Müll aus der Röhre
Öffentlich-Rechtliches beteiligt sich
an Kinderverblödung
J. - F. S. Lemarcou
Da strahlte jüngst der Kinderkanal KiKa eine Sendung aus, die mehrere
Kinder bei irgendwelchen Abenteuerspielchen auf Burg Eltz zeigte. Diese
Feste ist nun seinerzeit durch den ehemaligen 500-DM-Schein in die Liga
der deutschen Vorzeigeburgen aufgerückt und verkörperte mithin
die Werte, die dem deutschen Namen einst in der Welt einen guten Klang
verschafften. Was das für Werte waren? Nun, wir sprechen hier von
Fleiß, Ausdauer, Beharrlichkeit, zielfeste Strebsamkeit...vielleicht
so ein klein bisschen Spießbürgertum. Die echten Spießbürger,
wir erwähnten es im Landboten bereits einmal, waren sicher nicht
die Schlechtesten. Sie waren bescheiden, gottesfürchtig und dankten
an der Abendtafel ihrem Gotte dafür, dass ER sie einen weiteren
Tag am Leben gelassen hatte. Doch damit scheint es nun endgültig
vorbei zu sein. Es ist ja nicht nur so, dass sich die am Spiel beteiligten
Kinder kaum noch ordentlich in ihrer Muttersprache zu artikulieren wussten
– wie oft man aus „unschuldigem“ Kindermund das Wort
„Scheiße“ vernahm, spottet jeder Beschreibung –
selbst die erwachsenen Spielleiter hatten als edukativ oder pädagogisch
wertvolle Bezugspersonen nicht einmal Schrottwert. Da führten sie
die Kinder beispielsweise zu deren nächster „Challenge“.
Es ist erbärmlich, wenn ein deutscher Erwachsener nicht einmal
das Wort „Herausforderung“ über die Lippen bringt.
Vielleicht, weil er es gar nicht kennt? Wollten diese Heinis am Ende
einfach nur „cool“ „rüberkommen“? Das war
alles andere als „cool“. Diese Entgleisungen blieben jedoch
nicht auf das dinglishe Gestammel begrenzt: Die Kinder wurden angeregt,
mit einer Präzisionsarmbrust auf Eier zu schießen. Haben
die Veranstalter noch alle Latten am Zaun? Sind die noch ganz dicht?
Haben die überhaupt noch einen Rest Realitätsbezug? Kinder
rennen schwer bewaffnet durch deutsche Schulen und morden Mitschüler
und Lehrer und der Nachwuchs wird im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
mit Waffen vertraut gemacht, die jeder Pistole an Schussgenauigkeit
und Durchschlagskraft weit überlegen sind! Gleichsam als Anleitung
für alle jungen Nachwuchs-Irren draußen an den Bildschirmen,
es doch mal mit dem Kreuzbogen zu versuchen. Wir folgen dem Flug des
Bolzens und sehen in begeisterte Kindergesichter, die sich fatal darüber
freuen, dass sie soeben ein Ei quasi zur Explosion gebracht haben. Eier,
das sind Produkte lebender Tiere, das sind bestenfalls Lebensmittel.
Das Schießen auf sie ist widerlichste Dekadenz. Man sagt, Vineta
wäre in den Fluten der Ostsee versunken, weil seine unermesslich
reichen Bewohner ihre Schweine aus goldenen Trögen hätten
fressen lassen. Dieses Exempel galt den Alten, die tagtäglich einen
harten Überlebenskampf zu führen hatten, den sie oft genug
mit furchtbaren Konsequenzen verloren, schon als der Gipfel des Verwerflichen.
Nein, das kann man noch steigern. Die Macher dieser Sendung brachten
das fertig. Während in Äthiopien Kinder mit riesigen Hungerödemen
zu schwach sind, sich der Fliegen zu erwehren, von denen sie belagert
werden, lässt ein deutscher Wohlstands-Fernsehsender deutsche Wohlstands-Bälger
auf Lebensmittel schießen. Von der geschmacklosen Lumperei, anders
geartetes Leben so gering zu schätzen, wie es mit dieser Handlung
zum Ausdruck kommt, wollen und können wir nicht schweigen. Die
Alten dankten bis in die Steinzeit hinunter dem Vieh, das sein einziges
gottgegebenes Leben opfern musste, damit der Nackte Affe weiterexistieren
durfte. Sie dankten mit Inbrunst, sie redeten mit den Seelen der Viecher
– die herrlichen Höhlen von Lascaux bestätigen diesen
Fakt eindrucksvoll. Die vollgefressenen und gedankenlosen Trottel von
heute ballern zum Spaß auf die Eier. Zielscheiben aus Stroh tun's
ja nicht. Das lockt ja keine Egoshooter-Blagen mehr vom Rechner weg,
wenn man nicht in einer Zeitlupe die Explosion eines Eis, eines Lebewesens
in seiner Hülle effektvoll darstellen kann.
