließ sich gar nicht erst in Betrieb nehmen. Maria machte ein langes Gesicht. Schließlich hatten sich die Spediteure unter fadenscheinigen Begründungen geweigert, den Herd anzuschließen, gleichwohl das im Liefervertrag vorgesehen war. Der Kunde möge sich doch für zehn Euro ein Kabel im Baumarkt kaufen …

Das macht der Kunde natürlich nicht. Er bestellt sich eine Fachfirma ins Haus. Die beiden Elektriker schließen den Herd ordentlich an, prüfen alle Phasen und alle Anschlüsse ordentlich durch … L1, L2 und L3 – wie’s die Heilige Mutter Kirche vorschreibt. Der Ofen funktioniert – die Herdplatte nicht. Die kann man nämlich wie gesagt nicht einmal anschalten. Da kann man sich auf den Kopf stellen, alle Griffkombinationen durchdeklinieren wie ein Organist an einer Silbermann-Orgel – NIX!

Der AEG Kundendienst vergibt seinen frühesten Technikertermin geschlagene 21 Tage später, zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr. Mit fremden Urlaubstagen können die Pfuscher und Minderperformer sehr generös umgehen – es sind ja nicht ihre!

OTTO – der Versandhändler, der auch mal einen guten Ruf besaß, bietet keineswegs einen Preisnachlass an, wie das ein seriöser Kaufmann tun würde. Die tauschen das Gerät aus. Das dauert natürlich auch eine Woche. Ein beschämtes „Heute Abend schon können sie auf ihrem Austauschherd kochen!“ – für OTTO undenkbar. Dann könnte OTTO ja wenigstens sagen: „Wir entschuldigen uns für die Kalamität, indem wir Ihnen auf das Austauschgerät einen spürbaren Preisnachlass gewähren.“ Nicht doch! Wir reden hier über OTTO. Die sitzen zwar in Hamburg – aber das ist unserer Wahrnehmung nach auch alles, was die noch mit hanseatischen Kaufleuten gemeinsam haben. Es ist unwürdig, es ist verachtenswert, es ist ärgerlich.

Wenn die Westdeutschen sich nicht vorstellen können, wie es sich einst in der DDR lebte, AEG und OTTO bieten ihnen nunmehr im festen Schulterschluss mit der Bundesregierung die Möglichkeit, diese Erfahrungen nachzuholen. Denn sämtliche Politik- und Wirtschaftsbereiche nähern sich Tag für Tag mehr den Verhältnissen der größten DDR der ganzen Welt unseligen Angedenkens an, bis wir eines schönen Morgens wieder in der Zone aufwachen, so wie wir DDR-Bürger am 3. Oktober 1990 in Westdeutschland aufgewacht sind.

OTTO bat um die Bewertung des Lieferservice. Die fiel entsprechend desaströs aus. Wir wollen unsere verehrten Leser an dieser Bewertung teilhaben lassen:

Die Anlieferer waren nicht in der Lage oder wollten den Herd nicht anschließen. Ich solle mir selbst ein Kabel im Baumarkt kaufen. Ich bin Mediziner und Journalist - kein Elektriker. Elektrofachfirma bestellt - fünf Tage Wartezeit - in der Zwischenzeit kein Herd. Fachfirma kommt und schließt das Gerät ordnungsgemäß an und siehe da - wir haben 1000-Dollar-Elektroschrott gekauft. Der Ofen funktioniert - das Kochfeld lässt sich nicht einmal anschalten, ein Druckknopf ist schief verbaut. Noch mal eine Woche auswärts essen. Für den Austausch des Schrotts wieder einen freien Tag nehmen - was sollen wir auch sonst mit unseren Urlaubstagen anfangen?! Ein seriöser Händler hätte sofort 25 % - Preisnachlass gewährt - nur um des guten Rufes willen und sich den Hersteller in der Volksrepublik Polen zur Brust genommen. Aber einen nicht mehr vorhandenen Ruf braucht man auch nicht mehr mit Rabatten zu retten - verständlich. AEG - hatte mal einen ausgezeichneten Weltruf, OTTO hatte mal einen seriösen Namen - aber ich sehe ein, das war einmal. Heute machen ein paar Yuppies schöne Präsentationen und wenn unter dem Strich der Profit stimmt, sind solche Kalamitäten absolut vernachlässigbar. Und überhaupt: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert. Erbärmlich, dass ich Sie daran erinnern muss, dass ich Ware und Dienstleistung in harter, frei konvertierbarer Währung bezahlt habe und nicht etwa in Mark der DDR. Das sollte sich tunlichst auch im Zustand der Ware und der Qualität der Dienstleistung spiegeln.

30. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
17.04.2025