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Die Zauberflöte auf dem Index? Don M. Barbagrigia. Havelsee. Bitte! Sie müssen uns das glauben! Das ist keine Ente, kein Scherz zum Neuen Jahr. Das ist die Wahrheit, die nackte Wahrheit und nichts als die Wahrheit! Da hat der Kollege Bajun eine DVD bestellt. Sein 5jähriger Wolfi soll so peu a peu mit der Großen Kunst in Berührung kommen. Die DVD kommt aus London und auf ihr ist eine Aufführung des Covent Garden abgespeichert. Und jetzt halten Sie sich fest: „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart! Sir Colin Davis dirigiert den Chor und das Orchester des Royal Opera House. Die Besetzung ist nicht gerade so bekannt wie der Eiffelturm oder die Tower Bridge, aber immerhin bieten die Genossen und Genossinnen Sänger und Sängerinnen alle eine hervorragende Darbietung. Worum es in der Zauberflöte
geht, das brauchen wir unserer kulturaffinen Leserschaft wohl kaum näher
erläutern. Die deutsche Nationaloper verkündet den Geist des Humanismus
– oder etwa nicht? Denn Frauen geringschätzend ist das Werk in der Tat. Das lässt sich abseits jeglicher Ironie und frei von allem Zynismus nicht leugnen. Man höre nur Sarastro zu, wie er sich über die Königin der Nacht äußert. Diese wäre nach heutigem Verständnis eine selbstbestimmte Frau, die nicht einsieht, warum sie sich "der Führung weiser Männer" anvertrauen soll. Das macht sie zu einer
Dämonin? Kopfschütteln! Aber es ist ein Kopfschütteln von heute. Man
darf nicht vergessen, dass die Geschichte vor zweihundert Jahren geschrieben
wurde und dem Zeitgeist geschuldet war. Die Gleichberechtigung musste
in den nachfolgenden Jahrzehnten erst mühsam und hart erkämpft werden,
Clara Zetkin, Frau Dr. Rosa Luxemburg und die Suffragetten waren noch
nicht geboren. Üben wir also Milde und Nachsicht mit dem trotzdem für
damalige Verhältnisse revolutionären Text. Klar, Merz und die Grünen brüllen nach Krieg mit Russland! Wir beginnen zu begreifen, warum „Die Zauberflöte“ als jugendgefährdend bewertet wird. Die Kriegstreiber benötigen für die Schlachtfelder von humanistischen Gedanken unverseuchtes Kanonenfutter und wollen ja schließlich nicht ihre eigenen Söhne an der Front verheizen. Was wird also jetzt passieren? Jetzt, nachdem wir publizierten, dass dieses gemeingefährliche Machwerk des anarchistischen Subjekts, mutmaßlichen Kommunisten, AfD-Funktionärs und Putin-Verstehers Mozart sich in unserem Besitz befindet, wird wohl zwangsläufig als Nächstes das zwar pro forma neutrale, aber bewährt regierungstreue SEK in unsere Redaktionsräume einreiten, alles kurz und klein dreschen und uns arme Tintenknechte nach Oranienburg oder Bautzen II schicken. Wir nehmen also jetzt schon vorsorglich Abschied von unserer treuen Leserschaft. Und leugnen Sie selbst unter der Folter, jemals etwas vom Preußischen Landboten gehört zu haben! Nur das könnte Sie vielleicht noch retten, wenn die roten Roben über Ihren Hals zu Gericht sitzen. Sie wissen ja, was auf „Hören von Feindsender“ und Diversantentum steht. Hört der spitzelnde Nachbar bereits das eingänige ▄ ▄ ▄ ▄▄▄, das "Morse-V“ für „Victory“, das verräterische Zeichen der BBC, die mal der aufrichtigste und vertrauenswürdigste Sender der Welt war? Die DVD ist eine BBC-Edition. Na, da haben wir’s doch schon – die Beweiskette wäre unabweisbar geschlossen. Wenn Sie also demnächst bei Eingabe der Adresse des Preußischen Landboten nur noch kosmisches Hintergrundrauschen auf dem Bildschirm sehen, dann wissen Sie, dass wir unsere Existenz mit einem der bezauberndsten Werke der deutschsprachigen Kultur aushauchten. Doch lieber mit Sarastro untergehen, als mit den Grünen, Flinten-Uschi, Frau Bartel oder BlackRock-Merzl dahinvegetieren! Oder wie Detlev von Liliencron in seinem "Pidder Lüng" so stolz und trefflich formulierte: „Lewwer duad üs Slaav!“ |
30.
Volumen |
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003 04.01.2025 |