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Der Herr Außenminister naht – zu einer preußischen Provinzposse


J.-F. S. Lemarcou
Kirchmöser, das Dorf mit einstiger gewaltiger Industriegeschichte vor den Toren der Stadt Brandenburg an der Havel, atmet tief durch. Die kleine SPD-Ortsgruppe erhält Verstärkung: Der Bundesaußenminister höchst selbst, gebürtiger Detmolder, gibt sich die Ehre. Na Donnerwetter!
Kannte Dr. Frank-Walter Steinmeier das Dorf eigentlich vorher, das er regelmäßig überfliegt, wenn er zwischen Bonn und Berlin pendelt? Mit dem Zug wird er ja wohl kaum gereist sein. Dann nämlich wäre wenigstens das Namensschild Kirchmösers an ihm vorbeigehuscht, wenn er denn von Magdeburg nach Berlin oder umgekehrt gefahren wäre.
Hatte er den Namen schon einmal, ein einziges Mal nur in seinem Leben gehört? Er, der London, Paris und New York kennt? Wie oft war er schon in Tokio? Wie oft war er schon in Kirchmöser?
Wir bezweifeln, daß der Herr Minister den Weiler im Herzen Ostelbiens kennt, denn schließlich ist er ja Minister des Äußeren, nicht des Innern… Denn Kirchmöser liegt tief, tief im Innern. Im Innern Mitteldeutschlands nämlich, an den malerischen Seen der Havel, die der märkische Fluß noch bildet, bevor er sich nach Nordwesten verabschiedet. Legen Sie das Wortspiel mit dem Ministerium des Innern nicht allzusehr auf die Goldwaage! Das war halbernst gemeint. Ganz ernst aber ist der Hintergrund unsres Beitrags.
Denn die SPD, die Grande Dame der Deutschen Arbeiterbewegung, hicks, ich glaube mich gerade verschluckt zu haben, jubelt: Der Genosse Frank-Walter wird einer von ihnen! Ach wirklich?
Großer Gott, so viele Filialen kann Fielmann in Kirchmöser gar nicht eröffnen um all die Blinden sehend zu machen. Mit Frank-Walter kommt der Aufschwung? Na klar doch.
Kinders, glaubt ihr denn wirklich allen Ernstes, daß sich der Herr Bundesaußenminister jetzt für seinen Wahlkreis ganz mächtig ins Zeug legen wird?
Was denn? Wie denn? Der Mann hat anderes um die Ohren. Kirchmöser ist nur und beinahe ausschließlich das sichere Sprungbrett in den Bundestag – der Wahlkreis, bei dem nichts schief gehen kann, weil der Glückstrunkenen frohlockende Schar vermeint, der Messias sei nun endlich zu ihnen herabgestiegen. Na dann mal schnell das marode Bahnhofsgebäude saniert, damit wir dem neuen Genossen einen Großen Bahnhof bereiten können.
Menschenskind, ist denn hier jedermann so vernebelt, daß er nicht mitbekommt, wie hier die Demokratie persifliert wird?
Ein Abgeordneter soll aus der Mitte seines Wahlkreises gewählt werden. Seines Wahlkreises! Eines Wahlkreises, den er kennt und in dem er gekannt, in dem ihm vertraut wird. Er soll nämlich die Interessen dieses seines Wahlkreises vertreten. Das ist Sinn und Zweck der Übung.
Was uns hier geboten wird, ist ein Etikettenschwindel, ein Scheingeschäft, eine Briefkastenfirma. Das ist nicht reell!
Herr Steinmeier gehört nach Detmold und nicht in ein Dorf, das er vorher nicht einmal dem Namen nach kannte!
Und die dankbare Gemeinde glaubt jetzt an der Größe dieses Spitzenpolitikers ein wenig mitwachsen zu können; so wie ein dußliger Tourist, der sich zu Aachen heimlich und verstohlen auf den Thron Karls des Großen gluckt und vermeint, er hätte jetzt so ein bißchen was von dem einstigen Herrn Europas.
Hier wird ein politisches Possenspiel aufgeführt und Macht sehr undemokratisch verschubbert, und die Genarrten freuen sich noch darüber und sind begierig auf ein paar Brosamen vom Tische des Gewaltigen.
Wir wollen uns nicht mißverstehen: Herr Dr. Steinmeier ist uns wie jeder andere honette Mann in Brandenburg an der Havel, in Plaue, Kirchmöser oder meinethalben auch Kuxwinkel herzlich willkommen. Und auch Politik soll er für uns machen dürfen – wenn er sich denn entschließt hier zu wohnen (nicht nur eine Adresse am Mühlendamm anmelden, damit das mit der Wahl seine Ordnung hat), mit uns zu leben und unsere Probleme kennenzulernen. Aber sich ein Budestagsmandat billig zu erkaufen indem die unfehlbare Wirkung eines Prominenten auf eine kleine Randgemeinde wohlweislich und kühl kalkuliert wird, und dafür im Gegenzuge einige Almosen auf die ohnehin schon mit der nominellen Anwesenheit des Granden der Nation großzügig Bescherten herabregnen zu lassen – das ist keine Demokratie. Das hat mit freien, geheimen und vor allem mit fairen Wahlen so wenig zu tun, wie es das seinerzeit mit den Wahlen zur Volkskammer auf sich hatte. Auch da wurde bereits von anderen festgelegt und von der laut Kamera begeisterten Menge nur noch nolens-volens abgesegnet, wer wo hin zu postieren war.
Es ist nicht so? Nein? Nun, dann besehe man sich doch die Umfrage, die der regionale Sender SKB auf den Straßen der Chur- und Hauptstadt aufnahm! Kaum einer vermochte das gezeigte Porträt dem Herrn Bundesaußenminister zuzuordnen! Und dieses Konterfei war gut, sehr gut sogar. Nun kann man die Aussage natürlich manipulieren, indem man nur die Nicht-Erkenner zeigt. Etwa in der Art: Nehmen wir an, von Hundert Leuten erkannten ihn 80. Man zeigt die 20 Nieten und einen aus der Riege der Schlauen – und schon hätte man ein wunschgemäßes Bild, das einen Haufen Blindgänger präsentiert. Aber derartiger Mummenschanz liegt dem SKB nicht. Diese Leute sind recht zuverlässig. Das hätte der Sender auch gar nicht nötig: Wer die Brandenburger kennt, weiß um den Wahrheitswert der Umfrage.
Wir beginnen also zu glauben, daß die hohe Kunst der modernen Demokratie in der Hohen Kunst des Wählerbluffs zu suchen ist Und das geht so: Den dummen Michel besoffen reden, ein bißchen Zuckerbrot zum Kaffe und eine kleine Blechtute zum reinblasen. Schon ist er selig. Das war im Feudalismus auch nicht anders – zumindest nicht unter der Rigide kluger Herrscher. Wenig Erkenntnis und große Errungenschaften für ein kleines Dorf und für ein ganzes Land – Hurra!

10. Volumen
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