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Die Zauberflöte auf dem Index?

Don M. Barbagrigia. Havelsee. Bitte! Sie müssen uns das glauben! Das ist keine Ente, kein Scherz zum Neuen Jahr. Das ist die Wahrheit, die nackte Wahrheit und nichts als die Wahrheit!

Da hat der Kollege Bajun eine DVD bestellt. Sein 5jähriger Wolfi soll so peu a peu mit der Großen Kunst in Berührung kommen. Die DVD kommt aus London und auf ihr ist eine Aufführung des Covent Garden abgespeichert. Und jetzt halten Sie sich fest: „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart!

Sir Colin Davis dirigiert den Chor und das Orchester des Royal Opera House. Die Besetzung ist nicht gerade so bekannt wie der Eiffelturm oder die Tower Bridge, aber immerhin bieten die Genossen und Genossinnen Sänger und Sängerinnen alle eine hervorragende Darbietung.

Worum es in der Zauberflöte geht, das brauchen wir unserer kulturaffinen Leserschaft wohl kaum näher erläutern. Die deutsche Nationaloper verkündet den Geist des Humanismus – oder etwa nicht?

Ja, was ist denn daran nun so spannend, hören wir Sie schon enttäuscht rufen. Warum dieses Brimborium?

Sehen Sie, das ist so: Die DVD wurde von dem Postdienst DHL transportiert. Bei diesem Postdienst hat Herr Bajun nun für den Fall seiner Abwesenheit eine Lieferanweisung hinterlassen, was auch im Allgemeinen ganz gut klappt. Wenn der Journalist nach der Arbeit nach Hause kommt, so findet er seine Pakete im Hausflur auf der Treppe oder in der Garage.

Diesmal nicht! Herr Bajun bekommt eine Nachricht auf sein Smartphone, dass die Sendung nicht zugestellt werden konnte und daher in einer zehn Kilometer entfernten Postfiliale hinterlegt wurde. Die Filiale im Reichspostgebäude fünf Häuser weiter wurde ja von der Post geschlossen und an Privatpersonen verkauft. Die Poststelle im Städtchen fiel ebenfalls der Rationalisierung zum Opfer – das ist ja so die Masche, dass die Unternehmen zum Schaden ihrer Kunden sparen und diesen alle daraus erwachsenen Mehrkosten überhelfen. Wollen doch mal sehen, wer hier am längeren Hebel sitzt, nicht wahr?

Aber auch diese Ärgerlichkeit ist nicht der Grund für das Entsetzen, welches die Feder diesen Beitrag zu schreiben zwingt.

Nee, der Postbote war nicht zu blöde, die Lieferanweisung zu beachten. Diesmal nicht.

Die Sendung musste persönlich gegen Vorlage des Deutschen Personalausweises übergeben werden.

WAAAAAAS? Warum? Das sagen wir Ihnen: Auf der Sendung war der Vermerk „+18“ angebracht. Das bedeutet, dass es sich um jugendgefährdendes Material handelt.

Im Ernst? Mozarts Zauberflöte? +18? Das müssen wir sehen: Rein mit der DVD in das Abspielgerät! Der kleine Wolfram wird vorsichtshalber in sein Zimmer verbannt, die Türe fest verschlossen – und jetzt können sie aufmarschieren, die nackten Weiber mit ihren Kettensägen, die nackten Kerle mit erigiertem Gemächt, die mit ihren Streitäxten oder ihrer Männlichkeit irgendwelchen Vampiren der Hölle die Fangzähne aus dem Maul prügeln, dass das Blut nur so spritzt.

Herr Bajun ärgert sich zähneknirschend, dass er die Aufführung nicht vom Portal YouPorn heruntergeladen hat. Das wäre billiger gewesen, als der Kauf dieser DVD, inklusive der Transportkosten von London und seine eigenen Kosten für die Fahrt zur Brandenburger Post nicht zu vergessen.

Wir trösten den zerknirschten armen Teufel. Er möge doch das Positive an der Sache nicht vergessen. Immerhin gelang es ihm noch, sich der DVD zu versichern, bevor die Grünen Zensoren sie auf den Index setzen und Nancy Faeser ihrer habhaft werden konnten.

Denn Frauen geringschätzend ist das Werk in der Tat. Das lässt sich abseits jeglicher Ironie und frei von allem Zynismus nicht leugnen. Man höre nur Sarastro zu, wie er sich über die Königin der Nacht äußert. Diese wäre nach heutigem Verständnis eine selbstbestimmte Frau, die nicht einsieht, warum sie sich "der Führung weiser Männer" anvertrauen soll.

