Krabat
und die Schwarze Mühle
meisterhafte Verfilmung der sorbischen Nationalsage
im Kino
Michael L. Hübner
Die Oberlausitz im Jahre 1648. Dreißig
Jahre Krieg haben dem Lande furchtbar mitgespielt. Ein 14jähriger
Waisenjunge zieht bettelnd, hungernd, frierend und zukunftslos durch einen
eiskalten Winter. Krabat heißt er.
Krabat, die sorbische Lichtgestalt, Held des gleichnamigen Nationalepos
der Sorben, fand endlich seinen Weg auf die deutsche Kinoleinwand. Der
große erzählerische Stoff eines kleinen, beinahe vergessenen
Volkes wurde bereits von ausgewiesenen Literaten aufgegriffen. Juri Brezan
versuchte sich daran. „Hinter den Türen“ hieß das
Werk von Martin Beyer. Düster war es, verstörend und schwer.
Doch Otfried Preußler traf dann den Kern. Seine Adaption des sorbischen
Sagenstoffes um den real existiert habenden kroatischen Obristen Johann
Schadowitz griff mit ungeheurer narrativer Wucht die Aussage der Geschehnisse
um die Schwarze Mühle von Schwarzkollm bei Hoyerswerda auf. Das Preußler-Buch
fand nun endlich seine überfällige cineastische Entsprechung.
Und was die Truppe um Regisseur Marco Kreuzpaintner zuwege brachte, blieb
den qualitativen Vorgaben des Romans kaum etwas schuldig. Sicher, die
Karpatenkulisse rund um Hermannstadt in Siebenbürgen war etwas übertrieben
und wirkte aufgesetzt. Kreuzpaintner versetzte das Geschehen auch um etwa
ein halbes Jahrhundert zurück. Doch das ist belanglos. Mit welcher
Hingabe aber an einer authentischen Darstellung von Menschen, Charakteren,
Baulichkeiten und Verhältnissen des ausgehenden Dreißigjährigen
Krieges gearbeitet wurde, das alleine wäre höchste deutsche
Film-Lorbeeren wert. Das ist das Siebzehnte Jahrhundert! Diese brüllende
Not, diese entsetzliche Armut, das bisschen Freude der Menschen, dieser
aberwitzig harte Kampf um das tägliche Leben und in ihn eingebettet
– die reine, die unverfälschte, die echte Liebe. Wenn es etwas
gibt, was das „Ganz Große Kino“ ausmacht, dann doch
wohl das. Kreuzpaintner spart nichts aus. Er und Kameramann Daniel Gottschalk
arbeiten gleichermaßen souverän mit ruhigen wie mit rasch bewegten
Bildern, ohne jedoch jemals in die dröge amerikanische Hektik zu
verfallen. Um Dramatik zu vermitteln benötigen die beiden Filmleute
keinen Kampf gegen den Sekundenzeiger einer Uhr, kein hysterisches Gekreische,
keine Verfolgungsjagden. Ihre Dramatik beziehen sie alleine aus dem Stoff,
in dem ein armer Betteljunge von 14 Jahren in grausamer Zeit als Lehrjunge
in der Schwarzen Mühle aufgenommen wird, in der er das Müllern
und „auch das Andere“ lernt, die Schwarze Magie, die Macht
verleiht über Mensch und Kreatur. Dieser Lehrjunge hat das Zeug zu
einem Großen der Zauberzunft und sogar die Schwarze Mühle könnte
er übernehmen. Er könnte das tödliche Spiel weiterführen,
das in jeder letzten Nacht des Jahres das Leben eines Gesellen auf grässliche
Art abfordert, der dann auf dem Wüsten Plan im Koselbruch ohne Aufhebens
verscharrt wird und dessen Name fortan ausgelöscht ist wie seine
Existenz. Krabat aber entscheidet sich für die Menschlichkeit, für
das Leben, gegen das abgrundtief Böse. Er widersteht dem Meister,
vor allem jedoch widersteht er der Versuchung der Macht. Darin und genau
darin liegt die Urkraft dieser sorbischen Nationalsage. Die Verfilmung
des „Krabat“ kann bezüglich ihrer technischen Effekte
ganz sicher nicht mit dem „Herrn der Ringe“ oder den Harry-Potter-Filmen
konkurrieren. Dennoch sticht „Krabat“ diese Filme gerade mit
seiner schlichten Erzählweise um Längen aus, die so voller Tiefgang
und so berührender szenischer Echtheit ist. Die deutsche Antwort
auf die Fantasy des englischsprachigen Raumes war leise, fein gezeichnet
und von elementarer Kraft. Es wäre vielleicht nicht einmal so sehr
dem Meisterwerk selbst als eher noch dem deutschen Publikum zu wünschen,
dass es die Kinosäle füllt, wenn die Verfilmung einer wendischen
Sage Kinogeschichte schreibt. |