Was dort gezeigt wurde, entspricht nach unserem Verständnis einer
geistigen Körperverletzung an Kindern. Gleich dahinter rangieren
unserer Ansicht nach die Sittenstrolche. Nein, denen zuzuschauen ist
keine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Kinder. Wie verheerend
diese Hameln'sche Rattenfängerei auf selbst kluge und lernbereite
Kinderseelen wirkt, konnten wir bei unserer 9-jährigen Denise beobachten,
die beinahe unter Tränen protestierte, als wir sie bewogen, diesen
üblen Schund wegzuschalten. Es kostete ein gerüttelt Maß
an Agitation, dem Kinde klarzumachen, worin die für ein geschultes
Erwachsenenauge sofort ersichtlichen Gefährdungspotentiale lagen.
Ähnlich muss es wohl aufgeklärten Geistern vor fünfundsiebzig
Jahren gegangen sein, als sie begeisterte Pimpfe und HJler aufforderten,
ihre idiotischen Fahrtendolche, Trommeln, Fähnlein und Uniformen
wegzulegen.
Nein – diese Fernsehfritzen waren keine Fröbel, Pestalozzis,
Claudiusse. Denen ging es nicht darum, aus Kindern wertvolle Zeitgenossen
zu machen. Die fördern die niedrigsten im Nackten Affen angelegten
Instinkte, weil's Quote bringt. Quote heißt Knete. Darum geht’s.
Hier wird eine Scheinwelt aufgebaut, die dauerhaft Spiel, Spaß
und Abenteuer vorgaukelt. Dass in derselben Zeit Tausende und Abertausende
von Grundschullehren einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen schieben
und früh vergreisen, weil sie nur noch Meuten von antiautoritär
erzogenen, völlig disziplinlosen, ehrgeizfreien, kleinen Hirnis
gegenüberstehen, die sich als hartnäckig therapieresistent
und dauerhaft unbeschulbar beweisen, dass interessiert doch das Fernsehen
mit seinem Bildungsauftrag nicht die Bohne. Was denn überhaupt
für ein Bildungsauftrag? Dafür gibt’s doch ein paar
anständige Formate, die dem auch gerecht werden. Die Feigenblätter
sozusagen, die Alibi-Kollegen.
Das Online-Portal von t-online startete Anfang November eine Umfrage
zur empfundenen Qualität des deutschen Kinderfernsehens. Geschlagene
98% erklärten, dieses Kinderfernsehen sei wertloser Schund und
Plunder. 1% fand es gut, einem weiteren Prozent war das scheißegal.
Wenigstens sind wir bereits bei dieser Erkenntnis angekommen. Es steht
nur zu befürchten, dass nach der alten Weisheit, denen, die in
die Kirche kommen, brauche man nicht zu predigen, an der Umfrage beinahe
ausschließlich solche Leute teilgenommen hatten, die über
den intellektuellen Horizont verfügen, sich auch adäquat und
suffizient ihres Nachwuchses anzunehmen. Die unterbelichtete Mehrheit,
die dem unappetitlichen Fernsehen sogar Dank dafür sagt, dass es
die noch unterbelichtetere Brut vor der Glotze fesselt und denen es
darüber hinaus völlig wurscht ist, welcher Mittel sich das
Fernsehen dabei bedient, würde wahrscheinlich zu einer anderen
Einschätzung gelangen. Darüber mögen sich die Macher
dieses Schundes freuen – ihre Klientel wächst täglich.
Doch Vorsicht! Das Ding hat einen Pferdefuß: Werden die kleinen
Konsumenten der Zukunft heute zu stumpfsinnigen Einzellern erzogen,
sind sie morgen mit Sicherheit nicht wirtschaftsmächtig genug,
die GEZ zu bezahlen, oder die Werbe-Abonnenten mit ihrem bezeigten Verbrauch
zu animieren, weiterhin in solche Sender zu investieren. Dann schlägt
das Pendel böse zurück. Aber das sind Prognosen, die über
den Tellerrand hinausreichen. Nichts für eine schnelllebige und
kurzsichtige Gesellschaft, die bereits vor über 200 Jahren mit
den legendären Worten an den Start ging: Nach uns die Sintflut!