Segnungen der Gerontokratie
zur Personaldiskussion von Bob Lutz als Opel-Sanierer
Don Miquele Barbagrigia
Opel, die deutsche Traditionsmarke, wurde von ihrem Mutterkonzern General
Motors im Zuge der Krise mit in den Abgrund gerissen. Bekannt. GM weigert
sich, entgegen allen Zusagen und Vereinbarungen, das Filetstück
Opel an Magna zu verkaufen. Bekannt. Die Opelaner, die jahrzehntelang
um das größte Maul im Reich mit guten Aussichten konkurrieren
durften, werden plötzlich ganz kleinmütig und zittern wie
Espenlaub. Dahin die guten Zeiten, da jemand, der bei VW, Opel, BMW,
Mercedes-Benz, Quelle oder Karstadt arbeitete, einen Edel-Job auf Lebenszeit
hatte, mit fetter Betriebsrente, tadellosem Blaumann, dreizehntem Monatsgehalt,
Weihnachtsgeld und besonderen Vergünstigungen beim Einkauf eines
Produktes aus dem eigenen Hause. Sie waren kleine Fürsten unter
den Proleten, die Angestellten, der als unsinkbar geltenden Konzernriesen.
Haben sie einen Schreck bekommen, als damals die gewerkschaftseigene
„Neue Heimat“ absoff? Wurden sie nachdenklicher, die Opelaner?
Oder protzten sie noch immer vor ihren armen Brüdern und Schwestern
aus der Zone mit ihrem legendären Arbeiter-Wohlstand? Und machten
sich ganz nebenbei lustig über das vergreisende Politbüro,
die bibbernde und schon lange nicht mehr zurechnungsfähige Altherrenriege
von Wandlitz? Sic transiet gloria mundi! Nicht mal, dass nebenan gleich
ein ganzer Staat geschlossen über Bord ging, beeindruckte die noblen
„Arbeitnehmer“ von drüben. Was ging sie das an? War
doch klar, die Pleite der Kommunisten. Kann ihnen nicht passieren, ihnen
doch nicht! Opel. OPEL! O P E L ! Wir leben ewig! Kinders,...
Doch, über Nacht kann es auch den Größten passieren,
wie wir sehen und wie wir gesehen haben als Nick Leeson über Nacht
Barings gegen den Baum karrte. Barings Bank – der Inbegriff der
Solidität und Macht des Empire – ein 28jähriger Rotzbengel
konnte mit wenigen Federstrichen ein 223 Jahre altes Traditionsunternehmen
in Nullkommanichts zertrümmern. Gibt uns das zu denken, liebe Opelaner?
Nein? Warum auch. Euch kann so etwas nicht passieren. Doch – es
kann, und es passierte. Und jetzt will GM den Laden alleine wieder flott
bekommen. Der Rotstift geht um und die Opelaner zittern wie ein ausgelassenes
Stück Sülze. Und das Schönste ist, der Rotstift soll
jetzt von der greisen Hand eines Gerontokraten, des 77-jährigen
Bob Lutz geführt werden. Mit Lutz voraus, volle Kraft gegen den
Eisberg! Hurra, hurra, hurra! Viel älter waren die Politgreise
von Pankow übrigens auch nicht. Vor dreitausend Jahren sammelte
König Salomo die Weisheit seines Volkes. Man kann sie im Alten
Testament nachlesen. Und siehe, die Juden, schon damals kluge Köpfe,
lehrten Demut in der Zeit der fetten Jahre und sie verkündeten,
dass es in des HERREN Hand läge, Könige und Kaiser zu vernichten
– mit dem Schnipsen seines Daumens. Nichts davon hat bis heute
seine Gültigkeit verloren. Warum? Weil der Nackte Affe und die
Gesellschaften, in denen er sich organisiert, immer nach ein und denselben
Prinzipien funktionieren. Zu diesen Prinzipien scheint auch zu gehören,
dass es das Vorrecht alter Herren ist, marode Firmen, Staaten und andere
Organisationsformen in die Hölle zu sanieren. Was lernt der gemeine
Opelaner daraus? Gar nichts.