Generalstaatsanwalt rockt Szenekneipe
Erardo Rautenberg und Frank Gerstmann luden
zur Oldienacht ins Fonte
Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg
und Frank Gerstmann
Michael L. Hübner
In der Ära, als die Musiktitel
gerade herauskamen, welche in der letzten Freitagnacht durchs Fonte dröhnten,
hätte die Schlagzeile „Generalstaatsanwalt rockt Szenekneipe“
mindestens die Börse krachen lassen. Ganz Vorwitzige hätten
eine handfeste Razzia gemutmaßt – aber nichts dergleichen:
Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg saß völlig hip
in ungewohnter Rolle als Co-Diskjockey unter der rotierenden Spiegelkugel
und legte auf, was das Zeug hielt. Neben ihm der studierte Sozialarbeiter
und -pädagoge, Mediator und Kommunikationstrainer Frank Gerstmann.
Kommunikation zu trainieren wäre Gerstmann jedoch an diesem Abend
denkbar schwer gefallen – der Geräuschpegel verurteilte jeden
verbalen Gedankenaustausch schon im Ansatz zum Scheitern. Man traf sich
jedoch nicht zu vergeistigten Debatten, sondern ließ die alten Titel
hochleben – Oldies? – oh Gott, ja, die sind ja teilweise schon
wieder über dreißig Jahre alt. Das war doch aber erst gestern…
Auf die Anwesenden machte dieser alarmierende Umstand jedoch keinen Eindruck.
Der Bär steppte und die Gäste auf der Tanzfläche waren
von vibrierenden Ölsardinen kaum noch zu unterscheiden. Der nostalgische
Ausflug in die Siebziger und Achtziger entsprach, wie der ebenfalls anwesende
Landtagspräsident süffisant bemerkte, gar nicht der im Osten
üblichen 40/60-Quotelung. Das bedeutete 40% Westmusik – wir
erinnern uns, dieses „ Jej, jej, jej…“, mit dem Walter
Ulbricht endlich Schluss machen wollte – und 60% Ostrock. Generalstaatsanwalt
Rautenberg (West) und Mediator Gerstmann (Ost) legten brüderlich
teilend fifity-fifty auf. Renft wurde von Deep Purple abgelöst, und
nach dem sich der „smoke on the water“ wieder verzogen hatte,
kamen die Puhdys und nach denen ACDC, Berluc und – selbst diejenigen,
welche die DDR gar nicht mehr kennen gelernt haben konnten, sangen tanzend
die Texte mit. Denn, das muss man den Titeln dieser Jahre lassen, gehaltvoll
waren viele von ihnen allemal. Und wenn es dem ranghöchsten Staatsanwalt
des Brandenburger Landes im Bein juckte, dann erkannte man nur noch seine
Mähne im Gewühl. Gerstmann übernahm. Von solch erfrischender
Liberalität kann man gegenwärtig in vielen Ecken der Welt nur
träumen. Diese Erkenntnis ließ die leichte nostalgische Wehmut
verblassen, welche sich beim Hören der „Oldies“ einschleichen
wollte. |