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Raffke unter deutschen Abgeordneten

Don Miquele Barbagrigia
Die Abgeordneten der Volksvertretungen sind vom Volke gewählt und nur und ausschließlich dem Wohle ihrer Wähler verpflichtet. Sie sollen in ihrer Entscheidung unabhängig sein und dem Willen des Volkes Geltung verschaffen. Das sind die Grundzüge der Demokratie.
Sollten sie jedenfalls sein. Wenn wir das Märchenbuch zuklappen, sieht die Sache anders aus.
Zumeist haben die Abgeordneten schon seit Jahrzehnten enge Beziehungen zu ihren „wahren“ Wählern. Die sind unter den lokalen oder überregionalen Magnaten aus der Wirtschaft zu suchen, denn wer außer den Finanzkräftigen vermöchte sonst einen Wahlkampf zu finanzieren? Sicher, das hört sich mächtig nach Bananenrepublik an. Aber genau darum geht es.
Die Mutter der modernen Demokratien – die U.S.A., macht es vor. Bush junior, der inkompetenteste Präsident, den das weiße Haus je gesehen hat (und das will nach Ronald Reagan schon etwas heißen!), ist ganz offenkundig ein Präsident von Gnaden der Hochfinanz.
Und deren Interessen werden durchgesetzt, schamlos, rücksichtslos, brutal.
Demokratie degeneriert zur Posse. Die Fratze der Diktatur des Kapitals, wie sie schon von dem Philosophen und Ökonomen Karl Marx postuliert wurde – hier tritt sie uns in ihrer häßlichsten Erscheinungsform entgegen. Ungeniert werden Raubkriege geführt. Das billige Pathos, welches von den Kriegern über ihr schändliches Treiben gebreitet wird, kann das eigentliche Ziel kaum bemänteln. Wie ein peinlicher Lumpenmantel voller löchriger Flicken ist es bestenfalls dazu geeignet, den geistig verarmten und ideologisch auf Kurs getrimmten Amerikanern ein wenig Balsam auf die von menschlichen Verlusten gepeinigte Seele zu träufeln. Sonst wohl keinem auf der Welt.
Nun ist es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland Mode geworden, daß alles, was auf der anderen Seite des großen Teiches vorgelebt wird, bedenkenlos nachgeäfft wird. Daß dabei eine ganze politische Kultur mitsamt dem sie begleitenden Wertekanon zu Grabe getragen wird, gerät immer mehr aus dem Blickfeld des nominellen Souveräns. Der deutsche Michel wird von seinen Willensvollstreckern mehr und mehr in die Unmündigkeit abgedrängt. Schon die Verweigerung des Plebiszites ist eine deutliche Einschätzung, welche Macht dem „großen Lümmel“ zuzubilligen sei.
Von daher ist es zwar bedauerlich, aber kaum verwunderlich, daß die jüngste Saubermann-Initiative im deutschen Parlamentswesen nicht so sehr auf den Unwillen eines seiner Rechte beschnittenen Volkes zurückgeht, sondern vielmehr einer bloßen, erbärmlichen und jämmerlichen Neiddiskussion entstammt. Das Land steuert auf eine Staatspleite zu, die unvermögenden Bürger verlieren ihren Broterwerb und müssen ihre Gürtel drastisch enger schnallen – und jetzt beginnt das große Greinen.
Die Arbeitslosen dürfen nicht arbeiten – bekommen aber naturgemäß für ihr erzwungenes Nichtstun keine Fuseratze mehr. Ihre Volksvertreter, die angehalten sind, mit ihrer Politik diese beklagenswerten Zustände zu ändern, müssen oftmals nicht arbeiten, bekommen dafür aber die Taschen für genau diese ihre Untätigkeit so voll gestopft, daß der Skandal zum Himmel stinkt. Die Arroganz, mit der viele Abgeordnete ihr unehrliches und raffgieriges Treiben begleiten, ist wahrhaft unerträglich. Doch dieses ekelhafte Auftreten ist nicht der entscheidende Punkt.
Was alarmieren sollte, ist der hinter den Vorgängen steckende Lobbyismus. Denn glaubt denn hier irgend jemand allen Ernstes, daß diese Leute wirklich fürs Nichtstun bezahlt werden? Gibt es tatsächlich noch soviel Naivität? Kein Aas zahlt für nichts! Und schon gar nicht in diesen Zeiten!
