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Demokratie in der Ukraine
K. K. Bajun
Ein Volk geht für die Demokratie
auf die Straße und hält selbst im eisigen kontinentalen Winter
der Ukraine die Stellung. Tagelang, Wochenlang. Sie halten aus. Sie kämpfen
für faire Wahlen.
Blödsinn! Das alles ist ausgemachter Stuß. Das sind romantische
Märchen, um dem demokratiemüden teutschen Lümmel das Wählengehen
wieder schmackhaft zu machen.
Die Ukrainer haben nichts mehr zu fressen und leiden an Hunger, Kälte
und Verelendung, während ein raffgieriger Klüngel mafiöser
Oligarchen das Land systematisch aussaugt.
Sie wollen eine Veränderung. Sie wollen eine Abkehr von Rußland,
dessen Zar Putin, sowie dessen Wirtschaftselite, es noch immer mit dieser
Oligarchenbande hält. Janukowitsch ist gegen die Europäische
Union eingestellt, weil diese unweigerlich fordern würde, den ukrainischen
Wirtschaftsraum für die EU zu öffnen - und zwar primär
als Absatzmarkt und sekundär als substituierenden Produktionsstandort
für die jetzt schon teurer werdenden Standorte in Ungarn, Polen,
Böhmen und der Slowakei.
Janukowitsch und seine Spießgesellen aber hängen am Tropf Moskaus.
Der aber ist unglücklicherweise auch am Versiegen. Und so hat Janukowitschs
Herausforderer Juschtschenko begriffen, daß, wenn die Ukraine noch
eine Chance haben soll, diese eher in Brüssel als in Moskau zu suchen
ist.
Aber will Brüssel wirklich eine Aufnahme der Ukraine? Paßt
denn das überhaupt? Haben wir nicht schon genug Ärger mit der
strittigen Aufnahme der Türkei? Laizistisch oder nicht - die Türkei
ist seit dem Fall Konstantinopels ein muselmanisches Land. Wie soll man
das in die Wertegemeinschaft des Okzidents integrieren? Gibt es doch schon
Spannung genug mit den Muselmännern, die sich mittlerweile im Abendland
häuslich eingerichtet haben.
Nun mag man einwenden, die Ostkirche sei schließlich auch eine Kirche
und stünde uns von ihrem Gedankengut her gesehen zumindest näher
als der Halbmond. Weit gefehlt!
Was haben wir denn von Monty Python gelernt: Der weitaus schlimmere Feind
für die "Judäische Volksfront zur Befreiung Palästinas"
sind nicht die römischen Legionen, sondern die "Volksfront Judäas
zur Befreiung Palästinas". Will heißen, die eigenen Brüder
sind oftmals verfeindeter, als sie das einander fremde je sein könnten.
Das Dritte Rom, also Moskau, ist in dem Gebiet zwischen Bug und Ural tonangebend.
Es ist noch immer eine Großmacht. Keineswegs substanzlos, keineswegs
zu unterschätzen. Und dieses Dritte Rom wird seinen Einfluß
nicht sang- und klanglos aus der Ukraine zurückziehen. Man bedenke,
Kiew - das ist die Mutter der russischen Städte! Und Odessa, die
Krim, der Zugang zum Schwarzen Meer, das nahe Donaudelta, die Kohlegebiete
von Donezk! So was gibt man doch nicht auf! Und sieht einfach zu, wie
es dem tausendjährigen Feind, dem verfluchten katholischen Westrom
in die Hände fällt. Man ist Byzanz! Byzanz ist nicht ausgelöscht
worden, es hat sich an die Ufer der Moskwa und der Jausa zurückgezogen.
Es hat mitansehen müssen, wie es nach Justinian und Theodora immer
mehr an Einfluß verlor, wie es von den vorüberzeihenden "christlichen"
Kreuzfahrerheeren aus dem Westen attackiert, geplündert und gebrannt
wurde, wie es von Westrom schmählich im Stich gelassen wurde, als
Osmans Truppen seine Mauern berannten.
Und letztendlich: wie das Abendland hämisch zusah, als die eigenen
christlichen, aber eben orthodoxen Brüder, nur weil sie im Sinne
des Katholizismus als Abtrünnige, als Ketzer galten, von den Mohammedanern
zu Paaren getrieben wurden. Pah, Orthodoxe! Die sind schlimmer als die
Ungläubigen - siehe oben. Und nun hatte Gott, der Allmächtige,
seine Unterschrift unter diese vatikanische These gesetzt. Hatte er die
lästerlichen Schurken von unbotmäßigen Abtrünnigen
doch eigenhändig den turbantragenden Söhnen Belials überantwortet.
Gewissermaßen als Strafe dafür, daß sie sich über
all die Jahrhunderte dem Diktat des Heiligen Vaters aus dem Lateranpalast
nicht fügen wollten.
Ostrom, Westrom - jeder Historiker wird jetzt wütend aufbegehren.
Das gab's doch gar nicht mehr zu dieser Zeit. Mag sein. Offiziell sicher
nicht. Aber diese übersichtlichen Kategorien verdeutlichen die alten
Befindlichkeiten und Ressentiments an ihren Wurzeln.
Hier und in den schon erwähnten ökonomischen Aspekten liegen
die Ursachen für das Engagement Brüssels und den Widerstand
Moskaus. Hier und nirgendwo anders. Diese beiden Kriterien gehen die unheilvollste
Allianz miteinander ein. Und das Zentrum des politischen Wirbelsturms,
das Auge des Orkans sozusagen, bildet sich vor den Regierungsgebäuden
zu Kiew. Ein typisches Auge: Es ist totenstill, aber die Wellen schlagen
vernichtend hoch - und das von allen Seiten. Hier liegt Sprengstoff, der
das europäische Haus bis in seine Grundfesten zu erschüttern
vermag.
Und die Protestanten auf dem Kiewer Platz der Freiheit? Die wollen bloß
endlich vernünftig leben. Und wenn Janukowitsch ihnen dieses Leben
verschaffen könnte, würden sie ihn von heut auf morgen zum Tyrannen,
zum Diktator, zum Gottseibeiuns wählen und auf Demokratie und faire
Wahlen einen großen Haufen scheißen.
Bis auf ein paar verträumte Spinner, natürlich. Aber die gibt's
in jeder Gesellschaft!
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