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Zum Tode das Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat

Scholcher Druckepennig
De mortuis nihil nisi bene, über die Toten soll man nichts Nachteiliges reden, so lehrten es uns die alten Römer.
Ich zitiere also eingangs eines Artikels zum Ableben des charismatischen Palästinenserführers die antiken Besatzer des Gelobten Landes, denen wir letztendlich die Vertreibung des jüdischen Volkes, die Diaspora, das unsagbare Leid über zwei Jahrtausende hinweg, den Versuch unserer Ausrottung durch die Mordmaschine der Nazis und den seit 1949 nicht abebben wollenden Kriegszustand mit unseren arabischen Nachbarn verdanken. Welch ein Widersinn! Eine Hochzivilisation, deren unsterblicher Geist noch heute die Kultur des Zusammenlebens im alten Europa prägt und die zum Vorbild des modernen Roms – der Vereinigten Staaten von Amerika – geworden ist, hat dieses unsagbare Elend über uns gebracht, weil wir unter der Führung Bar Kochbars unseren Widerstand gegen die Eingliederung ins Imperium Romanum bekundet haben.
Nach uns besiedelten dann die Plethi das von uns zwangsweise verlassene Land. Wie, Sie können mit dem Begriff Plethi nichts anfangen? Haben Sie denn die Bibel nicht gelesen? Bestand doch die Elitegarde der alten Könige David und Salomo aus den Krethi und Plethi, den Kretern und den Palästinensern.
Heute wäre es schlichtweg Wahnsinn, einen Palästinenser zum Bodyguard des israelischen Ministerpräsidenten berufen zu wollen. Das wäre dasselbe, als wollte man die Hamas oder die Hisbollah zum Wachschutz für die Knesset anheuern.
Warum ist das so gekommen? Die Antwort liegt auf der Hand: Zweitausend Jahre sind eine lange Zeit. Diese Zeit hat die Ortsansässigen vergessen lassen, daß einst Andere in ihrem Lande siedelten. Es war auch nicht so wichtig. Die meisten Menschen leben innerhalb ihrer Generation. Es tangieren sie maximal die Geschehnisse der vorigen zwei Generationen und was aus den Enkeln wird, dazu haben sie auch noch einen Bezug. Alles darüber hinaus aber ist für den Alltag völlig irrelevant. Das Besondere an den Juden ist, daß diese nur und aus einem einzigen Grunde überleben konnten: weil sie sich die mehr als fünftausend Jahresringe ihrer Geschichte ins Herzblut geschrieben hatten und das bis heute tun.
Mit den paar Juden, die noch in Palästina lebten, vertrug man sich also. Man kam miteinander aus. Jahrhunderte lang. Das änderte sich schlagartig, als die Welt 1949 im Angesicht des uns zugefügten Grauens beschloß, uns das Land zurückzugeben, aus dem wir zwanzig Jahrhunderte zuvor rausgeflogen waren.
Stellen Sie sich vor, im Jahre 3816 u.Z. kämen die Nachfahren der Deutschen auf die Idee, in Ostpreußen aufzutauchen und den dort Ansässigen mitzuteilen, sie hätten ab sofort nichts mehr zu melden, das sei jetzt wieder ihr Land, immerhin hätten ihre Vorfahren dort bis zum Jahre 1945 gelebt und wären völkerrechtswidrig vertrieben worden. Zum Beweis klappen sie ein paar Bücher auf, zeigen auf die Grundmauern deutscher Ordensburgen und auf ein hochgerüstetes Militär, das sie sicherheitshalber gleich mitbringen.
Sie können sich die langen Gesichter der verdutzten Leute in zweitausend Jahren vorstellen? Nun, dann wissen Sie also, wie es den Palästinensern zumute war, als die große Flut ins Heilige Land einsetzte. Denn das war exakt ihre Situation.
Sie begannen sich zur Wehr zu setzen. Bis heute dauert dieser fürchterliche Krieg an und er fordert Tag für Tag viele unersetzliche Leben. Dabei wurde über das vergangene halbe Jahrhundert soviel aberwitziger Haß angesammelt, gehegt, gepflegt, auf die Nachkommen vererbt, ach was, ihnen eingeimpft, daß es ein Wunder wäre, wenn sich diese beiden nahöstlichen Vettern je wieder die Hand zur Versöhnung reichten.
