Baaks

zurück zum Landboten

 

Leergefegte Rentenkassen
und was das für das Gemeinwesen bedeutet

Don M. Barbagrigia. Havelsee. Die staatliche Rente wird nicht mehr zu halten sein. Nicht mal das bisschen, was die Einlagen garantieren sollten. Zu sehr wurde der Ärar geplündert. Milliarden und Abermilliarden verschwanden als Entwicklungshilfe getarnt in den Taschen ausländischer Despoten, Warlords und anderer Banditen oder wurden in sinnlose Projekte investiert, die hiesigen Sozialtransfersysteme wurden überstrapaziert bei gelichzeitigem Kollaps der deutschen Wirtschaft.

Nun waren die Rentner seit jeher in der deutschen politischen Landschaft eine eher marginal bewertete Komponente. Sicher, wenn alle vier Jahre das Stimmvieh an die Wahlurnen gebeten wird, dann können die Alten schon mal für ein bisschen Bewegung sorgen. Zumal ihnen der demographische Wandel von Jahr zu Jahr immer mehr in die welken Hände spielt.

Trude Unruh versuchte seit den Mittsiebzigern den Alten eine lautere Stimmer zu verschaffen. Aber auf Dauer rissen es die Grauen Panther eben auch nicht.

Wer aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden ist, der kann nicht mehr mit Streik drohen. Wessen Rente nur noch einen Bruchteil seines einstigen Einkommens ausmacht, der wird auch als Konsument uninteressanter. So sah denn auch das reale Kalkül der Bundespolitik aus – egal unter welcher Fahne oder Farbe.

In einer auf den Kommerz ausgerichteten, seelenlosen Gesellschaft lassen sich die Alten nur noch als Kinderhüter in Mehrgenerationen-Häusern missbrauchen, wenn sie sich denn missbrauchen lassen.

Wie immer, erweist sich die politische Denkweise der herrschenden Kaste auch hier als extrem kurzsichtig.

Wenn der eiskalte Kapitalismus sich noch etwas von seiner sozialen Fassade bewahren und weder auf die altjapanische Variante – die Alten gehen freiwillig zum Sterben ins Gebirge oder werden von ihren Kindern zu diesem Zweck dorthin getragen, um den Jungen nicht mehr als überflüssige Kostgänger zur Last zu fallen – noch auf die „Solvent-Green-Lösung“ zurückgreifen will, dann bleibt nichts übrig, als das systemische Versagen der „sozialen“ Marktwirtschaft wieder einmal zur Gänze zu sozialisieren.

Mit dem Bedrängen der Menschen, sich doch privat zusätzlich abzusichern – allein bei dem Wort „absichern“ könnte man sich den Wanst vor Lachen halten, wenn’s nicht so traurig wäre – begann der westdeutsche Kapitalismus die weiße Fahne der gesellschaftlichen Solidarität und des vielgepriesenen Generationenvertrages zu hissen. Riester & Co. waren die Totengräber des Vertrauens in die deutsche Rente, von der Nobbi Blüm noch so treuherzig behauptete, sie sei sicher.

Für die Mehrzahl der Leute, die so blöde waren, sich auf die Riesterei einzulassen, war’s in aller Regel ein Minusgeschäft.

Manche gönnten sich nichts und investierten in dubiose Anleihen oder Schrottimmobilien oder ließen sich das eigene Häuschen, in dem sie nach ihrem Arbeitsleben mietfrei zu wohnen gedachten, von Mietnomaden ruinieren. Die Häuschen waren hinterher abrissreif, was dann das letzte Ersparte auffraß und die einst arrivierten Immobilienbesitzer an den Bettelstab brachte, ebenso wie die armen Narren, die sich von Lehmann Brothers und Konsorten oder der berüchtigten T-Aktie blenden ließen.

Der Politik konnte es egal sein. Sie erfand die Pflegeversicherung, um die naturgemäß mit zunehmendem Alter hilfloser werdenden Alten schon zu ihren Erwerbszeiten abzuschröpfen. Ein dreifach Hoch auf die vielgepriesene Solidargemeinschaft – den bereits erwähnten Generationenvertrag und was dergleichen Parolen noch durch den westdeutschen Dummsprech geisterten. Die Armen sollten sich untereinander stützen – nix da mit: breitere Schultern sollen auch mehr tragen. Die trugen zwar mehr – jedoch überwiegend ihre Vermögen zunehmend ins sichere Ausland!

Aber sagten wir nicht eingangs, der Politik könnten doch die Alten herzlich wurscht sein? Ja, ja … aber da ist noch ein Faktor, den sie ausgeblendet hat, weil es ihr nun mal nicht gegeben ist, über den Horizont des Tellerrandes hinaus zu denken. … also quasi von zwölf bis Mittag, respektive bis zur nächsten Wahl.

Wenn die Alten mit der Rente nicht mehr klarkommen, dann werden Erbvermögen vernichtet, dann wird die arbeitende und steuerzahlende Generation mehr und mehr in Anspruch genommen – kurz: Der relevanten Wählerschaft geht es an den Geldbeutel.

Und da muss der Teufel dann die Fingerchen ins Weihwasser tunken! Spätestens dann, wenn die breite Basis zum überwiegenden Teil beginnt, den Kitt aus den Fenstern zu fressen, wird das mühsam ausbalancierte gesellschaftliche Gleichgewicht strapaziert. Dann wird’s eng.

Die Resultate lassen sich mittlerweile auch in Deutschland an den Wahlurnen ablesen – die Versager der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ mögen dagegen geifern, soviel sie wollen. Da wird von „Demokratiemüdigkeit“ schwadroniert – was für ein Schwachsinn!

