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Weihnachtsmannparade in Brandenburg

Jules-Francois Savinien Lemarcou
Haben Sie schon einmal mit einem Drahtesel im Stau gestanden? Nein? Geht doch gar nicht?
Na, dann kommen Sie mal zur Weihnachtsmannparade nach Brandenburg an der Havel! Beinahe 60.000 Brandenburger und Gäste der Havelstadt säumten am 11. Dezember 2004 den Weg der nicht ganz einhundert Teilnehmer der 6. Weihnachtsmannparade durch die Alt- und die Neustadt.
Das ist schon bemerkenswert, bedenkt man die winterlichen Temperaturen, das trübe Wetter und den Mordsradau, der leider wenig weihnachtlich von einigen Paradeteilnehmern veranstaltet wurde.
Dem Ohr angenehmer klangen da schon die vielen Spielmannszüge, deren weibliche Besatzungen mit ihrer sicher äußerst ansehnlichen, nichtsdestotrotz sehr luftigen Kleiderordnung ein besonderes Zeichen von Heldenmut und Enthusiasmus vortrugen.
Wir ziehen den Hut vor soviel tapferem Beharren – dauerte es doch gut zwei Stunden, ehe sich der Zug, nachdem er auf dem Gelände des ehemaligen Rates der Stadt am Nicolaiplatz Aufstellung genommen hatte, in Bewegung setzte.
Schlecht zu sagen, ob die Glühweinverkäufer, die das Becherchen zu Wucherpreisen von €1,50 bis gar € 2,- abgaben, die Situation „eiskalt“ ausnutzten. Der Verdacht liegt jedoch so ferne nicht!
Dennoch, irgendwann ging es dann los: am Plauer Torturm vorbei in die Ritterstraße, durch die Hauptstraße hindurch und über den – vielleicht nur noch wenigen Brandenburgern bekannten Paradeplatz zwischen Kurstraße und „Kaffeekränzchen“, in die Steinstraße bis zum wuchtigen Steintorturm, der das Ende des Zuges markierte.
Es war ein bewegendes Erlebnis mitanzusehen, wie sehr die Zuschauer selbst noch die letzten Teilnehmer bejubelten und ihnen ein freudiges Geleit gaben. Viele ortsansässige Gewerbe und Vereine nutzten die Gelegenheit, sich den Brandenburgern wieder ins Gedächtnis zu rufen – eine unaufdringliche aber effektive Art der Werbung.
Zu loben sind unter anderem die Gestalter des Krugpark-Gefährtes. Liegt auch der Park mit seinem Gehege und seinen botanischen Lehrpfaden etwas abseits des Zentrums, so rückte er auf der Parade mit viel Charme in die Mitte der Aufmerksamkeit.
Die Judoka unter Wolfgang Zuckschwerdt stellten sich vor. Ein verglaster Anhänger mit altem Brandenburger Spielzeug zog viele Blicke auf sich, ebenso wie ein alter Mercedes Benz, ein amerikanischer Straßenkreuzer der Marke „Oldsmobile“, eine alte SMH, und viele weitere liebevoll bewahrte Zeugen unserer motorisierten Vergangenheit. Selbst aus der sächsischen Stadt Grimma nahmen freiwillige Feuerwehrleute teil. Es ist schön, daß eine Stadt ihren Ruf über die Landesgrenzen hinaus verbreiten kann, ohne daß man über ein häßliches Loch in ihrem Herzen höhnt.
Besonders hervorheben aber möchten wir eine andere Preciose: Das kleine aber feine Museum „Olle und Dolle Räder“ aus der Kurstraße, über das zu berichten der „Landbote“ bereits die Ehre hatte, war zum wiederholten Male präsent. Es gelang unserer Radaktion, unsere Frau Lektorin Katzenbaum und unseren Ladenschwengel in die Mannschaft um die Brüder Weinreich und Herrn Frank Buchholz einzuschleusen, so daß der „Landbote“ exclusiv und quasi „von innen“ her vom Geschehen zu berichten in der Lage ist.
