Vorweihnachtszeit
im Kreuzgang
Marion Wiegmann liest Weihnachtsgeschichten im
Paulikloster
(hüb) Weihnachtszeit
– besinnliche Zeit. Und weil Lesungen in der Chur- und Hauptstadt
mit großer Beliebtheit angenommen werden, so wurde am Freitagabend
in der Nordostecke des Kreuzganges zu St. Pauli wieder das dreieckige
Podium aufgebaut. Diesmal nahm die sehr profilierte Marion Wiegmann
Platz, um dem im Ost- und im Nordflügel des Kreuzganges versammelten
Publikum Geschichten rund um die Weihnachtszeit vorzutragen. Susanne
Hess und Angelika Eckelmann umrahmten die Lesung musikalisch mit Werken
unter anderem von Bach, Händel, Sor, Carr und Cope. Doch auch zu
russischer Volksmusik spielten Querflöte und Gitarre auf. Gut gewählt
läutete die Weihnachtsgeschichte des großen Brandenburger
Reformpädagogen Otto Bernhard Wendler gleich zu Beginn den Vortragsabend
ein. Diese Geschichte, die Wendler aus persönlichen Kindheitserinnerungen
bezog, spielte sich vor etwa 100 Jahren hauptsächlich in den Mauern
des alten Pauliklosters ab und verlieh somit der Lesung eine besondere,
eine geradezu authentische Note. Auf Authentizität jedoch verzichten
mussten des ungeachtet die süßlichen – wenngleich sicherlich
viel gelesenen – Kurzgeschichten um die Geburtszeit des Jesusknaben
aus der Feder des NS-Landesobmannes für Schriftsteller des Gaus
Salzburg, Karl Heinrich Waggerl. Allerliebst ist es sicherlich zu hören,
dass das Jesusknäblein lächeln musste, weil ihm ein Floh im
Ohr umherhüpfte oder warum den Mohren die Handinnenflächen
heller ausfallen als der Rest des Körpers. Wem es aber nicht gelang,
den Inhalt der Stücke von der Person ihres Verfassers zu trennen,
dem blieb statt eines Flohs ein schales Gefühl im Ohr. Versöhnlicher
stimmte da schon die Weihnachtsgeschichte Hans Falladas, der, wie auch
bei vielen anderen Werken des tragischen Granden der deutschen Literatur
des 20. Jahrhunderts, die stark autobiographischen Züge anzumerken
waren. Resümierend darf wohl nach dem nunmehr weiteren Erfolg der
Lesung die endgültige Erschließung des Kreuzganges für
derlei gehobene Kulturveranstaltungen als gesichert gelten.