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Das
Institut der Deutschen Wirtschaft prognostiziert das Wirtschaftsjahr 2005
B. St. Fjøllfross
Das alte Jahr geht in sein letztes
Viertel. Eine Wirtschaftsprognose für die folgenden zwölf Monate
fällt traditionell in diese Zeitraum.
Also legen die Wirtschaftsweisen und -institute ihre Beobachtungsergebnisse
zusammen mit den daraus gezogenen Schlußfolgerungen vor.
Und so setzte sich am 11. Oktober 2004 Herr Michael Hüther vor die
Kamera und orakelte drauflos. Sie werden fragen: Wer ist Herr Hüther?
Herr Hüther ist der junge und smarte Direktor des Institutes der
Deutschen Wirtschaft (IDW).
Und in dieser Eigenschaft präsidierte Herr Hüther zwei weiteren
Auguren aus seinem Hause – Dreie auf der erhöhten Bank machen
sich immer besser als ein einzelner, einsam wirkender Kämpe.
Herr Hüther sprach sehr flüssig, beinahe stilvollendet und sachlich.
Eine akustische Wohltat, seinen Worten zu lauschen. Wenn es doch nur auch
eine Wohltat der Sache nach gewesen wäre! In diesen schweren und
krisengeschüttelten Zeiten dürstet das Ohr nach frohen Botschaften,
die Hoffnungen zu wecken geeignet sind.
Doch leider…
Was Herr Hüther in seinen Ausführungen zur erwarteten Wirtschaftsentwicklung
verlauten ließ, war alles andere als ein „Land in Sicht“.
Euphemistisch ließ sich vielleicht noch von einer Art verhaltenem
Zweckoptimismus reden, aber selbst dieser entbehrt jeder ernsthaften Grundlage.
Jeder weiß es.
Doch Herr Hüther schlug sich wacker. Unwillkürlich drängt
sich die Frage auf, ob es sich wohl um ein strategisches Auftragsgutachten
handelte, welches vor der versammelten Presse zum Vortrag gebracht wurde.
Und wer hinter diesem Auftrag stehen könnte. Die Bundesregierung
etwa?
Nur dieser könnte nämlich ein solches Pfeifen im Walde konvenieren.
Nähert sich doch die Legislaturperiode unaufhaltsam ihrem Ende entgegen.
Und was kommt dann? Dann kommen die Wahlen…!
Mit großem diplomatischen Geschick flocht Herr Hüther immer
wieder das Wörtchen „sollte“ in seine Rede ein. Das war
der einzige eklatante Stilbruch, denn wer „sollte“ für
das Futurum benutzt, der verrät Unsicherheit:
„Es „sollte“ also wiederum eine Neuverschuldung des
Staatshaushaltes um 3%, sprich eine Nettokreditaufnahme von 70 Milliarden
Euro geben“, womit das Maastricht – Abkommen wiederum verletzt
und die dort ausgehandelten Stabilitätskriterien ad absurdum geführt
werden.
„Die Zahl der Arbeitslosen „sollte“ im Jahresdurchschnitt
2005 bei 4,2 Millionen liegen…“ Nein, verdammt noch mal, das
sollte sie eben nicht tun! Wir wissen ja, wie es meint. Dieses vorsichtige
Abschätzen, dieses Lavieren, dieses um den heißen Brei herumeiern,
dieses bloß nicht festnageln lassen. Aber das ist Mist!
Klipp und klar die Karten auf den Tisch! Und nicht diese schöngerechneten
Zahlenkolonnen. „Die Bundesrepublik ist immer noch exportstark,
nur eben die Binnennachfrage hapert ein wenig…“ Ein wenig?
Wir haben ein gigantisches Händlersterben, von Tante Emma bis Karstadt-Quelle.
Wir müssen nur den Binnenmarkt etwas beleben.
Herr, belebe seinen Geist! Wovon denn? Von der Masse der zu erwartenden
1-Euro-Jobs? Jetzt, da gerade die beiden großen deutschen Automobilhersteller
Opel und Volkswagen Tausende auf die Straße setzen, Zulieferer und
Zwischenhändler in die Knie gehen – aber Herr Hüther rechnet
mit einem Wachstum der Inlandsnachfrage von etwa 1%.
