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Zgierz
eine Reise zu Versöhnung und Freundschaft

Michael L. Hübner
Vom 31. August bis zum 02. September 2007 besuchte die zweite deutsche Delegation die polnische Stadt Zgierz. Anlaß war die Enthüllung der deutsch-polnischen Gedenktafel für Bronislawa Czubakowska, die am Amtsgericht der Stadt Zgierz angebracht wurde.


Die Gedenktafel für Bronislawa Czubakowska an der Stelle ihres ehemaligen Wohnhauses (heute Amtsgericht von Zgierz)

Wieder war der rührige pensionierte Ingenieur Herr Klaus Leutner aus Berlin die treibende Kraft, der organisatorische Geist der Deutschen und Polen. Zu unserem großen Bedauern konnte die andere "Seele von's Geschäft", die Brandenburger Museumspädagogin Frau Gudrun Bauer, diesmal nicht an der Fahrt teilnehmen. Sie fehlte sehr, da sie ja eine der Hauptrorganisatorinnen des Bronislawa-Projektes ist und sich mit schier übermenschlicher Kraftanstrengung für die Gesamtrealisierung eingesetzt hatte.


Pater Strozka, eine Veteranin, Herr Ing. Klaus Leutner, ein Verteran, Pani Leutner

Das Amtsgericht erhebt sich an der Stelle eines nicht mehr existierenden Gebäudes, in dem Bronislawa Czubakowska einst geboren wurde und ihre Kindheit und Jugend verbrachte.


Enthüllung der Gedenktafel für Bronislawa Czubakowska aus Zgierz am Zgierzer Amtsgericht

Gestiftet wurde die zweisprachige Tafel von der Stadt Brandenburg an der Havel, der Stadt Potsdam und einer privaten Person aus Berlin.

Die Einweihung der Gedenktafel fiel am 1. September 2007 zeitlich mit dem 68. Jahrestag des verbrecherischen Überfalls des faschistischen Deutschlands auf seinen Nachbarn Polen zusammen.


Die Schülergruppe vor der Gedenktafel am Zgierzer Amtsgericht

Entsprechend groß war die Beteiligung auch und gerade auf polnischer Seite. Die polnischen und deutschen am Projekt beteiligten Schüler hielten kurze Ansprachen, in denen sie des sinnlosen und grausamen Todes der jungen Frau gedachten und versprachen sich dafür einzusetzen, dass sich solche tragischen Ereignisse nie wiederholen dürfen. In Gegenwart selbst einer Delegation der Gewerkschaft Solidarnosz hielt der Zgierzer Stadtpräsident Herr Sokol eine bewegende Rede und weihte dann die Tafel durch das Abziehen der sie bis dahin verdeckenden polnischen Banderole.

Herr Pfarrer Strozka von der Stadtkirche Sw. Katarzyna weihte sodann die Tafel nach katholischem Ritus.


Die Schülergruppe vor der Stadtkirche Sw. Katarzyna zu Zgierz

Im Anschluß folgten die Delegationen dem Pater zur Stadtkirche Sw. Katarzyna (St. Katharinenkirche), in der seit dem ersten Besuch der deutschen Projektgruppe eine Urne mit Erde vom Berliner Gräberfeld der unbekannten Hinrichtungsopfer aufbewahrt wird, auf dem auch Bronislawa Czubakowska mutmaßlich beigesetzt wurde.


Die Urne in der Stadtkirche Sw. Katarzyna zu Zgierz

In dieser Kirche wurde Bronislawa einst getauft und eingesegnet.
Auch hier wurden sie von einer Abordnung der Zgierzer Stadtregierung unter Leitung von Stadtpräsidenten Herrn Sokol empfangen und von polnischen Bürgern aus Zgierz begleitet.

Bewegend war die Trauerzeremonie in der Kirche vor der Urne aus Deutschland. Ganz herzlich wurde hier sowohl von der polnischen als auch von der deutschen Seite Frau Gansauge aus Berlin gedankt, welche die ungewöhnliche Aktion der Entnahme von Friedhofserde seinerzeit ermöglichte.


Die polnischen Honoratioren und Frau Hübner empfangen die Schülergruppe vor der Kirche Sw. Katarzyna zu Zgierz

Eine weitere Zeremonie schloß sich an den Besuch der Kirche auf dem naheliegenden Friedhof der Stadt Zgierz an, auf welchem sich sowohl die Gedenkstätte für die polnischen Opfer des deutschen Überfalls von 1939 als auch die symbolische Grabstätte der Bronislawa Czubakowska befindet. Beeindruckend war, dass viele Polen, die gekommen waren um ihre Kriegstoten zu ehren, sich dem Zug an das Grab der Bronislawa anschlossen. Das bewies, dass die Zgierzer weder die unglückliche Tochter ihrer Stadt noch das eigene Leid vergessen hatten, was ihnen einst von einer fremden Invasionsmacht völlig unverschuldet zugefügt worden war.


