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In der Diskussionsrunde des Mitteldeutschen Rundfunks "Fakt ist..." vom 14. Dezember 2009 warb Landesbischöfin Ilse Junkermann dafür, den Angehörigen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit bzw. dessen IM genannten Zuträgern nach differenzierter Prüfung des Sachverhaltes die Hand zur Versöhnung zu reichen.

 

Michael L. Hübner
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Brandenburg an der Havel, den 14. Dezember 2009


Liebe Frau Landesbischöfin Ilse Junkermann,

Ihr Auftritt bei "Fakt Ist" im mdr bewegt mich zu diesem Schreiben. Sehen Sie, ich bin ein polytheistischer Heide, dem viele Götter des Pantheons vieler Völker nahe stehen. Desungeachtet hängt der arme Rebbe über meinem Kopfkissen und seine Sicht der Dinge ist mir wichtig. Hier nun sehe ich die Diskrepanz zwischen seinem Anspruch und Ihrer vorgetragenen Haltung den ehemaligen Tätern gegenüber, gleichwohl sie sich beim ersten Hinhören mit der durch die Evangelien überlieferten Haltung des Rebben zu decken scheint.
"Das Lamm, dass sich widerstandslos zur Schlachtbank führen lässt, stärkt die Ordnung der Wölfe" schreibt Stefan Heym. Insofern lehne ich die Haltung der Kirche, die sich bei denen Orthodoxen sogar noch sublimiert, strikte ab, die da auf einen Nenner gebracht lautet: Dulde hier und dafür wird dir dann dort gegeben! Darauf nämlich läuft es hinaus, wenn der Vatikan den SS-Schindern im Namen der Kirche eine "Rattenlinie" ermöglicht, auf der sie sich vor der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu absentieren vermögen, während ihre Opfer in Not und Elend hocken bleiben. Darauf läuft es hinaus, wenn eine gutmeinende Bischöfin deklariert, man müsse vergeben, sich versöhnen und immer wieder die Hand reichen. Wie oft denn noch? Wieviele zukünftige Opfer einer nächsten Diktatur wollen Sie sich denn auf Ihr christliches Gewissen laden, indem sie zukünftige Täter mit Ihren Worten geradezu einladen, ihre Mitmenschen zu schinden und zu schaben - in der steten Gewissheit, wenn alles vorbei ist, reicht man ihnen sowieso wieder die Hand zur Versöhnung nach einem endlos schwafelnden Prozess der "Aufarbeitung"? Ein bisschen bezeigte Reue - und gut ist es!
Sie mögen mir als Theologin erklären, das wäre just die Meinung des Rebben gewesen. ER, der nichts von Theologie verstand, aber trotz des Umstands, dass ER die Liebe selbst war, die Wechsler aus dem Hause SEINES Vaters jagte, war zu durchaus kompromissloser Haltung befähigt. Jetzt werden Sie mich sicherlich auf das Gleichnis vom Verlorenen Sohn verweisen. Jener aber, und das sage ich Ihnen - Ihr Argument antizipierend - war nach Schilderung des Rebben von ehrlicher Reue bewegt, und kein Opportunist, der sich wandelt, weil ihm die geänderten Umstände zwingend erscheinen. Zudem sprach der Rabbi von EINER Heimkehr. In Bezug auf das Volk der Deutschen jedoch ist diese Gelegenheit zur Erkenntnis der Natur des Spitzelwesens nach den Erfahrungen von katholischer Inquisition, protestantischer Hexenverfolgung, Gestapo, Blockwarten und anonymen Denunziantentum absolut verbraucht gewesen. Wer sich sehenden Auges der nächsten durch Gewalt menschheitserlösenden Idee zum Nachteil seiner Mitmenschen verschrieb, dem möge GOTT vergeben. Das in seinem Namen und im Namen der Opfer zu tun, sehr verehrte Frau Bischöfin, gestehe ich weder Ihrem Amte noch Ihnen als Person zu. Ich habe Bekanntschaft mit Schwert und Schild der Partei gemacht, als für den Großteil der Schwaben der Begriff "DDR" gleichbedeutend mit "irgendwo hinter dem Ural" war.
Natürlich werde ich den Teufel tun, Ihnen über den Mund fahren zu wollen. Sie sind ein freier Mensch in einem verhältnismäßig freien Land und können reden was sie wollen. Ich behalte mir lediglich vor, darüber nachzudenken, wie ich es mit der Kirche ferner halte, wenn sich deren Obrigkeit solcherart positioniert. Und ich sage Ihnen: Die Institution Kirche wird mir in dem Maße fremder, wie mir der arme Galiläer näher rückt, den vertreten zu wollen sich die Kirche seit 2.000 Jahren ebenfalls erkühnt. Wir beide - der Rabbi Joshua und ich - teilen insofern nach meiner Ansicht dasselbe Fatum: Wir lehnen diese Institution rundheraus ab, die ihn permanent im Munde führt und die über Köpfe wie dem Meinigen hinweg den Tätern von damals die Hand reicht. Dafür hat ER sich gewiss nicht ans Kreuz schlagen lassen und ich habe dafür nicht einen Teil meiner Lebenszeit damit verbracht, das Tageslicht in meiner Zelle durch ein paar Milchglasbausteine hindurch zu betrachten. Amen

Indem ich Sie herzlich in die Stadt unseres Herrn Kaisers Otto grüße, der seinem Bruder Heinrich übrigens selbst zwei Mal vergab und ihn dadurch läuterte (achten Sie bitte auf meinen Zungenschlag: ER vergab, nicht Erzbischof Adalbert oder welch Kleriker auch immer für ihn!)

verbleibe ich als

Ihr sehr ergebener


Hübner

15. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
14.12.2009