Wahl
in Polen – der Abgang des
Jaroslaw Kaczynski
J.- F. S. Lemarcou
„Nu ’ßa
wech…!“ pflegte meine alte Wirtsmutter in der Hufelandstraße
zu Berlin zu sagen, wenn der junge Student der Medizin Bajun
seine Studentenbude in Richtung Heimat fürs Wochenende
zu verlassen im Begriffe stand.
„Nu ’ßa wech…!“ sagte der Kultur-Chef
des Landboten als er vom Ausgang der Wahlen in Polen hörte.
„Fast ein bißchen schade um den Herren Kaczynski,
ein Katzenliebhaber soll er sein und Männer, die Katzen
lieben, sind schon immer etwas Besonderes gewesen.“ Womit
er an seiner Pfeife sog und sich in Richtung des Brandenburger
Theaters trollte.
Nun, Katzenliebhaber
mögen etwas Besonderes sein. Wenn aber ein solcher Katzenliebhaber
als Präsident Polens davon zehrt, die alten Ressentiments
zu den Nachbarn hoch zu kochen, wenn er für eine aggressive
Stimmung im Lande eintritt, dann begegnen wir wohl in diesem
Felidophilen der berühmten Ausnahme von der Regel.
Furchtbar war
das Leid, das Deutsche ihren polnischen Nachbarn zugefügt
haben. Herr Bajun ist ein Slawe und hatte für den beutegermanischen
Größenwahn nie etwas übrig. Übel haben
die Polen zurückgeschlagen, als sie dann konnten. Es ist
und bleibt verständlich. Dennoch, über die regelmäßigen
Ausfälle der Kaczynski-Brüder konnte man nur den Kopf
schütteln. Das war ein blinder und geistloser, ein anachronistischer
Rückfall ins Mittelalter. Das paßte nicht zu dem
einzig akzeptablen Kurs an der Oder, der in einem zukünftigen
Europa der Regionen nach dem deutsch-französischen Versöhnungsmodell
die alte „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und
Polen ein für alle Mal im Stettiner Haff ersäufen
muß.
Wir brauchen
Versöhnung, Freundschaft, Nachbarschaft… abgedroschene
Phrasen? Oh nein! Oh, ganz gewiß nicht! Normalität
ist, wenn die Straßenschilder in Schlochau, Breslau oder
Danzig zweisprachig sind wie in der Lausitz, wenn ein polnischer
Polizist im Rahmen der Amtshilfe einen deutschen Kriminellen
in Strausberg dingfest machen kann, wenn die deutsche und die
polnische Feuerwehr gemeinsam löscht, egal wo es in Görlitz
/ Zgorzelec / Zhorjelc brennt.
Die Wörter
„Polenfeldzug“ und „Vertreibung“ müssen
für unsere Kinder so fremd und ferne werden, wie es das
mit dem Wenden-Kreuzzug heute schon auf sich hat. Schuld kann
nicht ewig zwischen den nationalen Generationen stehen, die
mit den Sünden ihrer Ahnen nichts mehr zu schaffen haben.
Der Spuk muß
aufhören! Der Spuk wird aufhören!
Zum Teufel mit allen Quertreibern und Saboteuren dieses Prozesses,
mögen sie einen deutschen oder polnischen Paß im
Jackett tragen!
„Nu
’ßa wech…!“ Und Jott sei Dank! Herr
Tusk wird wohl der neue Ministerpräsident der stolzen Nation,
die immer wieder zu Recht singt: „Noch ist Polen nicht
verloren!“ Das Volk der Polen hat die perfekteste und
fürchterlichste Mord- und Kriegsmaschine ihrer Zeit überlebt,
drei Teilungen überstanden, sich immer wieder gerappelt
– nun haben sie auch ihren Jaroslaw Kaczynski geschafft.
Gut so! Wir gratulieren den Polen zu ihrer Wahl und freuen uns
und wünschen dem neuen Herrn Premier in beiderseitigem
Interesse alles, alles, alles Gute!