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Hochzeitsglocken

Don Miquele Barbagrigia
Wir schreiben den 07.07.2007. Von draußen tönt ein infernalisches Geschepper, Geklapper und Gehupe in die Redaktion. Kolonnen von Fahrzeugen wälzen sich in allen Richtungen durch das verträumte Fischerstädtchen Plaue an der Havel.
Es müssen Tausende sein, die sich verschworen haben sich just an einem 7. Juli das Jawort zu geben und an diesem denkwürdigen Datum zu heiraten. Denkwürdig? Warum? Etwa der drei Ziffern Sieben wegen, die im 07.07.2007 enthalten sind?
Ach ja, die Glückszahl Sieben. Ihr soll ja etwas Magisches anhaften. Aber hätte man da nicht besser getan, sich den Tag der Trauung auf den 07.07.7777 zu legen? Bei den Juden hätte man nicht mal mehr zweitausend Jahre zu warten gehabt. Daß die Leute aber auch immer so eilig sind! Sie sollten sich fürwahr mehr Zeit nehmen! Diese könnten sie nämlich auf so seltene Hobbys wie das Denken verwenden. Dann kämen sie sehr bald darauf, daß das Glück kaum etwas mit kabbalistischen Zahlenspielchen zu tun hat. Das Glück wohnt in den Herzen der Menschen, so sie denn welche haben. Es richtet sich nach der Beschaffenheit dieser Herzen. Es ist nicht anzunehmen, daß Philemon und Baucis, Romeo und Julia, Aucassin und Nicolette, Héloïse und Peter Abaelard während ihrer Beziehungen auch nur ein einziges Mal auf einen Kalender gestarrt haben.
Oder lag der Hintersinn etwa darin, daß das böse Volk der Hochzeitstagsvergessenen nunmehr keine Ausrede mehr hat, das ausgiebige Feiern, die dahingemurmelten Versicherungen, Beeidigungen, Schwurerneuerungen, Liebesbeteuerungen, Blumen- und Tinnefgeschenke, Einladungen und Sektkorkengeknalle mit den dazugehörigen obligaten Präsenten unter den Tisch fallen zu lassen? „Schatzi, wann haben wir geheiratet?! Na?!!!“ „Siebter Siebter Sieben.“ „Na, geht doch!”
Dann will ich euch mal was sagen. Eine gute Ehe feiert sich mit jedem Tag aufs Neue. Die bedarf keiner speziellen Anlässe.
„Nu machen Se mal halblang, Barbagrigia! So’n Tag muß doch auch ’n jehörigen Schubs Freude bringen!“
Wird er auch – denen Scheidungsanwälten nämlich, früher oder später. Bei manchen früher, bei anderen später – bei den wenigsten gar nicht! Und bei diesen paar, bei diesem Häuflein Glücklicher – da spielt nur eine Zeit eine Rolle: Nämlich die, in der es ihnen vergönnt ist, beieinander zu sein. Die sind auch ohne Getöse und Brimborium glücklich. Und das beinahe jeden Tag, den Gott ihnen werden läßt.
Apropos Getöse. Das Geklapper und Geschepper wird dann in vier, sieben, dreizehn Jahren von der Straße in den Gerichtssaal verlagert. Da geht dann unter oft erneuter Teilnahme der ganzen Verwandt- und Bekanntschaft noch einmal der Teufel los. Dann zersägen sie statt dem Baumstamm vor dem Standesamt das Auto, das Haus und die Seelen der Kinder. Das Datum aber können sie sich dann nicht aussuchen. Wird vom Familiengericht festgelegt. Schade eigentlich!

10. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2007