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Egomanen und Phantome – die seichte Welt der amerikanischen Fernsehstudios

Jules-Francois S. Lemarcou
Diese Hollywood-Schinken, diese Action-Klamotten, ach was sind die dröge! Es ist doch ewig derselbe Zirkus: Eine anfänglich harmlos erscheinende Situation läuft aus dem Ruder. Für die Beteiligten wird es brenzlig. Es geht um Kopf und Kragen. Ein Held ersteht – natürlich ein US-Amerikaner! Der schmückt sich mit jeder Menge Blessuren, Quetschungen, Schürf- und Schußwunden und während er dieses tut, rettet er noch ein paar Opfer, die das kraft eigener Wassersuppe nicht vermögen. Die prädestiniertesten Subjekte sind junge und attraktive Frauen – sie eignen sich so vorzüglich zur belohnenden Begattung – oder Kinder. Letztere bedienen das herzige Walt-Disney-Prinzip, das Kindchenschema. Man kann auch beide retten - egal, Hauptsache der Kontrast zwischen dem Beherrscher der Situation und den Ausgelieferten leuchtet so richtig stark und kräftig. Das uralte Possenspiel von Ritter, Prinzessin und Drachen. Es ist zum Gähnen!
Wenn dann die Maid oder das Kind glücklich aus Todesnot errettet sind, dann atmen wir Glotzesüchtigen alle im Kollektiv erleichtert durch: Was hat der Teufelkerl riskiert um ein Leben vor dem Verlöschen zu bewahren!
Ging es darum? Blödsinn! Auch das gerettete Leben ist nur Mittel zum Zweck. Auch diese Aktion dient nur der Überhöhung des Helden. Es geht um ihn. Um seine Strahlkraft! Und darum, daß wir im Dusel einen Augenblick lang träumen dürfen, es ihm gleich zu tun. Gleich ihm im Mittelpunkt der Anerkennung und Bewunderung zu stehen. Nur einmal …und dann für alle Zeiten!
Was zählt da das gerettete Leben? Es ist nurmehr das argumentierende Fundament für den Ruhm des Helden, die Begründung, die Rechtfertigung, sonst nichts!
Das ist das eigentlich Verlogene an diesen unsäglichen Schinken. Dort wird nicht der Menschlichkeit gedient, sondern einem schrankenlosen Narzißmus gefrönt. Dieser Narzißmus, dieser Egoismus kriecht wie eine tödliche Mikrobe durch die gesamte Gesellschaft. Denn das eigentlich Erschreckende ist doch wohl, daß diese Filme ja einen Markt der Begehrlichkeiten bedienen. Sie liefern ja nur das, was massenhaft eingefordert wird. Wäre dem nicht so, dieses Genre hätte kaum mehr als ein Dutzend Streifen auf Zelluloid gebracht.
Was lernen wir daraus? Daß es nach wie vor nur um den Ich-Kult geht. Jeder für sich und Gott gegen alle. Der Untergang einer Gesellschaft zeichnet sich ab, wenn sie das Maß verliert, lehrt uns Adalbert Stifter. Der Einzelne verachtet das Ganze, verliert es aus den Augen, sieht nur noch sich…
Am Ende begreifen all die menschlichen Pfauen nicht mehr, daß die Augen, die sie auf sich gerichtet wähnen, nur noch toter Selbstbetrug sind. Mitmenschlichkeit und Selbstlosigkeit führen nicht länger den Kanon der Kardinaltugenden, sondern werden zu einer zweckgebundenen Ware deklassiert.
Daß uns das Imperium Washingtonum diesen Weg ins Verderben und in die Bedeutungslosigkeit ebnet, dürfte bekannt sein. Unsere Dummheit allerdings bestünde darin, diesem Weg kritiklos und blind hinterher zu stolpern. Die Pflastersteine dieses Weges sind fürwahr leicht zu erkennen. Es sind Oberflächlichkeit, hemmungslose und ungebremste Vergnügungssucht und schrankenlose Oberflächlichkeit. Diese Eigenschaften verhindern die Besinnung der Menschen auf sich, sie verhindern den erhellenden Blick nach Innen.
Das ist fatal. Das bedarf dringend eines Überdenkens. Das bedarf einer Änderung.
Sind wir dazu nicht bereit, werden wir zu hilflosen Opfern unserer selbst degenerieren. Und ganz sicher: Kein amerikanischer Superman wird uns vor dem Verderben retten. Wie sollte er auch! Die Kluft zwischen der verspinnerten Virtualität Hollywoods und unserer Realität ist unüberwindlich. Die Dinge aber, die uns ereilen werden, sind, soviel steht jetzt schon fest, Teil unserer unbarmherzig existierenden realen Welt. Die Mattscheibe ist nur ein unser kurzes Leben stehlender Traum.

10. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007