Zipfelmützen-Michel hat keineswegs die Schnauze voll von der Demokratie, sondern eher von denen, die innerhalb der demokratischen Strukturen das Totalversagen zur Institution erhoben haben. Weltfremde, kurzsichtige und parasitäre Bonzenwirtschaft zu Lasten der Unter- und der Mittelschicht ist das Dauerproblem seit Jahrzehnten. Jede Parteispitze jeder Partei verwandelt sich in kürzester Zeit in ein kleines Wandlitz … ja ja, nee nee: die SED war keineswegs ein exotischer Verein. Die ihr innewohnende Architektur hat einen epochenübergreifenden, ubiquitären Charakter.

Klar, keine „populistische“ oder radikale Partei wird den Hoffnungen, die der doofe Michel in seiner Verzweiflung in sie setzt, je auch nur ansatzweise gerecht werden. Das kann sie gar nicht und dafür tritt sie ausschließlich in ihren Wahlkampfveranstaltungen ein. Ist die Macht erst einmal errungen, gilt es, sie zu konsolidieren und im Optimalfall zu perpetuieren. Das Volkswohl ist das absolut subprioritär. Was hilft’s aber, wenn man keine Alternative hat? Im Übrigen ist es dem Kapital wurscht, wer unter ihm eine Regierung bildet – dem Lobbyismus sei Dank! In den Siebzigern hätte das Kapital die Grünen hinter den Ural gepustet, als noch nicht die global bestehende Möglichkeit bestand, die Produktionsstandorte in Windeseile zu verlegen, das Geld gleich mitzunehmen und dem siechen Reiche eine Nase zu drehen.

Man erinnere sich, wie die Wirtschaftskapitäne 1998 den frisch angetretenen Kanzler Schröder noch vor Ablauf der hundert-Tage-Schonfrist zurückpfiffen und massiv mit der Austrocknung des Wirtschaftsstandortes Deutschland drohten. Schröder parierte und wurde fortan der „Genosse der Bosse“.

Bei den Grünen war den Kapitalmagnaten dieser Schritt offensichtlich zu aufwändig geworden. Die dicken Fische machten einfach den Laden dicht und konzentrierten sich auf ihre ausländischen Dependancen, die zum überwiegenden Teil ja eh bereits vorhanden waren. In den Zeiten der Globalisierung gilt knallhart für jeden Standort: „Wer nicht will, der hat und wer nicht frisst, ist satt!“

Deutschland beginnt zwar bezüglich des mit der Industrie- und Gewerbeabwanderung verbundenen Steuerausfällen zu hungern, ist aber anscheinend zu dämlich, das zu bemerken oder zu träge, adäquat zu reagieren.

Wir sehen also, dass die ungesetzliche Plünderung der Rentenkassen den Verfall der Gesellschaft sehr wohl zu beschleunigen in der Lage ist, gleichwohl sie anscheinend nur das ausgediente, alte Eisen betrifft.

Es hört sich so schön an, wenn in den Naturbeiträgen von National Geographic davon gesäuselt wird, wie der ganze Planet doch ein einziger Organismus ist, in dem alles mit allem verbunden ist und einander beeinflusst. Wie doch den Gesetzen der Chaotik folgend der Flügelschlag des Schmetterlings am Amazonas den Tornado in Kansas initiieren kann. Wie das Verschwinden einer Art oder die Vermüllung der Weltmeere einen Dominoeffekt auslösen kann, der letzten Endes dann wieder beim einzelnen Menschen zu Buche schlägt.

Dass das aber eins zu eins auf die innergesellschaftliche Dynamik einer spätkapitalistischen Gesellschaft zutrifft – das scheint noch keinem in den Sinn gekommen zu sein. Fazit: Die zunehmende Anzahl der Rentner in der Bundesrepublik ist keineswegs eine einflusslose Masse, wenngleich sie auf dem Altenteil hockend einer aktiven Gestaltung der Gesellschaft beraubt wird. Die Einflussnahme ist sehr wohl vorhanden, wenn auch indirekt, was aber ihre Intensität keineswegs schmälert.

Darum cave! Die Rentner zu vernachlässigen ist genauso idiotisch und autodestruktiv wie diejenige der nachwachsenden Generation. Bei ersterer sind die Folgen für jedermann nur deutlich erkennbarer. Mehr aber auch nicht. Vom menschlichen Faktor dabei ganz zu schweigen – aber wenn der sich nicht in die Profitkalkulation einflechten lässt, wird er vom Kapitalismus seit jeher sowieso ausgeklammert. Das wird erst in den jeweiligen Revolutionen wieder interessant – wobei diese im Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung schwierig umzusetzen sein werden. Ein paar Laternen einwerfen, die Bastille stürmen, Barrikaden errichten und das Rasiermesser der Revolution auf der Place de Greve aufzustellen, hat schon damals nicht nachhaltig funktioniert und in der Zukunft tut es das noch weitaus weniger.

Die Alten, die noch eine solide Schulbildung genossen hatten und dazu ihre Lebenserfahrung beisteuern könnten, wären zur Erfahrungsvermittlung also durchaus noch tauglich – und demzufolge sollte man sie also schon um des eigenen, pragmatischen Überlebens willen nicht am steifen Arm verhungern lassen.

Aber wann wären die Erfahrungen der Alten schon je etwas wert gewesen. Jede Generation hat sich doch schon seit Jahrtausenden aufs Panier geschrieben, die Welt unentwegt neu zu erfinden.

Also beraubt man die Rentenkassen munter weiter! … auf dass es, wie es im „Werner Holt“ so schön heißt, „… herrlich des frühen Morgens in der Gosse ende.“

30. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2003
22.12.2024