Und dann platzt ein Satz aus ihm heraus, der uns mehr elektrisierte, als
hätte man Johannes Hus auf dem Konstanzer Konzil zum neuen Pontifex
ernannt: „…Hartz IV „sollte“ das verfügbare
Einkommen nicht verändern…“ Welches? Seins? Das des Herrn
Bundeskanzlers oder das Herrn Ackermanns von der Deutschen Bank. Wollen
diese drei Herren etwa mit ihrem ungeschmälerten Einkommen die deutsche
Binnennachfrage wieder auf Touren bringen?
Den Proleten sind ja Lohnerhöhungen unter 2% in Aussicht gestellt
worden. Lohnerhöhungen!? Man sollte sich das Wort noch mal auf der
Zunge zergehen lassen, ehe es aus Duden und Bertelsmann verschwindet.
In der deformierten Rechtschreibung liest es sich dann wahrscheinlich:
inflationsbezogene Lohnangleichung mit stetigem Abwärtstrend.
Man merkte dem DIW-Direktor die Entrückung an. Mit den nächsten
Prognosen hatte er dann dieses irdische Jammertal endgültig hinter
sich zurückgelassen: „Das „Angstsparen“ „sollte“
sich verringern…“ Kunststück, wer von den Hartz-IV-Empfängern
wird noch zum sparen kommen? Wenn wir den Gedanken weiterführen,
so wagen wir zu behaupten, daß sich jegliches Sparen alsbald erheblich
verringern wird.
„Die Beiträge der Krankenkassen „sollten“ sich
reduzieren.“ Das sollten sie wohl – und das sollte auch schon
lange geschehen sein. Um dieses Luftschloß zu bauen, was man schon
Beitragszahlerverhöhnung nennen darf, hätte sich Herr Hüther
weiß Gott einen besseren Zeitpunkt wählen können. Die
Kassen haben Blut geleckt, die lassen keinen roten Heller nach, ob sie
„sollten“ oder nicht! Das ist sicher!
Und so ging das alles munter langhin. Die anwesenden Reporter meinten
im Anschluß unisono, dieses sei wohl die rosigste Prognose gewesen,
die sie seit langem gehört hätten. Uns fehlten eigentlich nur
noch die Begriffe der Frontbegradigung und des strategischen Rückzugs.
Schade, daß sich Herr Hüther nicht festlegen wollte. Es wäre
zu schön, sein langes Gesicht zu sehen, wenn es Silvester 2005 hieße:
„MAZ ab!“, um Herrn Hüthers Konfrontation mit seinem
Vortrag zu thematisieren.
Na ja, der Kracher wäre es sicherlich auch nicht geworden, denn das
Repertoire der dann fälligen Ausreden – unbedingt das essentielle
Wort „Unwägbarkeiten“ enthaltend – kann der politisch
interessierte Laie mittlerweile synchron mitbeten – ähnlich
wie die Fangemeinde der Rocky-Horror-Picture-Show.
Daher setzen wir an dieser Stelle unsere Prognose dagegen – und
wir lassen uns festlegen:
- Die Arbeitslosenzahl wird auf weit über 4,5 Millionen ansteigen
- Die Binnennachfrage wird sich weiterhin rückläufig entwickeln
- Die Sozialbelastungen des Einzelnen wird sich exponentiell erhöhen
- Der Wind auf dem Arbeitsmarkt wir sehr viel rauher
- Es wird großflächige und prägnante Lohnabsenkungen geben,
unter der der Markt weiter krachen wird
- Spareinlagen werden vor dem Zugriff des Fiskus in Sicherheit gebracht
und damit dem Wirtschaftskreislauf entzogen.
- Deutschland degeneriert zur Bananenrepublik – die japanischen
Sumotori würden sagen, ein ehemaliger Ozeki verläßt die
Maegashira-Klasse, um fortan als Primus in der Yurio-Liga zu kämpfen.
Man prüfe
uns am letzten Tag des nächsten Jahres. Herr Hüther aber und
seinem Institut „sollte“ man die ehemalige Regierungssiedlung
Wandlitz anweisen. Dort hat sich die Natur mittlerweile an weltfremde
Spökenkieker und Rosarote-Brillen-Träger gewöhnt, die permanent
eine lichte Zukunft vor Augen haben und es sich dabei gut gehen lassen,
während das Volk wieder einmal versucht, dieser geballten Ladung
Inkompetenz und Schönfärberei ledig zu werden. |