Baaks

zurück zum Landboten

 

Evelyn Hübner

B. St. Fjøllfross
Man hat hochgerechnet, dass etwas mehr als Einhundertmilliarden Menschen seit Adam und Eva den Globus bewohnten. Einhundertmilliarden. Eine unvorstellbar hohe Zahl. Und doch war jeder einzig und alle, alle hatten sie, bis auf die sechs Milliarden, die zur Zeit leben, den Weg alles Irdischen gehen müssen, den Weg, der keine Rückkehr zulässt. Viele von ihnen hinterließen ihren Hinterbliebenen ein finsteres Loch ohnmächtigen und grausamen Schmerzes. Viele von ihnen hätten wohl ein Tadj Mahal gewidmet bekommen, wenn es denn in der Macht derer gestanden hätte, die es ihnen nicht zu errichten vermochten. So auch diese Eine, die Lausitzer Prinzessin Evelyn Hübner, der ewige Stern am sorbischen Himmel. Was tut es, dass auch ihr Name einst in den Äonen untergeht, die schon einhundermillarden Menschen vor ihr verschlungen haben? Was tut es, dass sie dieser Welt kaum Spuren aufprägte, außer die ihrer großen Güte und Liebe, kaum mehr wahrgenommen in einer Epoche des Wahnsinns, die sich in nichts von den Epochen zuvor unterscheidet? Tot ist eine bildschöne, kluge und herzenswarme Frau. Der 12. Januar 2010 jährt das Datum ihres Verlöschens zum 12. Mal. Es wird sich irgendwann zum Millionsten Male jähren und niemand wird danach fragen. Sie war wichtig Wenigen und wird es diesen bleiben, solange sie leben. Die Erinnerung an Evelyn Hübner wird mit diesen wenigen untergehen und irgendwann wird auch die Stätte ihres Grabes in Dahme in der Mark nicht mehr sein. Es tut nichts zur Sache. Sie war eine große Seele – das alleine zählt. Ihr Leiden war so unendlich groß wie ihre vollständige Schuldlosigkeit. Was hätte der Rebbe Joshua mehr gelitten? Kann man Leid aufrechnen? Ihr Gott hat sie im Stich gelassen, und nicht nur Er. Aber das ist diese Welt, die dieser verräterische und treulose Gott geschaffen und dann ihrer eigenen Verkommenheit anheim gegeben hat. Seine Tochter Evelyn hat ihm vertraut. Wie viele taten das vor ihr und brüllten in endlosem Schmerz wie Sein Sohn: Eli, Eli, lama asaphtani? Ist diese Blasphemie der Hölle wert? Das ist egal. Die Hölle war, wo sie litt. Die Hölle ist, wo sie nicht mehr ist. Schlafe wohl, Evelyn Hübner! Schlafe Du in der kalten Erde den Schlaf, aus dem es kein Erwachen mehr gibt. Wenn Gedanken und Liebe Dich wärmen können, dann sollst Du es wenigstens warm haben in jenem verfluchten Verließ, in dem Dich Dein Gott verderben ließ. Einhundertmilliarden Menschen. Du warst eine von ihnen. Und Du zähltest zum Besten, was diese Gattung je hervorgebracht hat. Genutzt hat es Dir wenig, eher geschadet. Wenn der christliche Jenseitsglauben Unfug ist, so liegt daran wenigstens der Trost, dass Dich Deine Leiden nun nicht mehr quälen können. Schlafe wohl, kleine, arme, tapfere Maus. Der Tod löscht alle Schuld. Nur nicht die der Überlebenden. Überleben kann ein Fluch sein.

15. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
´12.01.2009