Neun
Meilen bis Berlin
Historischer Verein lud zu Vortrag über
Meilensteine
Michael L. Hübner
„Papa, was sind das für
komische runde Steine am Straßenrand?“ „Das sind Meilensteine,
mein Sohn.“ Wenn der Filius jetzt zufrieden ist mit der Antwort,
hat Papa Glück gehabt. Aber schon spitzt sich des Sohnes Mund Unheil
verkündend zur nächsten Frage. Das ist so der Kinder Art. Sie
löchern. Wenn Papa jetzt nicht fit ist, steht es schlecht um den
väterlichen Nimbus. Wenn Papa aber zu den etwa 25 Zuhörern des
Eisenbahningenieurs Olaf Grell aus Bernau gehörte, der am Donnerstagabend
vor dem Historischen Verein einen Vortrag über preußische,
mecklenburgische und anhaltische Meilensteine hielt, dann folgt jetzt
ein Referat, das keine Fragen mehr offen lässt. In einem wissenschaftlich
aufgebauten und durchkonzipierten Vortrag, flüssig und unterhaltsam
dargeboten, berichtete der 46jährige Hobbyforscher über Funktion,
Gestalt und Verteilung des Meilensteinsystems. Vor zwei Jahrhunderten
erleichterte es dem Reisenden auf den großen Post- und Staatschausseen
die Orientierung. „Neun Meilen bis Berlin“ wird sicher auf
der Meilensäule gestanden haben, die einst auf dem Brandenburger
Paradeplatz vor dem Gumpert’schen Hause (Kaffeekännchen) stand.
Neun Meilen – die Meile zu etwa 7,5 Kilometer – also 67,5km
vom Neustadt Markt bis zum Berliner Stadtschloss. Und damit man unterwegs
nicht die Orientierung verliert, standen in etwa 1,8km Abstand Halb- und
Viertelmeilensteine. So konnte der Reisende in der Postkutsche nachrechnen,
ob ihm die Taxe korrekt berechnet wurde, der Postbeamte bestimmte das
Porto für Brief und Frachtgut, der Chausseewärter, der für
die Instandhaltung der Straße verantwortlich war, kannte genau seinen
Abschnitt. Mit Begeisterung und profunder Sachkenntnis dozierte der stellvertretende
Vorsitzende der etwa 40 Mitglieder fassenden Forschungsgruppe Preußische,
Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e. V. über die heute
noch vielerorts präsenten Denkmale der Verkehrsgeschichte. Text und
Bildmaterial, akribisch aufbereitet und didaktisch gut zueinander gestellt,
ließen das Interesse des Auditoriums trotz großen Umfangs
des Materials zu keinem Zeitpunkt erlahmen. Bei vielen seiner Zuhörer
dürfte das lebhafte Interesse für die oft kaum noch erkennbaren
Chausseebegleiter geweckt, die nächste Rad- oder Wandertour um eine
bemerkenswerte Nuance bereichert sein. Wer nun von Brandenburg an der
Havel über die B1 nach Potsdam oder Genthin oder über die Landstraße
nach Wollin fährt, wird wohl die Augen aufhalten nach den steinernen
Informationsträgern, die zu den Ahnen unserer heutigen modernen Verkehrsleitsysteme
zählen. Und wer seine neugierigen Kinder und Enkel dabei hat, der
kann nunmehr souverän und wissend Auskunft geben.
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