Stahl
Feuer!
Ein Vortrag im Rahmen der Ausstellung „Doppelpässe“
Museumsdirektor Dr. Hans Georg Kohnke,
Dr. Uta Klaedtke, Heike Köhler
Michael
L. Hübner
Eine ordentliche Ausstellung braucht natürlich ein ordentliches Rahmenprogramm.
Die gegenwärtige Exhibition des Stadtmuseums in der Ritterstraße
thematisiert bekanntlich das Thema Fußball: Doppelpässe –
wie die Deutschen die Mauer umspielten. BRAWO berichtete. Und was liegt
da näher, als ein solches Rahmenprogramm zu nutzen um die jüngere
Geschichte des regionalen Fußballs etwas tiefgründiger zu beleuchten!
Brandenburg an der Havel war mit der Mannschaft „Stahl Brandenburg“
seit der 1984 in der DDR-Fußballoberliga vertreten. “Stahl“
aber war keine sogenannte Klub-Mannschaft wie beispielsweise der 1. FC
Magdeburg oder Hansa Rostock. „Stahl Brandenburg“ war eine
BSG, eine Betriebssportgemeinschaft. Das bedeutete, dass die Sportler
zu Beginn in den 50ern wirklich Werksangehörige des Stahl- und Walzwerkes
waren, die von der Ofenbühne, aus der Kokillen-Anlage, von der 1120er
und 850er Walzstraße, aus den vielen Betriebsschlossereien und sogar
aus der Verwaltung kamen. Das heutigentags gängige System des Spielerankaufs
– in der DDR wurden Umschreibungen wie „An- und Abwerbung“,
„Delegierung“ und dergleichen Euphemismen verwandt –
kam dann mit der sehr sportlich und vor allem fußballerisch ambitionierten
Stahlwerksleitung unter Generaldirektor Hans-Joachim Lauck auf, der seine
Mannschaft unbedingt in der Oberliga sehen wollte. Die Vorraussetzungen
waren geschaffen und vorhanden: Spätestens seit dem Zeitpunkt, als
das Stahl- und Walzwerk Brandenburg zum Leitbetrieb des ostdeutschen Stahlkonzerns
„Qualitäts- und Edelstahlkombinat“ avancierte und eine
gewichtige ökonomische Macht darstellte, war dieser beinahe 10.000
Beschäftigte umfassende Großbetrieb in der Lage, sich den erträumten
Platz im Oberhaus des ostdeutschen Fußballs zu erzwingen. Mehr noch,
„Stahl Brandenburg“ schaffte es als einzige BSG in die Kampfarenen
um den UEFA-Pokal 1986/87 als Fünftplazierter der DDR-Oberliga. In
der Ära dieser Erfolge aber waren Trainer und Mannschaft nur noch
nominell Betriebsangehörige und kannten ihren Brötchengeber
bestenfalls von Betriebsbesichtigungen. Über dieses Thema referierte
Frau Dr. Uta Klaedtke vom Zentrum deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg
e. V. auf Einladung von Direktor Dr. Hans-Georg Kohnke und seiner Stellvertreterin
Heike Köhler im Frey-Haus. Unter den Zuhörern befanden sich
auffallend viele ehemaliger „Stahler“, Vorstände und
Spieler. Während des Vortrages zeichnete sich ab, welche Vorteile
ein Mediävist gegenüber einem Historiker-Kollegen hat, der zu
einem noch recht jungen zeitgeschichtlichen Thema spricht: Der Mittelalter-Experte
kann sich getrost auf die Urkundenlage berufen und braucht die Einrede
von Zeitgenossen nicht zu fürchten. Anders bei Frau Dr. Klaedtke.
Dass zumindest einem ihrer Zuhörer die Gepflogenheiten von Tagungen
und Vorträgen nicht sonderlich vertraut waren, ließ beispielsweise
ein ehemaliger Insider durchblicken, der die sich einem Vortrag anschließende
Diskussionsrunde so gar nicht abwarten konnte und drauf und dran war,
die Stelle eines Koreferenten einzunehmen. Zumindest reflektierte diese
ungewöhnliche Situation das noch immer rege Interesse, welches das
vom Frey-Haus evozierte Echo aus Brandenburgs großen Fußballtagen
noch immer genießt.
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