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Teufelchen im Kreuzgang
Reinhard Scheunemann und Manfred Opitz gestalten Fouqué-Lesung im Paulikloster

Michael L. Hübner
Gruselig ging es zu in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts. Schaurig fabulierten literarische Größen wie Edgar Allen Poe oder der Königsberger E. T. A. Hoffmann. Doch auch der Sohn der Chur- und Hauptstadt, der preußische Major Friedrich de la Motte Fouqué, Enkel des legendären Generals, Freundes Friedrichs des Großen und Domprobstes Heinrich de la Motte Fouqué, beteiligte sich munter an den romantisch-gespenstischen Dichtungen. Seine „Undine“ dürfte den Brandenburgern ein Begriff sein. Weniger bekannt aber ist wohl seine „Geschichte vom Galgenmännlein“ die etliche Jahrzehnte vor Robert Louis Stevensons weltberühmtem „Flaschenteufel“ haargenau dieselbe Thematik bearbeitete. Wenn man nun am Freitagabend im Kreuzgang des Pauliklosters der Lesung des Schauspielers Reinhard Scheunemann lauschte, so kam man wohl nicht umhin, der Bildreichen Sprachgewalt Fouqués Hochachtung zu zollen. Wehmütig beschleicht den Germanisten die Ahnung von der ungeheuren Verarmung, welche die deutsche Sprache seither erfahren musste. Scheunemann, der lange Zeit auch an der Brandenburger Bühne wirkte, trug sehr lebendig und akzentuiert vor. Obschon der Flaschenteufel des Schatzinsel-Autors Stevenson unbestritten zur Weltliteratur zählt und eine sublime, psychologisch tiefgründige Komposition vorweist – Fouqués Interpretation des Stoffs schlägt seinen Nachfolger um Längen! Der schriftstellernde Major Fouqué aus dem protestantischen Preußen verlegte seine Handlung in das als liederlich verschrieene Italien, nach Venedig, um genauer zu sein. Dort verprasst ein junger Kaufherr namens Reichard sein Vermögen in edlen Hurenhäusern und in Gesellschaft ebenso kostspieliger wie grundverdorbener Gespielinnen. Als er dem Bankrott nahe ist, verkauft ihm ein alter spanischer Hauptmann ein merkwürdiges Fläschchen, das die Gabe hat, seinem Besitzer auf Erden jeden materiellen Wunsch zu erfüllen. Ein hässliches Teufelchen, eingesperrt in diesem Fläschchen und „Galgenmännlein“ genannt, ist der Garant dieses begehrten Zaubers. Wer sich aber mit dem Bösen einlässt, muss des Pferdefußes gewärtig sein: Stirbt der Besitzer des Galgenmännleins, so ist seine Seele auf ewig der Hölle verfallen. Also sollte man tunlichst zusehen sich des gefährlichen Gutes bei Zeiten zu entledigen. Das aber geht nur auf eine Art: Man muss es jemandem zu einem geringeren Preise verkaufen, als man es selbst einst erstand. Naturgemäß ist irgendwann die kleinstmögliche Währungseinheit erreicht und dann ist Schluss mit Lustig. Fouqué verleiht seiner Geschichte weitaus mehr szenischen Spielraum. So entsteht eine bestechend tiefgründige Darstellung des moralischen Niedergangs eines scheinbar vom Schicksal so vorteilhaft Begünstigten. Scheunemann und sein musikalischer Begleiter Manfred Opitz auf dem geisterhaften Keyboard verbreiteten in der anheimelnden, gotischen Atmosphäre des Kreuzganges die rechte Stimmung zum dämonischen Kampf des Abstürzenden um sein ewiges Seelenheil. Sie zogen das Publikum in den Bann des Geschehens, man hätte auf dem Boden des Kreuzganges eine Stecknadel fallen hören. Nur manchmal, wenn Opitz mit seinen schrillen und heulenden Klängen nach Art des alten Stummfilmkintopps die situative Dramatik etwas zu laut beleuchtete, hatte man doch Mühe den Worten des Lesenden zu folgen. Der altbacken erhobene moralische Zeigefinger Fouqués, der nichts, aber auch gar nichts von dem unseriös erworbenen Reichtum in den Händen seinen Protagonisten beließ, in dessen Tasche jedoch sich stattdessen der böse Geist immer wieder zurückschlich, vermittelte denn auch der Zuhörerschaft die alte Erkenntnis: Geld allein macht nicht glücklich. Nun ja, ein paar gute Wertpapiere und Immobilien sind auch nicht so übel...

 
B
7. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2008
09.01.2009