Geheimnisvoller
Gewölbekeller
Arbeitsgemeinschaft Historischer Stadtkerne öffnet
19. Türchen im Adventskalender
Gewölbekeller unter der Nordklausur des Brandenburger Doms der Öffentlichkeit
vorgestellt
Kotofeij K. Bajun
Das Herz der Mark, der Brandenburger
Dom, birgt noch immer manches Geheimnis. Eines davon wurde am 19.12. anlässlich
einer Adventstüröffnung der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Andrang war überwältigend. Anja Castens vom städtischen
Denkmalsamt war begeistert: „So einen Besucherandrang hat es bei
einer Adventstüröffnung noch nicht gegeben!“ freute sie
sich. Tatsächlich folgten etwa 200 Neugierige der Einladung der Arbeitsgemeinschaft
„Städte mit historischen Stadtkernen“. Zu viel für
die neu entdeckte Preziose unter dem Nordflügel der Domklausur, in
der nur etwa 50 Sitzplätze bereit gestellt werden konnten. Nur etwa
die Hälfte konnte den erst künstlich freigelegten, von einem
herrlichen und für solche Räumlichkeiten völlig ungewöhnlichen
Kreuzrippengewölbe überspannten, vierjochigen Kellerraum betreten,
der von einer zentralen viereckigen Säule getragen wird. Dieser Keller
unter der ehemaligen Dienstwohnung des Kochs der Ritterakademie dürfte
in seinen ältesten Teilen aus dem frühen 13. Jahrhundert stammen,
als der baufreudige Bischof Gernand, der auch die Errichtung der berühmten
viertürmigen Marienkirche auf dem Marienberg verantwortete, am Dom
residierte. Das Gewölbe selbst wurde erst gute zweihundert Jahre
später eingezogen, wie sich an den gut erhaltenen Konsolen der Gewölbedienste
ablesen lässt. Die mit vier kleinen und einer großen Wandnische
besetzte Ostwand des Gewölbekellers gab dem Raum eine besondere Atmosphäre.
Ebenso die ehemalige östliche Tür an der Nordwand, die in einen
nicht mehr existierenden Anbau führte, der den Klausurgebäuden,
ähnlich die Spiegelburg ein paar Meter weiter östlich, vorkragte.
Auf dieses Gebäude weisen noch darstellbare Fundamente und eine ehemalige
Tür über der Wohnung des Kochs hin, die, da sie heute gemeinerweise
ins Leere führt, von bösen Zungen als Schwiegermuttertür
bezeichnet wird. Den Glücklichen, die gegen 18 Uhr Einlass fanden,
boten ein kleiner Chor, bestehend aus Julia Meinecke (Sopran), Angela
Brandigi (Alt), Alexander Bergel (Tenor) und Martin Helge Lüssenhop
(Bass) weihnachtliche Sangeskunst aus sechs Jahrhunderten und Christiane
Ziehl Literatur-Lesungen wie Wolfs Weihnachtsgans Auguste und ein Stück
von Ringelnatz. Dieses Programm erfreute nicht nur den anwesenden Domherren
Dr. Brekenfeld und den Alt-Superintendenten Koopmann, auch die 20 Delegierten
der AG „Historische Stadtkerne unter Führung der gastgebenden
Oberbürgermeisterin Dr. Dietlind Tiemann waren sehr von der architektonischen
Kostbarkeit und dem darin gebotenen Weihnachtsprogramm angetan. Die Oberbürgermeisterin
bewies sogar besonderes Stehvermögen, als Sie ganz Dame, einer älteren
Besucherin in dem völlig überfüllten Raume ihren Sitzplatz
zur Verfügung stellte. Das verdient um so mehr Beachtung, als die
Akteure ihre Veranstaltung um eine gute halbe Stunde überzogen, was
den auf dem Burghof in Wind und Kälte ausharrenden Unentwegten ebenfalls
einiges abverlangte. 27 Frauen und Männer hielten durch und bekamen
zur Belohnung noch einmal das Gleiche in etwas entspannterem Rahmen geboten.
Wie Stadtarchäologe Dr. Müller erläuterte, der das Ereignis
diesmal als Logistiker und tatkräftiger Anpacker unterstützte,
war der Keller bis vor kurzem meterhoch mit Schutt verfüllt und ein
Wald von Stahlstützen bewahrte die Decke vor dem Einsturz. Lange
Zeit ahnte niemand etwas von der bauhistorischen Sensation im Untergeschoss
der Klausur. Erst durch die Investition von 788.000 Euro konnte der Raum
in seiner alten Pracht wieder hergestellt und eine alte, vermutlich schon
kurz nach der Reformation eingezogene Zwischenwand entfernt werden. Anja
Castens stellte die Vermutung an, dass der neu entdeckte Gewölbekeller
einst den Domherren als Teil ihres Wohnraumes diente. Erst als diese das
gemeinsame Wohnen aufgaben und in die sogenannten Kurienhäuser zogen,
sei die Räumlichkeit möglicherweise als Stauraum benutzt worden.
Jetzt jedenfalls erstrahlt er wieder in beinahe sakraler Würde, wie
der Direktor des Domgymnasiums, Dr. Overbeck treffend bemerkte. |