Fünfzehn Fahrradbegeisterte, die im Zug des Museums einige ausgewählte alte Drahtesel dem staunenden Publikum vorführten, wurden von den Zuschauern mit einigem Hallo bedacht. Unbestrittener Publikumsliebling war der jüngste Sohn des Prinzipals Dirk Weinreich.
Die Tete der Abteilung bildend und ein kleines Lastendreirad lenkend zog der Junior unweigerlich alle Blicke auf sich. Wo er vorbei passierte, hoben sich fast zwangsläufig die Arme der Zuschauer mit ausgestrecktem Zeigefinger und selbst Großeltern, die sich doch sonst oft berufen fühlen, den Enkeln Verhaltensformen der Alten Schule beizubringen, vergaßen diese, und zeigten unverhohlen mit nacktem Finger auf den als kleinen Weihnachtsmann mit Rauschebart verkleideten Velozipedisten. „Wie süüüüß!“ war der unisono formulierte Kommentar.
Einen Kommentar ganz anderer Art gab unser eingeschleuster Ladenschwengel Herr Hübner aus seinem Weihnachtsmannkostüm heraus einer Kollegin des Rundfunks Berlin-Brandenburg: Gefragt, welche Eigenschaften ein Weihnachtsmann haben müsse, erklärte Herr Hübner: zunächst einmal wäre die Freigiebigkeit zu nennen, aber auch die Bereitschaft und das Vermögen, kleine Kinder zu verhauen. Das decke sich natürlich nicht mit modernen pädagogischen Erkenntnissen. Aus diesem Grunde trachte er danach, nicht erkannt zu werden. Die hinterlistigen und bösartigen Profis vom RBB strahlten das Interview jedoch noch am selben Abend bundesweit aus. Seitdem ist Herr Hübner, von unserem Mitarbeiter Don Miquele aus Palermo mit einer falschen Identität versehen, auf der Flucht vor fanatischen Organisationen wie „Zartbitter“ und „Wildwasser“. Er trägt eine Sonnenbrille, einen Ulbrichtbart, einen Irokesenschnitt und spricht bevorzugt russisch mit plattdeutschem Akzent. Sollte Herr Hübner aufgefunden werden, bitten wir ihn umgehend der Redaktion des Landboten zuzustellen, da wir nicht wissen, wohin mit seinem Gehaltsscheck… (War’n Scherz – den haben wir längst versoffen!)
Doch zurück zu den Pedalrittern der Parade! „Wat dem eenen sin Uul, is dem Annern sin Nachtigal“, sagt der Volksmund. Und so kamen diejenigen Zuschauer in den Genuß, die alten Zweiradraritäten ausgiebig zu bewundern, an deren Standplatz die Parade ins obenerwähnte Stocken kam. Des Öfteren vernahm man fachkundige Kommentare zu dem ein oder anderen Exponat aus der versammelten Menge. Den wackeren Drahteselreitern froren derweil die Zehen ein.
Resümierend ist also nichts wünschenswerter, als daß möglichst vielen Besuchern eine Anregung vermittelt wurde, was in Brandenburg an Sehenswertem außer Dom, Katharinenkirche und Steintorturm einen Besuch wert sei.
Wir wollen an dieser Stelle auch nicht versäumen, auf das Heimatmuseum unseres Dr.Kohnke aus der Ritterstraße hinzuweisen. Dieser verdiente Mann ließ sich bei den „Paradisten“ sehen, statt mit der Nomenklatura die Tribüne zu bevölkern.
Zumindest aber wurde mit der Weihnachtsmannparade, die den traditionellen Weihnachtsmarkt einläutet, eine weitere Attraktion etabliert, die den Bewohnern Brandenburgs eine Plattform bietet, sich stolz mit ihrer Heimatstadt zu identifizieren, und die von den Gästen der alten Chur- und Hauptstadt gern zum Anlaß genommen wird, mal wieder vorbeizuschauen.
Insofern freuen wir uns schon auf den nächsten Umzug der havelstädtischen Weihnachtsmänner und hoffen, auch dann wieder dabei sein zu dürfen.

4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004