Die Hauptfigur im Kampf um die Rechte des palästinensischen Volkes war Jassir Arafat. Der Mann hatte Format, das muß man ihm lassen.
In seiner Jugend ein kluger Kopf und fähiger Organisator, ein Mann von Ausstrahlung und Durchsetzungsvermögen und ein überaus tapferer Kämpfer.
Das Alter ließ ihn augenscheinlich zu einem etwas gesetzteren Politiker reifen. Ich sage augenscheinlich. Denn es ist ein offenes Geheimnis, daß Arafat hinter dem sanften Vorhang von Friedfertigkeit und dem Willen zur Aussöhnung und Verständigung noch immer seine Assassinen auf den Weg sandte, deren Untaten er dann pflichtschuldigst für die Ohren der Weltöffentlichkeit verdammte. Mag sein, daß er beim Anblick zerfetzter Juden wirklich etwas verstimmt war. Das aber hatte nur einen Grund: Er wußte, daß den Opfern die Sympathie sicher ist und jede antijüdische Bombe seiner Sache Schaden zufügt. Die Palästinenser dürfen getrost als die Erfinder modernen Massenterrorismus gelten. Wieviele Flugzeugentführungen, Bombenattentate, Schußwechsel und Ermordungen, wieviel Fanatismus geht nicht auf deren Konto! Zugegeben: Viele andere Möglichkeiten hatten sie nicht, ihren Unmut über das ihnen angetane Unrecht zum Ausdruck zu bringen.
Selbst in ihrer, in der arabischen Welt, sind die Palästinenser seit jeher etwa so beliebt, wie die Zigeuner bei den Europäern. Zu bieten haben sie nichts, sie sind bettelarm. Daß von ihren Küsten einst durch kulturbringende phönizische Seefahrer und Händler das Mittelmeer beherrscht wurde, ist heute uninteressant.
Wenn man ihnen den kleinen Finger reicht, so greifen sie rasch nach der ganzen Hand, dem Arm, dem Leib und versuchen alsbald, den helfenden Freund über Bord zu ziehen. Man frage König Hussein von Jordanien, wie ihm seine Gastfreundschaft gedankt wurde, man frage die Libanesen.
Das einzige, wozu sie den arabischen Brüdern lieb, wert und teuer sind, ist ihre Rolle als Vorhut gegen die verdammten zionistischen Vettern. Dafür sind sie nicht mit Gold zu aufzuwiegen!
Während nämlich die saudischen Prinzen ihr Geld beim Großen Satan in den U.S.A. anlegen und arbeiten lassen, verbluten die Palästinenser auf den Straßen, verhungern in den Flüchtlingslagern, verkommen in Elend und Dreck, Dummheit und Fanatismus. Zum Märtyrertod sind sie gut genug – jedem Palästinenser seinen Sprengstoffgürtel! Und der blinde Fanatismus wird ihnen ja eh schon in die Wiege gelegt. Sie saugen ihn quasi mit der Muttermilch auf.
Und der Rest der Welt? Auch dem wäre der Wahnsinn, den arrogante und ignorante Briten in ihrem Kolonialwahn in dieser Region vor fünfzig Jahren initiiert haben, scheißegal. Wenn das ganze Pulverfaß dort unten bloß nicht so hochexplosiv wäre…
Und so müssen sie sich notgedrungen engagieren. Die Amerikaner, weil ihre Präsidenten wiedergewählt werden wollen und das nun mal ohne die amerikanischen Juden unmöglich ist, weil das arabische Öl in der Nähe ist und ein treuer und loyaler Freund mit einer Atombombe in der Schublade ein guter Garant für das Weitersprudeln ebenjener Ölquellen ist, und die Europäer, weil sie sich irgendwie ein bißchen verantwortlich fühlen. Und so gibt die Europäische Union vor allem Geld, Geld und nochmals Geld. Da, kauft euch einen Lutscher, geht mal ins Kino! Leute, die einkaufen gehen, basteln keine Bomben – so denken sie, die europäischen Gutmenschen, und so handeln sie.