Diese Leute werden fürstlich entlohnt, weil sie in den Parlamenten die Interessen dieser gutzahlenden Hintermänner vertreten. Tun sie nicht? Aber, aber – wer wird denn so blauäugig sein! Natürlich tun sie das. Und das ganz offiziell! Denn neben ihrer Abgeordnetentätigkeit sind sie bei ihren beim Bundestagspräsidenten ganz ordentlich angemeldeten Nebenbeschäftigungen Mitglieder von Aufsichtsräten, Vorsitzende diverser Kuratorien und Gesellschaften, haben Beraterverträge in der Tasche. Das leppert sich. So zwölf, dreizehn Nebenjobs… natürlich kann man nicht auf jeder Vorstandssitzung präsent sein. Es langt ja auch durchaus, daß man sein politisches Gewicht dann ausspielt, wenn es gefordert ist. Für die Zahlenden, gegen die Bevölkerung, wenn’s not tut.
Michel schüttelt traurig den Kopf. Bezahlt er seine Volksvertreter denn nicht auch sehr anständig, und zwar aus seinem Steueraufkommen, damit es den Abgeordneten gut ergehe auf Erden? Und sind das nicht auch Summen, die Otto Normalverbraucher schwitzen lassen? Und die unzähligen anderen Vergünstigungen rund um die Abgeordnetentätigkeiten, auch gespeist aus dem Steuertopf?
Nein, das reicht nicht. Das ist doch selbstverständlich. Das steht ihnen doch zu. Das lohnt nicht einmal die Verschwendung eines Gedanken.
Wenn sich dann noch die Möglichkeit auftut, ein paar Kröten nebenbei zu machen, da läßt man doch nichts anbrennen! Täte man das, wäre man dann soweit gekommen in seinem Leben? Nein, die Biographie dieser Leute geht mit ihren Charakteren Hand in Hand.
Sie sind Produkte unserer Zeit, der von ihr geprägten Ellbogenmentalität. Sie sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Insofern kann man mit Fug und Recht sagen: Jedes Volk hat die Abgeordneten, die es verdient.
Das hört sich bitter an. Es ist bitter. Es ist zum Heulen! Moralische Verkommenheit durchsetzt eine ganze Gesellschaft wie ein Geschwür. Von oben nach unten und retour.
Wir haben einen Altbundeskanzler, der sein persönliches Ehrenwort bezüglich einiger gravierender Ungereimtheiten über allgemeinverbindliche Normen stellt und einen ganzen Rechtsstaat ungestraft desavouiert.
Eine Ebene tiefer setzt sich der freche Filz ungeniert fort, von dort durchseucht er die Mentalität eines ganzen Volkes. Entsolidarisierung der Gesellschaft heißt das entsprechende Schlagwort. Jeder sieht zu, daß er noch auf irgendeinem Dampfer oder Seelenverkäufer anheuern kann, versucht, wenn ihm dieses Glück zuteil geworden ist, dort noch eine lukrative Position zu besetzen, jeder für sich – Gott für uns alle!
„Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage, was Du für Dein Land tun kannst!“ Dieser patriotische Aufruf des Präsidenten Kennedy, der noch für Kompetenz im Weißen Hause stand, verschimmelt seit langem schon in den muffigen Kellern der Geschichte.
Es ist sinnlos, über die Gegebenheiten zu jammern! Denn sie sind zutiefst in der menschlichen Natur verwurzelt. Aber vieles, was dieser Natur zueigen ist, ist dem menschlichen Zusammenleben nicht eben förderlich. Diese negativen Verhaltensmuster müssen restriktiv behandelt, ja geahndet werden, sonst geht die Welt aus den Fugen. Das ist der Sinn dieses Artikels! Finger rauf, auf die Lumperei! Fort mit den Raffkes aus Ämtern, für die sie sich aufgrund ihrer bezeigten Haltung disqualifiziert haben! Sie haben dort nichts zu suchen.
Nur, wenn die Repräsentanten des Volkes einwandfreie moralische Werte etablieren und vorleben, wenn sie Eckwerte schaffen, die gerade ihnen unverletzlich sind, dann kann man dem Volke bis hinunter zum Arbeitslosen ebensolche Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit abverlangen. Dann – und nur dann hat die Bekämpfung von Steuerunredlichkeit, Schwarzarbeit, Sozialbetrug, Ausbeutung und Asozialität eine Chance. Nur dann sind die permanent zunehmende Unfreundlichkeit, das Mißtrauen, das Selbstsüchtige, Ichbezogene und das Mißgünstige aus dem täglichen Umgang der Menschen miteinander zu verbannen, um es durch ein neues Wir-Gefühl zu ersetzen.
Deshalb spuckt der Landbote angewidert aus, sowohl vor diesen ehrvergessenen Mandatslumpen einerseits, als auch vor dem doofen Michel, der sich diese Strolche vor die Nase setzen läßt, statt sie in die Wüste zu jagen.

4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005