Der letzte Mohikaner
Hank Teufer und die Wendezeit
von Michael L. Hübner
Die Wende hatte Hank Teufer an den Havelstrand gespült, ihn, den
1959 in Roßwein bei Dresden Geborenen. Sicher, Teufer hatte der
DDR einiges zu verdanken gehabt, die Ausbildung an der Filmhochschule
Babelsberg, die ersten Arrangements in Zittau und Neustrelitz –
unter den Marotten des Arbeiter- und Bauernstaates litt er jedoch zur
Genüge. Seine spätere Frau wohnte am Griebnitzsee: die Grundstücks-
war gleichzeitig die Staatsgrenze. Wenn Teufer die Liebste besuchte,
so riskierte er jedesmal Leben und Freiheit. Denn die Wohnung lag im
Sperrgebiet. Einen Passierschein bekam er erst später und diesen
auch nur fürs Wochenende und zu Feiertagen ausgestellt. Blickte
er dann vom Balkon aus, auf den er kein Fernglas mitnehmen und unter
dem er auch keine Leiter liegen lassen durfte, nach Westberlin hinüber,
dachte er: „Eher kommst du auf den Mond, als an dieses nahe und
doch so ferne andere Ufer...“ Andererseits, seine Welt, das Theater,
bot couragierten Regisseuren und Mimen in der DDR Chancen, die so in
der freien Welt selten geworden sind. Das Bühnenspiel brauchte
sich nicht nur auf Boulevard und seichte Unterhaltung festzulegen, sondern
konnte seine Verantwortung als gesellschaftsgestaltende Institution
wahrnehmen, konnte sich nachhaltig einmischen, konnte provozieren. In
Zittau gab das Ensemble, in dem der junge Mime Teufer mitspielte, unter
Robert Silberstadt Majakowskis „Schwitzbad“. Zum Zerreißen
gespannt war die Atmosphäre im Theater nach dem Fall des letzten
Vorhangs – niemand wagte zu klatschen. Das Stück aber war
aussagemächtig und spürbar in die Herzen seines Publikums
eingedrungen. Dennoch machte Teufer seinem Unmut über das herrschende
System Luft, als er noch vor den Wendejahren aus dem FDGB austrat. „Das
hat aber Konsequenzen für Ihre Besetzung!“ raunzte sein damaliger
Neustrelitzer Oberspielleiter Reinhard Hellmann. „Die gesellschaftlichen
Veränderungen waren aber auch so was von überfällig...“,
sinnierte derselbe Hellmann nach dem Zusammenbruch des Sozialismus.
Mit der Wende aber sollte sich noch weitaus mehr ändern, als die
Weltanschauung eines Oberspielleiters aus der Provinz: Teufer, der mittlerweile
zu einer der ganz wenigen freien Ensembles der DDR gehörte, musste
mitansehen, wie über Nacht alle Verpflichtungen weg brachen: Die
Klubhäuser der Kommunen, die Betriebsspielstätten, die NVA,
die FDJ – niemand hatte mehr Geld für die Kultur, jeder rang
selbst ums Überleben. Dem märkischen Pallenberg blieb die
Erfahrung eines halben Jahres Arbeitslosigkeit nicht erspart: Die Brandenburger
Theatertruppe, in die ihn Harald Arnold und Sylvia Kuckhoff einst geholt
hatten, wurde noch unter Brandenburgs schillerndstem Intendanten Ekkehard
Prophet aufgelöst. Doch Teufer, Workaholic, Organisationsgenie
und unverbesserlicher Optimist, nutzte die Zeit und wagte den Sprung
in die Selbstständigkeit. Das event-theater wurde am 11.11.2000
gegründet und später die eigene Produktionsfirma „teufer-productions
- Kultur der Ess-Klasse“. Das bis heute in der Brandenburger Theaterlandschaft
ungebrochen erfolgreiche event-theater ging damals als Verein schon
mit 40 eingeschriebenen Mitgliedern an den Start. Brandenburger Mittelständler
und Bürger, ja, die Stadt selbst unterstützen seit neun Jahren
diese freie Truppe, die seit Jahren die Havelstädtische Kulturszene
tragend bereichert. Ein vitales und lebendiges Künstlerbiotop ist
die kulturelle Seele, das Herzblut einer Gemeinde. Beides drohte mit
der Aufgabe des Brandenburger Theater-Ensembles zu sterben. Das wollte
und konnte Teufer, mittlerweile einer der letzten Mohikaner der einstigen
Brandenburger Truppe, nicht zulassen. Seine Produktionen erfreuen sich
mittlerweile überregionaler Popularität. Sogar die brandenburgische
Landesvertretung lud Teufer für den 19.10. nach Berlin, zur Aufführung
seines gefeierten „Dienstags bei Morrie“.
Die Wendezeit, die für Teufer so tiefe Inzisuren brachte, ist auch
diesem Vollblut-Theatermann nicht unvergessen. Zum Wendejubiläum
1999 inszenierte er als Gastregisseur sein eigenes Stück „Ostmose
– ein Fall für Zwei“. In diesem Jahre bringt er anlässlich
des 9. November das Stück „Das deutsch-deutsche Geheimnis“
auf die Bühne, in dem er den Beweis antritt, dass die deutsche
Nation auch zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall dem Denken und Fühlen
nach kurioserweise noch immer in zwei Ethnien gespalten ist. Man darf
gespannt sein.