Doch das Geld kommt nimmer an. Entweder es verwandelt sich gleich in Waffen, Sprengstoff und Munition oder aber der Onkel Arafat bunkert es auf persönlichen Konten in aller Welt. 300 Millionen US-Dollar sollen es zum Schluß gewesen sein – gesponsert von den Europäern. Hurra!
Das sollte ausreichen, seine Legende vom Vater aller Palästinenser zu demontieren. Ein korrupter Greis ist er geworden, ein Dieb, dem Allah wahrscheinlich als erstes eine runterhauen wird für diese Unterschlagung. Von Mohammed sollte es die nächste Schelle geben, aber das ist nicht unsere Sache!
Doch leider ist es den Menschen immanent, nur das zu sehen, was sie sehen wollen. Und da sie so arm sind und gar nichts haben, so ist das einzige, was ihnen bleibt, eben jenes Heldenbild ihres Führers. Nehmt es ihnen und sie verfallen entweder in tödliche Lethargie oder aber werden zu einem Kamikaze-Volk, das in seinem Irrsinn, geboren aus aberwitziger Qual, die ganze Welt in die Luft jagt.
Ich habe Arafat nie gemocht, aber eine gewisse Achtung konnte ich mir bis zum Aufkommen jenes gigantischen Diebstahls dennoch nie versagen.
Na ja, wie er da einherkam, mit seiner Pistole, damals auf dem Berliner Flughafen Schönefeld, zum Bruderkuß mit dem saarländischen Dachdecker und Gestapo-Kalfaktor Erich Honecker… Nein, das war nicht der Mann, dem ich zujubeln wollte. Eher schon Moische Dajan und Begin, Ariel Scharon und Rabin. Ich habe nie einen Groschen für die Palästinenser gespendet, obwohl mir die armen Teufel in der Seele Leid taten. Weil ich wußte, daß man für die gespendeten Gelder keine Wolldecken kaufen würde, sondern Maschinenpistolen, kein Brot, sondern Handgranaten. Alles, um die diese vom Leben genug geschundenen Menschen wieder und wieder in den Kampf um die „Freiheit ihrer Heimat“ zu treiben, der eigentlich nur ein Kampf zweier rivalisierender Supermächte und ihrer Satelliten um Einflußsphären und Vormachtstellungen in Nahost war. Der Teufel hole diesen Irrsinn!
Das Wissen um die Korruptheit des Palästinenserführers, seinen orientalischen Despotismus und seine menschenverachtende Attitüde läßt den Respekt nicht zu, den man aus purer Ritterlichkeit dem toten Gegner nie versagen sollte. Eine blonde Frau Arafat, die europäische Gelder, gedacht für verelendete palästinensische Mitmenschen, in Paris verpraßt, $100.000 pro Monat(!), sich vom Staatspräsidenten der „Grande Nation“ abschlecken läßt, während ihre „Landsleute“ vor Not nicht mehr ein noch aus wissen – das alles ist zum Kotzen.
Es ist widerwärtig. Solche Menschen gehören ausgespuckt. Und Frankreich sollte sich überlegen, ob es sich mit dem hehren Anspruch an sich selbst vereinbaren läßt, einen solchen König Jacques Chirac noch länger über sich zu dulden.
Arafat? Zum Schluß ein trauriger alter Mann, isoliert und vereinsamt. Selten noch hatte er die Kontrolle über sein Volk. Den einen war er zu lasch geworden, den anderen zu machtlos. Nur als Symbolfigur war er gerade noch eben zu gebrauchen.
Doch das war klar: Der Wert solcher Gestalten steigt im Augenblick ihres Todes ins Unermeßliche. Nun können sie keinem mehr auf die Füße treten, können keinen Mist mehr machen, ihre schwarzen Seiten trennt man aus dem Buche ihres Lebens heraus – der anbetungswürdige Heilige ist geboren – Ramallah – die neue Pilgerstätte des militanten Islams. Das ist Arafats letzter großer Erfolg.
Möge eine Zeit kommen, in der man von diesem Manne nicht mehr anders spricht als beispielsweise die europäische Geschichtsschreibung vom Merowingerkönig Chlodwig. Das würde bedeuten, daß eine Epoche sich gewandelt hätte – hoffentlich in eine Ära, in der das Heilige Land den Namen auch wirklich verdient.

4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2004