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Vom Zimmermann zum Sozialarbeiter
von Michael L. Hübner Irgendetwas aber musste man ja nach der Schule machen. Nachdem der Wunsch in die Werbung zu gehen scheiterte und der Beruf eines Rostschützers drohte, riefen ein paar helle Köpfe im BMK-Ost: „Kommt ja gar nicht in die Tüte, das ist nichts für einen Einser-Absolventen. Da haben wir genug Kandidaten mit einem Dreier-Abschluss. Lerne mal lieber Zimmermann.“ Hoffmann landete beim VEB Stadtbau und war's zufrieden. Bis heute profitiert er von dieser weisen Entscheidung und bis zur Wende arbeitete er beim Stadtbau im geliebten Beruf. Dessen Parteisekretär war kein Fanatiker, mit dem konnte man reden. Auf dem Bau ließ es sich sowieso angesichts der latenten Materialengpässe leichter über den Staat schimpfen. Und so ein bisschen half der sich seit jeher für das in der DDR nur schwer erhältliche, etwas ketzerisch angehauchte Schriftgut interessierende Hoffmann zu sticheln und zu zwacken, wie es die Berliner Umweltbibliothek vormachte. „Ich war nicht in der ersten Reihe, Gott bewahre“, wehrt er ab. „Klar kannte man sie alle. Erhard Gottschalk, Kuno Pagel, Radekes... Aber ein Vorzeige-Revolutionär? Erste Reihe gar? Ich? Aber nein. Außerdem ging es uns ja auch verhältnismäßig gut.“ Gelitten hat seine alte Tornado-Schreibmaschine und der Schlaf seiner Frau, wenn er mit fünffachen Durchschlag den Aufruf des Neuen Forum in die Seiten hämmerte. Wenig Verständnis brachte Hoffmann für die auf, die in Scharen nach dem Westen flohen. „Die machten es sich einfach. Hier musste etwas geschehen! Wer sollte das denn tun, wenn alle nur Fersengeld gaben?“ Nein, Flucht war für ihn, dem in der Wendezeit auch die erste Tochter geboren wurde, keine Option. Vom Mauerfall hörte Hoffmann erst in den Morgenstunden des 10.11.89. Aber es war ein Dachstuhl fertigzustellen, also ging er zur Arbeit. Danach erst kam das Anstehen für einen Stempel im Ausweis zum legalen Grenzübertritt. Mit dem Stempel im Gepäck fuhr die Familie nach Berlin, wo die Eltern seit einiger Zeit eine Wohnung hatten. Himmel und Menschen waren unterwegs. Familie Hoffmann mied den Trubel und betrat erst am frühen Morgen des 11.11. Westberlin. „Es war irgendwie unheimlich. Da war plötzlich niemand mehr, der einen von den Grenzanlagen wegblaffte und drüben gab es ganz normale Straßen, Häuser und Plätze, wo uns unser Kartenmaterial doch Jahrzehnte lang weiß machen wollte, das sei eine Art terra incognita, ein fremder Planet.“ Doch gerade die Existenz dieses aller Ostpropaganda zum Trotz quicklebendigen Westberlins hält Hoffmann für einen ausschlaggebenden Katalysator des schnellen Zusammenbruchs der DDR. Mit der Öffnung des Brandenburger Tors pfiff die verbliebene Lebensluft aus dem kleinen, eh schon schlaffen roten DDR-Ballon, so rasch, dass all die Reformhoffnungen für eine bessere DDR gleich mit in alle Winde zerstoben. Hoffmann selbst, der die Heimat arbeitshalber nur für ein Vierteljahr in Richtung Bayern verlassen hatte, musste nach der Rückkehr erst einmal Sozialhilfe beantragen. Diesmal aber rang er sich durch, holte das Abitur nach, anschließend zwei Wartesemester, in denen Wolfgang Rudolph ihn sogar für kurze Zeit an die Puppenbühne holte, und studierte vier Jahre lang Sozialpädagogik. Für die Grünen zog er, der heute als Sozialarbeiter in der JVA Brandenburg tätig ist, 2004 als Nachrücker ins Stadtparlament. Fünf Ausschüsse bedienen sich seiner Mitarbeit und seines Engagements. Das wäre vor 1989 ganz sicher nicht denkbar gewesen. |
15.
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B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2009 24.11.2009 |