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Hilfsnazi Harry, Stillgestanden!

 

Scholcher M. Druckepennig
Nennt man ihn königliche Hoheit? Ich weiß es nicht, denn das Protokoll des britischen Hofes ist mir so fremd und so gleichgültig, wie die Aussagen der indianischen Knotenschnüre. Wobei Letztere weitaus interessanter und für die Weltgeschichte bedeutsamer sind...
Doch wenn man ihn eine Hoheit nennt, dann zu Unrecht – Protokoll hin oder her! Dieser Mann strahlt nichts Hoheitsvolles aus – er ist ein Vertreter der Niederungen des menschlichen Geistes. Er ist ein Repräsentant der allmächtigen Dummheit und widerlichen Borniertheit.
Über sein Vorleben sei hier nichts gesagt. Das geht uns nichts an und sollte einem Blatt mit seriösem Anspruch keine Zeile wert sein.
Was dieser unreife Knabe aber jüngst anläßlich eines Kostümfestes in London vortrug, daß meritiert ein paar kräftige Maulschellen! In einem Bundeswehrjackett mit einer Hakenkreuzbinde versehen, stand der unsägliche Trottel angesoffen vor der Linse eines Photoapparates.
Wir kennen die Überheblichkeit der Sieger des Zweiten Weltkrieges, von denen jeder einzelne im Kampf mit den deutschen Nazis ziemlich alt aussah. Erst zu viert und vor allem mit dem unerhörten Heldenmut der Roten Armee und der Logistik der Amis konnte ein Sieg gegen Nazideutschland erfochten werden. Die Briten waren seit dem Ersten Weltkrieg nur noch dem Namen nach eine Weltmacht, abgehalftert trauerten sie dem Verlust viktorianischer Größe nach.
Nun aber, nachdem sie in Teheran und Potsdam zur Tafel zugelassen waren, rissen die ehemaligen Weltkolonialherren die Klappe wieder ganz weit auf. Das Bild vom schlauen Tommy hie und vom debilen aber gewalttätigen Kraut dort wurde wieder in die Inselhirne hineinzementiert, nachdem sich doch erhebliche Teile der britischen Upperclass bis in die Vierziger hinein eifrig zu Adolf Hitler hingezogen fühlten.
Das neue, demokratische Deutschland interessiert die meisten von diesen Insulanern einen feuchten Kehricht. Für sie besteht Europa bestenfalls aus Frankreich und Holland und dem barbarischen Transsylvanien.
Dieser unselige Mix ist es wahrscheinlich, der die breiige prinzliche Hirnmasse umgequirlt hat. Einerseits der Drang, den tumben Herrenmenschen zu banalisieren, zu konterkarieren, zu veräppeln; andererseits die latente Bewunderung für die effiziente und kalte Gewalt, die von dieser Weltanschauung ausging. Kann man doch sagen, daß die Kolonialbriten den Boden dieser Ideologie in vielerlei Hinsicht entscheidend vorbereiten halfen. Geistige Vorarbeit, die Erfindung der Konzentrationslager in den Burenkriegen, die praktische Umsetzung des Rassenwahns in den Kolonialkriegen, der Gleichklang der deutsch-britischen Verfechterherzen im Glauben an den nordischen Übermenschen, der dazu bestimmt ist, die Welt zu beherrschen – all das sublimierte sich in der Politik der Nazis. All das hatte seine vielfältige Entsprechung in der Geisteswelt britischer Machthaber.
Und irgendwann platzt die Eiterblase, die man solange mehr oder weniger erfolgreich zu kaschieren suchte.
Der jüngste Sohn Dianas ist kein Nazi. Kann er gar nicht sein. Denn er ist hundertprozentig zu blöd zu wissen, was das eigentlich ist. Doch Dummheit schützt vor Strafe nicht! Soll er nach Auschwitz pilgern. Soll ihn ein Rabbi am Kragen packen und mit der dämlichen Prinzenrübe in einen Haufen Kinderschuhe stecken, die den Hunderttausenden vergasten und zu Tode geschundenen Kindern gehörten, die nicht das Glück hatten, „jeunesse d’orée“ genannt zu werden. Soll er die Dokumentaraufnahmen sehen, die die Befreier dieser Höllenlager aufnahmen, soll er eine Gaskammer betreten und fühlen, wie es ist, wenn die Stahltür zuschlägt. Das verzweifelte und erstickte Schreien der Opfer soll ihn bis in die Albträume seines verkifften Schädels verfolgen, bis er um ein Erwachen bettelt – ein Erwachen aus dem Dämmer seiner Dummheit!
Möglicherweise wird dieser Schock aber dazu führen, daß der hochgeborene Schwachkopf vom Schock überwältigt erst recht darauf beharren wird, daß alle Krauts per se Nazis seien. Möglicherweise wird diese Straf- und Lehraktion einen neuen Deutschenhaß in der britischen Oberschicht etablieren.
Das wäre schade. Zumal das gemeinsame europäische Haus in den letzten Jahren den Eindruck vermittelt hat, seine Bewohner wären sich auch in geistiger Hinsicht nähergekommen. Diese Illusion, wenn sie denn bestand, hat sich als trügerisch erwiesen. Wir sehen zwar alle wie eine gleiche Sorte Menschen aus, und wenn wir dahingeschieden sind, wird man anhand unserer Gebeine kaum deren Nationalität ausmachen können. Aber in den lebenden Köpfen herrschen noch immer weitverbreitet die archaischen Ressentiments und Vorurteile, die jeder Aufklärung, jedem Versuch der Annäherung mit erbittertem Widerstand begegnen.
Das tragische daran ist, daß dieser unseligen Resistance von führenden Kräften der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges meinungspolitisch kräftig Vorschub geleistet wird. Von Leuten sogar, die es eigentlich besser wissen müßten als der tumbe Harry. Diese Burschen sind der Schimmelpilz, der sich in das Gemäuer des europäischen Hauses eingenistet hat. Wer immer an der Stabilität dieses Gebäudes interessiert ist, weil es der einzige Garant einer friedlichen europäischen Zukunft ist, der muß kämpfen wie ein Berserker, daß dieser Schimmel trockengelegt werde.
Die Zeit drängt – denn solche Klischees in den Köpfen, gepaart mit einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise – das ist eine fürwahr explosive Mischung.

4. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2005