Artur, Herr Leutner und Sebastian am Gedenkstein der polnischen Opfer des faschistischen Überfalls vom 1. September 1939

Auch dort hielten Herr Sokol als Vertreter der Stadt Zgierz und Frau Beigeordnete Hübner als Vertreterin der Stadt Brandenburg an der Havel eindringliche Reden, die über dem Grab der jungen Frau eine gemeinsame Zukunft der Nachbarn zu beiden Ufern der Oder beschworen. Polen und Deutsche fanden eine gemeinsame Sprache.


Frau Beigeordnete Hübner aus Brandenburg an der Havel und Herr Stadtpräsident Sokol aus Zgierz halten am Grab der Bronislawa eine Rede

Die anschließende Kranzniederlegung weckte noch einmal die Erinnerungen an die zurückliegenden zwei Jahre intensiver gemeinsamer Arbeit, die halfen ein Menschenschicksal, das für ungezählte andere stand, dem Vergessen zu entreißen.


Herr Museumsdirkektor Dr. Kohnke am Grab der Bronislawa

Die Erschütterung über die Schrecken der Vergangenheit, aber auch das Wissen, zwei Jahre unermüdlicher und akribischer Suche nach beinahe verwischten und schwer auffindbaren Spuren für eine große Sache investiert zu haben, stand den Teilnehmern ins Gesicht geschrieben.


Polnische Bürger und Veteranen am Grab der Bronislawa

Ein gewaltiges Puzzle wurde von vielen Schülern und Erwachsenen zusammengefügt, welches in seiner Gesamtheit das Lebensbild eines einzelnen Menschenkindes ergab, einer jungen Frau, die eine von uns hätte sein können.


Herr Schroth legt ein Blumengebinde am Grab der Bronislawa nieder

Den krönenden Abschluß fanden die Feierlichkeiten in einem kleinen, aber ausgesprochen exquisiten Bankett, welches die polnische Stadtführung für ihre deutschen Gäste im Hotel San Remo gab. Bei dieser Gelegenheit wurden Erinnerungsgeschenke ausgetauscht. Anlässlich seiner Festrede betonte Herr Leutner, dass er mit dieser Veranstaltung keineswegs das Ende des Projektes gekommen sehe, sondern gab im Gegenteil seiner Hoffnung Ausdruck, das Bronislawa-Projekt möge der Grundstein für die sich anbahnenden engen und herzlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten als Vertretern ihrer jeweiligen Nation sein.


Herr Stadtpräsident von Zgierz, Jerzy Sokol, erhebt sein Glas auf die gemeinsame polnisch-deutsche Zukunft

Der Abend des 01. September 2007 gehörte dann den jugendlichen Teilnehmern beider Staaten, die sich freuten, "ungestört" von Zeremoniell und Protokoll ihre gemeinsamen Erlebnisse noch einmal aufzuwärmen, ihre Kontakte zu vertiefen. Während die älteren Delegationsteilnehmer noch polnische und deutsche Kriegsgräber und Gedenkstätten besuchten, zeigten die jungen Polen ihren deutschen Freunden voller Stolz die zweitgrößte Stadt Polens, Lodz, die nur wenige Kilometer südlich von Zgierz liegt. Das gigantische und hochmoderne Einkaufszentrum „Manufaktura“, welches auf dem Gebiet eines ehemaligen Industriegeländes liegt, sprach deutlich von der rasant wachsenden wirtschaftlichen Prosperität unserer neugewonnenen EU-Nachbarn.


Die Gruppe vor dem National-Museum zu Lodz

Die Haupt-, Bummel- und Einkaufsstraße Piotrowska bot ein Nachtleben von beeindruckender Dynamik und Quirligkeit, welches die deutschen und polnischen Jugendlichen sehr schnell in sich aufnahm.


Anja, Herr Hübner und Sebastian

Herrn Leutners Festrede beim Bankett folgend, können wir, unseren Besuch resümierend, feststellen, dass wir alle tatsächlich einen großen Schritt hin zu Aussöhnung und Normalität getan haben.


Herr Schroth, Marella und Mikolai

So wie die unselige „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich auf dem Schlachtfeld von Verdun begraben wurde, konnten wir einander über dem Grab der Bronislawa Czubakowska die Hände reichen und mit gelebter, herzlicher und echter Freundschaft die auf so furchtbare Art mißhandelte und getötete Bronislawa 65 Jahre nach ihrem Tode ehren, ihr Sterben der grauenhaften Sinnlosigkeit entreißen. Auch wir wünschen und, dass dieser Faden von den uns Nachfolgenden aufgenommen wird; dass er sich zu einem festen Seil verstärke, das uns untrennbar miteinander verbinde und das waffentragende und menschenverachtende Hände für immer in Fesseln schlagen möge.


Das Grab der Bronislawa Czubakowska in Zgierz bei Lodz

Photos: Preußischer Landbote

10. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007