Urahn Brandenburger Stadtpläne gefunden
Historischer Verein stellt ältestes Kartenmaterial
zu Brandenburg an der Havel vor
Michael L. Hübner
Um 500 vor Christus postulierte
Heraklit: Der Krieg ist aller Dinge Vater. Zumindest für den ersten
Brandenburger Stadtumriss aus dem Jahre 1631 trifft das zu. Als König
Gustav Adolf Wasa, der Löwe aus Mitternacht, mit seinen Armeen in
Deutschland einfiel, bemerkte man im schwedischen Oberkommando, dass sämtliche
schwedischen Kartenwerke maximal bis in den Norden der Mark Brandenburg
reichten. Weiter südlich war gewissermaßen kartografische Terra
Incognita. Denkbar ungünstig für ein militärisches Expeditionscorps.
So begann man eifrig die Landschaft zu vermessen, denn wer die besseren
Karten und Pläne hatte, war dem Feinde gegenüber klar im Vorteil.
Eine dieser Karten hat nun im schwedischen Kriegsarchiv zu Stockholm die
Zeiten überdauert und wurde kürzlich für die Brandenburger
Historienforschung wieder entdeckt. Zu diesem Anlass widmete der Historische
Verein seinen diesjährigen Abschlussvortrag dieser kleinen Sensation.
Handelt es sich doch um die älteste bekannte maßstäbliche
Darstellung der beiden Städte Brandenburg. Drei Referenten teilten
sich die Aufgabe, die erstaunlich modern wirkende Karte einem sehr gespannten
Publikum vorzustellen. Der Vortragssaal in der Ritterstraße 94 war
so hoffnungslos überfüllt, wie schon lange nicht mehr. Stadtarchäologe
Dr. Joachim Müller, Militärhistoriker Frank Brekow und Geograf
Bernd Brülke gaben jeweils ihr Wissen aus dem Umfeld der Karte preis.
Während Brekow die militärische und politische Situation des
Dreißigjährigen Krieges beleuchtete, von dem die Mark und die
beiden Städte Brandenburg ebenfalls hart betroffen wurden, gab Brülke
anschließend einen tiefen Einblick in die Entwicklung des Mess-
und Kartierungswesens. Dr. Müller baute darauf auf, als er die dargestellten
Objekte mit archäologischen, historischen und noch gegenwärtig
sichtbaren Befunden verglich. Dabei offenbarte sich die Präzision,
mit der bereits vor beinahe vierhundert Jahren Gelände aufgemessen
und aufgezeichnet wurde. Es zeigte sich aber auch sehr deutlich, wer die
Auftraggeber für solche nicht eben billigen Unterfangen waren: Die
Städte Brandenburg sind nämlich nur in ihren Umrissen erkennbar
– in den Konturen ihrer Verteidigungsanlagen nämlich. Was in
der Stadt an Häusern oder Kirchen existierte, war völlig uninteressant.
Mühlen – ja, die waren wichtig und zwar für die Verpflegung
der Truppe. Ansonsten interessiere die Fortifikation, die Tiefe der Havel
und ihrer Kanäle für die Feldlogistik und den Transport kriegswichtiger
Güter. Die einzige sakrale Gebäude, das Erwähnung fand,
war die Marienkirche, die zum Zeitpunkt der Erstellung der Karte ihr Dasein
bereits achtzig Jahre lang als traurige Ruine fristete. Aber immerhin
– sie stand auf einem strategisch bedeutsamen Berge. Die Karte selbst
ist eingenordet, was insofern bedeutsam ist, als hier ein Bruch zu bis
dahin üblichen, mittelalterlichen Welt- und Geländekarten dokumentiert
wird. Diese richteten sich wie überhaupt alles in der Christenwelt
nach Osten aus. Ein Maßstab wird verzeichnet, dem wahrscheinlich
rheinische Ruten zu etwa 3,7m zugrunde liegen. Überhaupt ist die
Karte in ihren Erklärungen in deutscher Sprache abgefasst. Sehr verwunderlich
bei einem schwedischen Auftraggeber. Laut Brülke ist dieser Umstand
ein deutlicher Hinweis auf die der schwedischen Armee dienenden zahlreichen
deutschen Ingenieure. Es schadete auch nicht weiter. König Täve
sprach perfekt deutsch. Außer ihm und seinen Generälen sollte
das Kartenmaterial sowieso niemand zu Gesicht bekommen. Auf Kartenspionage
stand der Tod. Für die Stadt aber bedeutet die Auffindung dieses
Planes einen riesigen historischen Gewinn. Es wäre sehr zu begrüßen,
wenn Museum und Stadtarchiv einen Abzug dieses Werkes erhalten könnten,
das in seinem Alter den berühmten Hedemann Plan von 1722 noch um
ganze 91 Jahre übertrifft.
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