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Fachtagung Stadtumbau
Vor zwanzig Jahren bekamen die deutschen Städte östlich des Eisernen Vorhanges noch einmal eine zweite Chance

Kotofeij K. Bajun
Vom rasanten Verfall bedroht, weil die DDR den Erhalt und die Restaurierung der ererbten Bausubstanz teils weder leisten wollte noch konnte, bedeutete die Wende für viele architektonische Schmuckstücke und Ensembles, die mittlerweile auf das Erscheinungsbild eines kachektischen Aschenputtels herabgesunken waren, die Rettung in letzter Minute. Die Fachtagung, die das Brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft am 30. November 2009 im Rolandsaal ausrichtete, befasste sich jedoch nicht nur mit einer ausführlichen Retrospektive. Natürlich ließen es sich die Referenten, unter ihnen Kommunalpolitiker aus der Havelstadt, Cottbus, Wiesenburg, Neuruppin und Luckau nicht nehmen, den oft dramatischen Verlauf der Rettung ihrer Gemeinden sehr detailliert zu schildern.
Vorher-Nachher-Bilder weckten dabei Erinnerungen, die, geschuldet den zwanzig Jahren Alltagsbewältigung seither, bei vielen Zeitgenossen einfach nicht mehr präsent sind. All den (N)ostalgikern und Ewiggestrigen hätte die Auseinandersetzung mit diesen fotografischen Dokumenten sicherlich gut getan. Den etwa 80 Teilnehmern der Veranstaltung ging es aber um weit mehr als eine selbstverliebte Nabelschau. Sinn der Tagung war vor allem, den oft ebenso schwierigen wie auch schmerzhaften Prozess des Stadtumbaus, der bis heute ungebrochen anhält, aufzuarbeiten und Folgerungen für das zukünftige Handeln abzuleiten. Denn nicht nur die bedrohte Kernsubstanz stellte den Fortbestand vieler ostdeutscher Kommunen in Frage. Der demografische Wandel und die seit der Wende anhaltende ökonomisch bedingte Migration zumeist leistungsstarker Bevölkerungsgruppen in den Westen stellen die Städte und Gemeinden östlich der Elbe auch zwanzig Jahre nach der Wende vor harte Prüfungen. So musste die Cottbuser Stadtplanerin Doreen Mohaupt bedrückt konstatieren, dass die kreisfreie Lausitzmetropole jüngst ihren Status als Großstadt mit dem Unterschreiten der 100.000 Bewohnermarke verlor.

Wurde während der Standortplanung, die zeitlich mit der BUGA 1995 einherging, noch von einem Bevölkerungszuwachs bis 2020 von 125.000 auf 150.000 ausgegangen, so stellt sich gegenwärtig dar, dass Cottbus dem mit der BUGA aufgebauten Erwartungsdruck auf Dauer nicht standzuhalten vermochte. Allein dieses Beispiel der sorbischen Zwillingsstadt Brandenburgs an der Havel verdeutlicht, dass allein mit der Ausrichtung einer solchen nationalen Großveranstaltung noch kein garantierter Wechsel auf eine nachhaltige Erfolgsgeschichte ausgestellt ist. Umso bedauerlicher ist es, wenn Bemühungen einer Stadt den Weg zu größerer Attraktivität schon in ihrem Eingangsbereich zu ebnen, wie denn mit der Planung der neuen Brücke über den Stadtkanal zum Paulikloster geschehen, von Mitbürgern und Abgeordneten unterminiert werden, die sich des langfristigen Zugewinns aufgrund einer solchen Investition nicht bewusst zu sein scheinen.
Die Wohn- und Lebensqualität einer Stadt zählte der ebenfalls als Referent anwesende Brandenburger Baubeigeordnete Michael Brandt zu den weichen Standortfaktoren. Es mehren sich allerdings die Stimmen, welche mittlerweile das Wort "weich" durch sein Gegenteil substituiert wissen wollen. Insofern dürfte auch die Initiative "Lückenloses Luckau - eine Stadt stärkt ihre Mitte" von Brandenburg an der Havel mit großem Interesse beobachtet worden sein. Negative synergetische Effekte, wie sie Ludger Baba, Geschäftsführer der komet-empirica GmbH, in den Fällen postulierte, in denen eine verkommende Immobilie allein durch ihren Verfall den Wohnwert der gesamten Nachbarschaft bzw. des Quartiers mindert, dürften der Dreiststadt an der Havel nicht unbekannt sein. Man denke an das Gotische Haus, das gegenüberliegende nördliche Eckhaus Ritter-/ Bäckerstraße, das Quitzowhaus oder das Bergschmidt-Haus. Oder man besehe sich einfach nur das deprimierende Beispiel des Hotels "Zum Bären der Hauptstraße, die Kaufhalle Mitte ...
Unterschwellig mahnte Baba die Legislative an, den Handlungsspielraum der kommunalen Verwaltung gegenüber privaten Immobilienbesitzern auf der einen Seite zu erweitern, auf der anderen Seite jedoch privaten Investoren mit lohnenden Steuermodellen lukrative Investitionsanreize zu bieten. Begreift man eine Kommune als lebendigen Organismus, so sind Ausdehnungsschwankungen, Flächenumwidmungen, massive Veränderungen in Infrastruktur und Stadterscheinung folgerichtige Prozesse. Wichtig jedoch ist eine ausgewogene, von vernünftigen und durchdacht ausgehandelten Kompromissen getragene Umsetzung, die den Interessen der Bevölkerung auch auf lange Sicht Rechnung trägt. Insofern klang die zunächst häretisch anmutende Forderung Brandts nach einer Entschleunigung des Entscheidungsprozesses durchaus vernünftig. Mit den Sünden eines verfehlten Stadtumbaus werden sich nämlich noch die Folgegenerationen herumärgern müssen. Genau diese Dimensionen aber haben für Stadtplaner und -gestalter bindend zu sein. Ansätzen, diktiert von persönlichen Profilneurosen oder Eitelkeiten, die sich innerhalb kurzer Zeiträume bestätigt und verwirklicht sehen möchten, ist daher entschieden entgegenzuwirken.

15. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
30.11.2009