Ironie
und Hunger
Karikaturenausstellung zur Verelendung der Dritten
Welt
Michael L. Hübner
Im Jahre 2000 einigten sich die
Vereinten Nationen auf die sogenannten Milleniumsentwicklungsziele, in
denen der Wille zum Ausdruck kommt, die extreme Armut eines Großteils
der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Ein hehres Ziel.
Wie unsagbar schwer es umzusetzen ist und welche Hürden sich auf
dem Weg dorthin aufbauen, davon berichtet eine Karikaturen-Ausstellung
im Rahmen der 5. Brandenburger Entwicklungspolitischen Informationstage,
welche am Montagabend auf dem Gelände der Berlin-Brandenburgischen
Auslandsgesellschaft (BBAG) eröffnet wurde. Während der Eröffnungsreden,
die von Annegret Kofke (BBAG), dem brandenburgischem Landtagspräsidenten
Gunter Fritsch und Vera Thümmel vom Ausstellungsmacher „Dialog
International e. V.“ hielten, wurde ein Soziologe zitiert, der den
einzig gangbaren Ansatz so formulierte: Es kommt nicht so sehr darauf
an, was wir in die Dritte Welt hineinpumpen, sondern vielmehr darauf,
was wir ihr nicht stehlen. Genau diese Sentenz setzen die Karikaturen
bissig, sarkastisch und oft sehr präzise den Punkt treffend um. Da
werden Länder wie der Kongo um ihre Rohstoffe geprellt, als Bezahlung
erhalten sie Waffen, Waffen und nochmals Waffen – einzig zu dem
Zweck, dass sich die Schwarzafrikaner gegenseitig umbringen. Der Weltmarkt
aber und faire Einkaufspreise bleiben ihnen verschlossen. Eine andere
Karikatur bringt es zur Sprache: Armut ist gefährlich! …aber
eben nicht nur für den Armen. Früher oder später richtet
sich die Gewalt dieser Armut auch gegen den, der sie verschuldet, todsicher!
Um diese Botschaft an der richtigen Stelle zu vermitteln, ist es wichtig,
dass vor allem Brandenburger Schulklassen die Karikaturen-Ausstellung
auf dem Bischofshof an der St. Gotthardtkirche besuchen und sich damit
intensiv auseinandersetzen. Denn die Schüler von heute sind die Gestalter
des politischen Geschehens von morgen. An ihnen ist es, die Tragweite
eines verfehlten und dissonanten globalen Miteinanders zu verstehen. Die
zunehmenden, von existentiellen Notlagen verursachten Massenmigrationsbewegungen
über das Mittelmeer nach Europa unterstreichen die Dringlichkeit
eines tiefgreifenden Bewusstseinswandels für das Elend in den Staaten,
auf deren Knochen der Luxus der sogenannten Ersten Welt aufgebaut wurde.
Daher greifen die vertretenen Karikaturisten immer wieder das Thema des
Schneckentempos auf, mit dem sich die laut tönenden Aktionisten der
reichen Industriestaaten auf das im Jahre 2000 formulierte Ziel zubewegen.
Die Entwicklungspolitischen Informationstage wurden unter die Devise „Wasser
– Ware oder Menschenrecht?“ gestellt. Ein gewichtiger Teil
der vorgestellten Arbeiten befasst sich denn auch mit dem eklatanten Ungleichgewicht,
das in einer immensen Verschwendung von Trinkwasser in der reichen Welt
(etwa 160l pro Kopf und Tag) einerseits und einem vergeblichen Kampf der
UNO andererseits besteht, einem Sechstel der Weltbevölkerung wenigstens
20l genießbares Trinkwasser pro Kopf und Tag zu gewährleisten.
Wenn Landtagspräsident Gunter Fritsch die Frage aufwarf, ob der nächste
weltumspannende Konflikt um die Verteilung von Wasser oder Öl ausbrechen
wird, so beschreibt er damit nicht weniger als eine Entscheidung zwischen
Scylla und Charybdis. Ein Gedanke, der schaudern macht. Zu tiefer Ernsthaftigkeit
fordern auch im Gegensatz zu ihrem eigentlichen Naturell die Karikaturen
auf, deren Erfolgsrezept ja normalerweise darin besteht, über das
Hintertürchen einer witzigen Pointe Eingang in das Bewusstsein des
Betrachters zu finden. Im Angesicht der hier nur mäßig überzeichneten
Realität aber gefriert jedes auch nur ansatzweise Lächeln.
Einzig das wunderbare musikalische Rahmenprogramm der russisch-afrikanisch-deutschen
Band sine nomine unter Leitung von Svetlana Vekstein und Francisco Sete
hellte die Stimmung auf. Im Namen unserer aller Zukunft sei solchen Projekten,
wie dem am Montagabend im Bischofshof vorgestellten, aller nur erdenkliche
Erfolg und eine breite Resonanz gewünscht. |