Das macht sie zu einer Dämonin? Kopfschütteln! Aber es ist ein Kopfschütteln von heute. Man darf nicht vergessen, dass die Geschichte vor zweihundert Jahren geschrieben wurde und dem Zeitgeist geschuldet war. Die Gleichberechtigung musste in den nachfolgenden Jahrzehnten erst mühsam und hart erkämpft werden, Clara Zetkin, Frau Dr. Rosa Luxemburg und die Suffragetten waren noch nicht geboren. Üben wir also Milde und Nachsicht mit dem trotzdem für damalige Verhältnisse revolutionären Text.

Aber Vorsicht, Kotofeij Kryisowitsch! Versteck das Machwerk trotzalledem vor Deinem kleinen Wolfi! Pack es in den Tresor gleich neben „Alpenglühen im Dirndlrock“! Wehe dem, dass Wolfi im Kindergarten erzählte, er hätte „Die Zauberflöte“ gesehen. Das wäre ja Kindeswohlgefährdung und würde unweigerlich das Jugendamt und die Kriminalpolizei auf den Plan rufen und in deren Gefolge die Staatsanwältin Bartel aus Potsdam, die mutmaßlich schon bei dem anrüchigen Titel Verführung zum Oralverkehr und damit pädophilen Kindesmissbrauch vermuten würde.

Was aber für eine Enttäuschung! Was wir zu sehen bekommen, ist eine grundsolide Aufführung des weltberühmten Werkes. Das Bühnenbild, die Kostümierung … keine Spur von irgendeinem experimentellen Ungeist profilneurotischer Theater-Avantgardisten.

Nun gut, die Texte wurden nicht ordnungsgemäß gegendert und die Handlung versäumt es, sich den Erfordernissen der grün-woken Politischen Korrektheit anzupassen. Das ist zu tadeln. Aber muss man deswegen gleich die Partitur auf dem Berliner Opernplatz verbrennen? Klar, werden sich viele Grüne das wünschen. Aber nein, soweit sind wir denn doch noch nicht.

Tja also, Mozarts Zauberflöte nicht jugendfrei … verfluchte Freimaurerei! Wir hätten es ahnen müssen. Hatten die Nazis am Ende doch Recht gehabt, wenn sie die Logenhäuser auf den Kopf gestellt und die Freimaurer zu Paaren getrieben hatten? Humanismus, Menschlichkeit – das sind gefährliche Ideen, zumal in einer Gesellschaft, in welcher sich der Raubtierkapitalismus wieder anschickt, die Herrschaft zu übernehmen, gestützt auf seine grünen Schergen.

Klar, Merz und die Grünen brüllen nach Krieg mit Russland! Wir beginnen zu begreifen, warum „Die Zauberflöte“ als jugendgefährdend bewertet wird. Die Kriegstreiber benötigen für die Schlachtfelder von humanistischen Gedanken unverseuchtes Kanonenfutter und wollen ja schließlich nicht ihre eigenen Söhne an der Front verheizen.

Was wird also jetzt passieren? Jetzt, nachdem wir publizierten, dass dieses gemeingefährliche Machwerk des anarchistischen Subjekts, mutmaßlichen Kommunisten, AfD-Funktionärs und Putin-Verstehers Mozart sich in unserem Besitz befindet, wird wohl zwangsläufig als Nächstes das zwar pro forma neutrale, aber bewährt regierungstreue SEK in unsere Redaktionsräume einreiten, alles kurz und klein dreschen und uns arme Tintenknechte nach Oranienburg oder Bautzen II schicken.

Wir nehmen also jetzt schon vorsorglich Abschied von unserer treuen Leserschaft. Und leugnen Sie selbst unter der Folter, jemals etwas vom Preußischen Landboten gehört zu haben! Nur das könnte Sie vielleicht noch retten, wenn die roten Roben über Ihren Hals zu Gericht sitzen. Sie wissen ja, was auf „Hören von Feindsender“ und Diversantentum steht. Hört der spitzelnde Nachbar bereits das eingänige ▄ ▄ ▄ ▄▄▄, das "Morse-V“ für „Victory“, das verräterische Zeichen der BBC, die mal der aufrichtigste und vertrauenswürdigste Sender der Welt war?

Die DVD ist eine BBC-Edition. Na, da haben wir’s doch schon – die Beweiskette wäre unabweisbar geschlossen.

Wenn Sie also demnächst bei Eingabe der Adresse des Preußischen Landboten nur noch kosmisches Hintergrundrauschen auf dem Bildschirm sehen, dann wissen Sie, dass wir unsere Existenz mit einem der bezauberndsten Werke der deutschsprachigen Kultur aushauchten. Doch lieber mit Sarastro untergehen, als mit den Grünen, Flinten-Uschi, Frau Bartel oder BlackRock-Merzl dahinvegetieren! Oder wie Detlev von Liliencron in seinem "Pidder Lüng" so stolz und trefflich formulierte:

„Lewwer duad üs Slaav!“

30. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
04.01.2025