Luftwaffe musiziert in der
Klosterkirche
Erlös kommt dem „Haus der kleinen
Forscher“ zugute
Michael L. Hübner
„Die Luftwaffe kommt!“.
Diese Ankündigung hat wohl zunächst die alten Mauern der Dominikaner-Abtei
St. Pauli bis in Mörtel und Fuge erschüttert. Mauern haben
ein gutes Gedächtnis. Was aber das Luftwaffen-Musikkorps 4 aus
Berlin-Gatow mitbrachte – auch das wird lange widerhallen unter
dem Dache der Läutkirche zu St. Pauli. Große Klassik –
große Moderne und alles für einen wirklich guten Zweck. Doch
dazu später. Die uniformierten Musiker gaben Stücke von Händel,
Haydn und Torelli – kein Tschigtscherassa-Bumm – feinste,
sublimste Klassik, Kammermusik auf ganz hohem Niveau. Ein schmelzend
zarter Haydn, dargeboten von vier Quintetten, Blech- und Holzbläser.
Liebevoll quakend das Fagott, in jedem seiner Töne sein Herkommen
von Pommer, Rankett und Dulzian betonend, eine Katze hätte sich
eingerollt und das Schnurren begonnen. Fröhlich schmetternd die
Posaunen und Trompeten! Das schmeichelte sich in die Ohren… Dann
– Händel! Der Titan Händel, der gewaltige Händel.
Wieviel Musiker erliegen der Versuchung aus Händels Noten Pathos
herauszulesen! Nicht so die Quintette der Luftwaffe: Leise brummten
die Tuben, verhalten und doch so unglaublich kraftvoll und voluminös.
Unprätentiös die Querflöte, warm die Hörner und
schlicht, zierlich umtänzelt von den Klarinetten, und doch ohne
Arabesken, ohne Tingeltangel, kein überflüssiges Tremolieren
– der große Händel eben. Ihn trefflich zu interpretieren
ist wohl für jeden Vollblutmusiker eine stete Gratwanderung –
die Soldaten aber spielten sicher und fest und gingen um keine Achtelnote
fehl. Die Tempi stimmten, der Schlussakkord wurde würdig gehalten.
Das klang und scholl als hätte Johann Gottfried Pepusch die Grenadiers
Friedrich Wilhelms I. in Königs Wusterhausen zu den Noten aus London
dirigiert – da konnte man sich schon verstohlen eine Träne
aus dem Auge wischen.
Glenn Miller, er schrieb und musizierte für die GIs, die fern der
Heimat für die Freiheit Europas kämpften. „Don’t
sit unter the apple tree“, „Chattanooga Choo Choo“,
die Soldaten des Luftwaffenmusikkorps aber spielten die Moonlight Serenade,
wie nur Soldaten sie zu spielen vermögen, wie nur Soldaten sie
verstehen. Der Glenn-Miller-Sound skizziert wie nichts sonst das Band
zwischen dem GI auf den ausländischen Schlachtfeldern und seinem
Sweetheart jenseits des Großen Teiches. Die Gatower erfüllten
diese Skizzen mit einer unwiderstehlichen Farbe. Das griff ans Herz!
Das war Liebe und Sehnsucht, gegossen in Noten. Von Barock bis Moderne
– es ist sehr wahrscheinlich, dass die alten Mauern von St. Pauli
seit diesem Konzert nunmehr andere Erinnerungen an Uniformen und mit
dem Worte „Luftwaffe“ verknüpfen.
Der Erlös des von etwa 250 Gästen besuchten Konzertes kam
dem „Haus der kleinen Forscher“ zugute, welches der Fachhochschule
assoziiert ist und sich zum Ziel setzt, die Neugier der Jüngsten
für Wissenschaft und Forschung zu wecken. € 3012,- konnte
die Netzwerkkoordinatorin Nadine Syring in Form eines symbolischen Schecks
aus den Händen der Oberbürgermeisterin in Gegenwart der Bundestagsabgeordneten
Andrea Astrid Voßhoff und der amtierenden Havelkönigin entgegennehmen.
Damit kann sie nunmehr 60 Kindergärten in die Aktivitäten
des „Hauses der kleinen Forscher“ einbeziehen. Workshops,
Experimente für die Kleinsten – wie so etwas funktioniert,
demonstrierte Nadine Syring eindrucksvoll, als sie das anwesende Publikum
auf kleinen, unterschiedlich langen Röhrchen die Melodie von „Morgen
kommt der Weihnachtsmann“ nach nur ganz kurzer Einweisung perfekt
intonieren ließ. Diese Leistung rang selbst den professionellen
Musikern Respekt ab. Ebensolchen Respekt verdient haben sich unbestritten
die Mitarbeiter des Stabes der Oberbürgermeisterin Jutta Pomplun,
Simone Kresse und Tim Freudenberg, die sich in ihrer Freizeit unermüdlich
für die Organisation und den Ablauf dieses erstklassigen Ereignisses
engagierten und natürlich das Brandenburger Theater, welches wie
immer für die Beschallung, die Beleuchtung und die gesamten Umrahmung
sorgte. Eine der wichtigsten Botschaften des Abends aber war: Das Militär
hat seine Chur- und Hauptstadt nicht vergessen, die ihm 351 Jahre lang
eine Heimstatt war. Umgekehrt gilt dasselbe!