Guido Westerwelle spricht
deutschen Klartext
neuer Regierungsvertreter steckt auf Pressekonferenz
neuen Kurs ab
Scholcher M. Druckepennig
Nach der für die F.D.P. so überaus erfolgreichen Wahl wurde
Liberalen-Chef Guido Westerwelle eine Zeit lang als zukünftiger
Bundesaußenminister gehandelt. Zugegeben – DAS kann sich
nun wirklich kaum jemand so recht vorstellen. Nichtsdestotrotz: da gibt
also der strahlende Wahlsieger 2009 eine internationale Pressekonferenz
und stellt sich den Fragen von Journalisten vieler Länder. Tut
er das? Nun ja, als ihn ein englischer Pressevertreter bittet, englisch
fragen zu dürfen und darüber hinaus zunächst auf eine
englisch gesprochene Antwort reflektiert, blockt der designierte zukünftige
Boss des Auswärtigen Amtes freundlich aber bestimmt ab. Man sei
hier in Deutschland, er sei Deutscher, da werde halt deutsch gesprochen.
Wäre man in der Heimat des Fragenden, so würde man sich der
englischen Zunge bedienen und träfe man sich bei einer Tasse Tee,
so könne man ebenfalls in angelsächsischem Idiom miteinander
parlieren. Aber hier auf dieser Pressekonferenz, da werde halt, den
Landessitten folgend, deutsch geredet – und sonst gar nicht. Die
Landessitten folgen zwar nun seit Jahrzehnten, besser gesagt seit dem
Ende des letzten Krieges, der unseligen Angewohnheit, den Amerikanern
und ihrem gequetschten American English hinterzuhecheln, ein Devotismus,
der letztendlich zur Geburt eines neuen, völlig sinnfreien Gestöhnes
auf Erden – des Dinglischen nämlich – führte,
dennoch, oder gerade deshalb erhob sich in der deutschen Pressewelt
ein Aufschrei, der in der Forderung mündete, Westerwelles Ambitionen
auf den Chefposten im AA zu beenden. Ein Außenminister, der nicht
englisch spricht oder repliziert – wo gibt’s denn sowas!
Hier, hier in Deutschland gibt es so etwas wieder und Gott sei Dank
gibt es das wieder. Der Preußische Landbote dürfte hinsichtlich
seiner nationalen Gesinnung über jeden Zweifel erhaben sein: Wir
besitzen keine, jedenfalls keine deutsche. Preußen ist seit Urzeiten
ein Vielvölkerstaat mit den unterschiedlichsten Sprachen in seinen
Grenzen: polnisch, russisch, deutsch, jiddisch, sinti, livländisch,
pruzzisch, altpolabisch, wendisch etc., etc., etc. Somit sind wir in
der Lage, die Äußerung Guido Westerwelles völlig wertfrei
zu beurteilen: Der Mann hat aber so was von recht! Natürlich! Er
ist Deutscher und er hat in seinem Land verdammt noch mal das Privileg,
in seiner Muttersprache angesprochen zu werden und er hat dasselbe Recht
in seiner Muttersprache zu antworten. Woher nehmen die Engländer
und Amerikaner diese gnadenlose Arroganz, ihre, wenngleich wunderschöne
Sprache, als lingua mundi zu deklarieren. Über Jahrzehnte hinweg
kroch die ganze Welt dem amerikanischen Dollar zu Kreuze und sprach
derhalben geflissentlich die Sprache, die in der Federal Reserve angesagt
ist. Über Jahrhunderte hinweg schufen die Briten mit einem System
aberwitzigen Terrors und hinterlistiger Gemeinheit, getrieben von einer
schier unermesslichen Gier, ihr Empire. Auch hier, rund um den Globus,
mussten die Neger, Kulis, Kaffer, Kanaken, Inder und Gott weiß
wer noch unter der Knute John Bulls dessen Sprache sprechen um wenigstens
am Leben zu bleiben. Und aus diesem Gewohnheitsrecht scheint sich dieser
unerträglich überhebliche Anspruch zu speisen, alle Welt habe
mit englischen Muttersprachlern Englisch zu reden. Es ist wohl eine
besondere Gnade, dass man sich bei denen Nichtengländern zu Hause,
in der Barbarei, noch wenigstens untereinander mit dem unzivilisierten
Gebell und Gejaule wird verständigen dürfen, was Sprachforscher
unter den Begriffen Polnisch, Deutsch, Russisch, Ungarisch oder Dänisch
zusammenfassen. Außer in Frankreich, der von Minderwertigkeitskomplexen
bis zum blutigen Größenwahn gepeinigten Nation, wurde dieser
Trend scheinbar überall beinahe klaglos akzeptiert, in Deutschland
sogar inoffiziell zur heimlichen Staatsräson erhoben. Wo sonst
in der Welt kröche man denen Amerikanern bis hin in den Alltagsgebrauch
so ungeniert in den Stars-and-Stripes-Hintern, wie in Teutonien! Und
da kommt Grinsebacke Westerwelle und probt den Aufstand. Fein, Guido!
Weiter so! Einer Deiner Ahnen, ein gewisser Herr Arminius, römischer
Ritter cheruskisch-germanischer Herkunft, hielt es ebenso. Und plötzlich
landete der Kopf des Feldherrn Quintilius Varus auf dem Tische des Kaisers
in Washington, pardon, in Rom natürlich. Es ist an der Zeit, dass
man auch im anglophonen Raume sich des gequälten Ausrufes des Imperators
erinnere: Varus, Varus, redde me legiones! Oder besser: Guido, Guido,
goddamm, get us back our rules! Aber nein, Guido, keinen Zollbreit gib
ihnen nach! Lass sie wissen, wo sie hier sind. Der verlorene Krieg vor
fünfzig Jahren bedeutet nicht, dass das Volk in der Mitte Europas
ewig und drei Tage mit dem Gesicht durch den Schlamm kriechen muss,
zumal es in den letzten fünf Jahrzehnten hinlänglich bewiesen
hat, dass es zu einer echten Abgrenzung zum braunen Banditentum in der
Lage war. Deutschland hat in dieser Zeit viel getan für die Welt
und das hat diesem Land eine gewisse Würde und damit verbundene
Ansprüche und Rechte zurück verliehen. Die Replik des F.D.P.-Chefs
war daher absolut legitim. Sie war überfällig. Sie ist zu
begrüßen. Wer sich selbst nicht achtet, das hat Westerwelle
sehr gut erkannt, kann nicht erwarten, dass er von anderen geachtet
wird. Insofern war dies der erste radikale Kurswechsel, den der neue
Mann auf der Regierungsbank mit Pauken und Trompeten initiierte. Wenn
wir auch sonst nicht viel Gutes von der Partei des deutschen Mittelstandes
erwarten – das zumindest war unseres Beifalls wert. Hut ab, Guido
Westerwelle! Zum Posten des deutschen Außenministers gehört
zwar noch ein wenig mehr als das – aber ein guter Anfang ist es
allemal!