Polizei
als Gesetzesbrecher
Don M. Barbagrigia
Den 16. Juli 2007, morgens
um 7:59 Uhr, fährt ein Mitsubishi von Plaue an der Havel
auf der Bundesstraße 1 in die Stadt Brandenburg. Das Ortseingangsschild
der Havelmetropole wurde am Falkenbergswerder passiert. Ab dort
fährt man „innerorts“. Bei der Quenz-Tankstelle,
wenige hundert Meter weiter, verbreitert sich die Bundesstraße
1 zu einer vierspurigen Fahrbahn. Der Fahrer des Mitsubishi*
bleibt mit seinem Gefährt gleich auf der linken Spur, weil
er hinter der Brücke über den Silokanal auf das ehemalige
Stahlwerksgelände abbiegen will. Zudem will er vorausschauend
denen aus der Richtung des Pflegerdorfes Kommenden die reibungslose
Einordnung auf die Bundesstraße 1 ermöglichen. Warum
sollen die auch anhalten und wieder anfahren müssen, wenn
man den Verkehr flüssig gestalten kann?
Von hinten jedoch nähert sich rasch ein VW-Passat der Polizei
mit dem amtlichen Kennzeichen BRB-3248. Besetzt ist er mit zwei
Polizisten. Der Polizeiwagen schert auf die rechte Spur und
überholt zügig. Während der Führer des Polizeiwagens
zum Mitsubishi herüberschaut und eine fragende Geste von
dessen Fahrer durchaus registriert, verliert das Auto der Ordnungsmacht
keineswegs an Geschwindigkeit, sondern setzt seine Fahrt ungemindert
fort. Kein schlechtes Gewissen bei den Ordnungshütern?
Warum den Polizisten befremdliche Blicke trafen? Auf der gesamten
Strecke ist eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 50
km/h gestattet. Die Nadel des japanischen Tachometers ruht genau
über der 50.
Und die Polizei rauscht vorbei? Das bedeutet offenkundig, daß
die Polizei sich nicht an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit
hielt.
Dabei ist es völlig egal, ob das Polizeifahrzeug 55 km/h,
60 km/h oder 65 km/h schnell war. In jedem Falle verhielt sich
der uniformierte Fahrer rechtswidrig. Die Polizei, die das Gesetz
schützen soll, bricht es ganz ohne Not und mit einem kalten
Lächeln.
Nota bene: es war keine Sonderfahrt durch Blaulicht und Martinshorn
angezeigt. In diesem Falle hat sich das Polizeifahrzeug allen
Gesetzen der StVO unterzuordnen. Die Szene an sich ist ein nicht
zu akzeptierender Skandal.
Welcher Teufel reitet die Polizei noch dazu im Dienst vor aller
Augen das Gesetz zu brechen; die Vorbildfunktion, auf die sie
einst eingeschworen wurde mit Füßen zu treten? Eine
solche Verhaltensweise ist nicht nur inakzeptabel – sie
ist geradezu ungeheuerlich.
Solche Polizeibeamte diskreditieren ihren Dienstherren Polizei
und unterminieren dessen staatliche Autorität. Schlimmer
noch: Sie entziehen der Polizei das moralische Recht, weiterhin
die Seite des Gesetzes zu vertreten.
Attitüden wie diese wurden uns bisher nur aus sogenannten
Bananenrepubliken berichtet. Wenn aber im Bereich des deutschen
Gesetzes solche Dinge einreißen, dann ist der Bürger
gefordert.
Denn ein solches Verhalten ist eine Verhöhnung des Staatsbürgers,
der an der nächsten Ecke von Polizeibeamten kontrolliert
und möglicherweise abgestraft wird.
Vielleicht hätten wir den Vorfall verhaltener geschildert.
Die Beifahrerin des Mitsubishi jedoch erklärte, schon zweimal
einen gleichgearteten Vorfall beobachtet zu haben. Sie brachte
der nächsten Polizeidienststelle das Fehlverhalten der
auf der Straße Dienst tuenden Kollegen fernmündlich
zur Kenntnis. Man sicherte ihr zu, den Dingen nachzugehen.
Tat man das? Es gab keine weitere Reaktion.
Dann werden wir die Latte eben eins höher hängen:
ein Durchschlag dieses Beitrages geht ans Brandenburger Innenministerium
und die erbetene Antwort wird vom Landboten abgedruckt. Dann
heißt es Farbe bekennen, denn der Bürger hat ein
Recht auf die Klärung dieser Frage. Sie berührt die
fundamentalen Regeln des Zusammenlebens, auf die sich das Volk
des Grundgesetzes in wohlbedachter Abgrenzung zu den willkürlichen
„Gesetzesvertretern“ der beiden vergangenen deutschen
Diktaturen verständigt hat. Gerade in Hinblick auf dieses
hochpolitische Moment stehen die Organe der Exekutive bei allen
jenen, die eine der beiden oder gar beide Diktaturen erlebt
haben, unter scharfer Beobachtung. Dessen sollten sie sich stets
bewußt sein.
Als Preußen, die der Toleranz verpflichtet sind, geben
wir noch eins drauf: Toleranz in Preußen meint nicht die
Toleranz gegenüber Gesetzesverstößen. Wenn man
eine Grenze auch nur um einen Millimeter überschreitet
– dann hat man sie überschritten. Basta!
Durch das Gesetz fixierte Grenzen sind aus gutem Grunde dazu
da, beachtet zu werden. Nichtbeachtung führt zu Anarchie
und geht zu Lasten des Nächsten. An diesem Punkte verbietet
sich nachgerade jede Toleranz.
Daß uns der Fahrer des Mitsubishi berichtet, er werde
bei vorschriftsmäßiger Befahrung nicht nur der innerstädtischen
Bundesstraße 1 von ausnahmslos jedem Fahrzeug –
egal ob von Männer oder den ach so vorsichtig fahrenden
Frauen geführt – überholt, das dazu in der Lage
ist, nimmt uns nicht wunder.
Wo die Polizei ein schlechtes Vorbild gibt, muß man sich
über eine fehlende Disziplin der Bevölkerung nicht
mehr erregen.
*Der Fahrer und die
Beifahrerin des Mitsubishi sind der Redaktion bekannt.