Baaks

zurück zum Landboten

 

Taten zählen!
Finanzberater Gido Schmidt erinnert sich an die Wende

Michael L. Hübner
Schwimmen konnte er noch nicht. Aber Hundepaddeln. Für Gido Schmidt reichte das, um sich von den größeren Kindern Neuendorfs nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Wie sie sprang der kleine Gido unverzagt von der alten Buhnenhaus-Brücke in die Havel – ein durchsetzungsfähiger Draufgänger, der schon von frühester Jugend an wusste, was er wollte. 1962 in die ländliche Idylle Neuendorfs am Havelgemünde als Sohn einer selbständigen Friseurmeisterin hineingeboren, wuchs er doch im Herzen Brandenburgs auf. Von Anfang an lernte er seinen Weg zu suchen und für seine Ziele zu kämpfen. Folgerichtig fand er bei „Stahl“ zum Boxen. Noch immer hängen die alten Boxhandschuhe an der Wand über dem Schreibtisch. Selbst gegen Henry Maske hatte er mal geboxt und mit Birgit Fischer zusammen Kanu trainiert. Das Abitur wäre für den aufgeweckten Schmidt ein Kinderspiel gewesen – aber als Sohn der Ausbeuterklasse stand er auf verlorenem Posten. Was Wunder, dass Schmidt mit der SED nie etwas am Hut hatte. Das Stahlwerk ließ ihn in Dresden den Beruf eines Elektromaschinenbauers für Gleichstrommaschinen erlernen. Bei der Armee wurde er dann auch noch Baumaschinist für Fördertechnik und half mit den Palast der Republik, den Fährhafen Mukran und Honeckers Tunnel im Harz auszubauen. Selbst auszubilden – das verwehrte man ihm wiederum: „Sozialistisch nicht tragbar...“ lautete die lapidare Begründung. Zurückgekehrt ins SWB riss sich der Jungfacharbeiter um jede Qualifikation, derer er habhaft werden konnte. Er wollte viel vom Leben – nur eben nicht geschenkt. Seine Vorgesetzten sahen – es steckte was in diesem Manne und der Abteilungsleiterposten wurde in absehbarer Zeit vakant. Also offerierte der „BGLer“ ihm 1987 ein Abendstudium, obwohl Schmidt im gleichen Jahre damit drohte, den nächsten Wahlen im Arbeiter- und Bauernstaat fernzubleiben, weil er bei der Urlaubsplatzvergabe trotz sehr guter Leistungen und hohen Engagements schon wieder „hinten runter gefallen“ war. Er, der in seinen jungen Jahren schon mit härtesten Bedingungen zu kämpfen gehabt hatte und sich als Student mit der sechsköpfigen Familie eine 2 ½ Zimmer-Wohnung teilen musste, nahm jedoch auch die Herausforderung der Abendschule an, die seine Freizeit nahezu annullierte. Doch es war eine Möglichkeit weiter zu kommen, und Schmidt wäre nicht Schmidt gewesen, hätte er nicht zugegriffen. Die Wende aber ließ diesen Weg versanden. „Uns Stahlwerkern war klar, dass der Betrieb nicht überleben würde. Hätte die Treuhand sich nicht zum Gehilfen derer gemacht, die nur daran interessiert waren, die ostdeutsche Konkurrenz und ihre Märkte platt zu machen, die Wiedervereinigung wäre uns erheblich billiger gekommen,“ resümiert Schmidt. Aber das ist Vergangenheit und mit der hält sich ein Macher wie Schmidt nicht über Gebühr auf. Sein Blick ist unverwandt nach vorne gerichtet – jammern zählt nicht. Durch einen Bekannten wurde er auf den Finanzsektor aufmerksam. Selbständiger Banker, das war so recht nach seinem Geschmack. Bei Wüstenrot lernte er bis 1994 sein Geschäft, aber „... eigentlich lerne ich es heute noch und jeden Tag etwas dazu.“ Das entspricht ganz dem Credo des agilen Mittvierzigers, der die Wende im Nachhinein als etwas sehr Positives beurteilt. „Es ist doch so,“ sagt er, „heute hat jeder die Chance etwas aus seinem Leben zu machen, ohne dass ihn eine Institution oder ein Staat zwingt, einer Partei beizutreten, drei Jahre zur Armee zu gehen oder irgendeine Ideologie zu heucheln. Wer etwas erreichen möchte, der steckt sich ein Ziel, und dann sucht er sich den Weg dorthin. Führt der eine nicht weiter, dann geht eben ein anderer. Man muss nur ernsthaft wollen! Und machen! Taten zählen!“ Das regt ihn auf, wenn gewisse Zeitgenossen sich darauf beschränken auf den Staat zu schimpfen, anstatt selbst nach Möglichkeiten zu suchen. Und es erschüttert ihn, dass die Leute so schnell vergessen. „Heute wird einem nicht mehr gesagt: Links herum oder rechts herum! Heute ist der gefragt, der sich selber kümmert!“ Dass dem IHK-geprüften freien Finanzberater die Geschicke der Allgemeinheit desungeachtet am Herzen liegen, beweist er mit seinem Engagement in den Reihen der Brandenburger Christdemokraten, denn: „Jeder, der etwas für die Gesamtheit der Bevölkerung, nicht nur für einzelne Gruppen, auf die Beine stellt, ist bei mir gern gesehen und erfährt meine Unterstützung.“ Dass man sich frei engagieren und entfalten kann, ist für ihn ein vorzeigbares Ergebnis der Wende, die er persönlich meisterte, wie einst seinen kühnen Sprung von der Havelbrücke zwischen Rohrwerder und Schloßberg: Wenn man will, dann erreicht man das Ufer – wie auch immer!

15. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009
08.09.2009