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Das
Siebte Zeichen
S. M. Druckepennig
Ach, ach! Die Amerikaner, ihre verquaste
Ansicht vom Christentum, ihre aberwitziger Flitz, das nahtlose Fortbestehen
des Imperium Romanum zu verkörpern – und ihre psychopathische
Paranoia! Wenn sich das mit dem alten Wild-West-Helden-Mythos zusammenquirlt
– und das tut es regelmäßig – dann spuckt diese
Sauce wieder mal so eine cineastische Schlammblase aus, wie wir sie heute
unter die Lupe nehmen. Die Lupe erblaßt, die Beleuchtungsbatterie
gibt den Geist auf – sie will das nicht sehen – wir müssen!
Also ran an den ranzigen Speck!
Worum geht es? Wieder einmal ist Endzeitstimmung angesagt. Es gemahnt
so ein wenig an die Ära des Barock: Diese Sehnsucht nach Verfall
und Ruinen! Ein sicheres Zeichen, daß es mit einer Zivilisation
abwärts geht. Langsam und schleichend, setzt der Verfall ein. Aber
den Amerikanern geht es natürlich zu langsam. Sie sehnen sich nach
dem großen Knall. Und wie auf alles in der Welt hat Amerika natürlich
– wer wollte das ernsthaft in Frage stellen – das Vorrecht,
die ersten (und hoffentlich auch die einzigen) bei der Apokalypse zu sein.
Was man sich unter der Apokalypse vorzustellen hat? Einen Weltuntergang.
Komet, Vulkan, Sintflut, Eiszeit, stehen bleibender Erdkern, aggressive
Marsmännchen – es gibt kein denkbares Szenario, was die Amis
nicht schon bis zum Erbrechen durchgekaut hätten.
Also wieder einmal der finale Schlag gegen die Menschheit…
Woher kommt nur dieser Aberwitz? Ja, sehen Sie, das ist so eine Sache.
Die frühen Christen waren ein kleiner, desperater Haufen, der mit
den Verhältnissen auf dieser Welt nicht so richtig klar kam und deshalb
unentwegt nach einer anderen verlangte. Jene war natürlich nur zu
erreichen, wenn die unsrige zum Teufel (hmm, Entschuldigung...) fuhr.
Und genau darauf hofften die Christen, seit ihr Rabbi Joshua von Nazareth
zu Jerusalem von den Römern ans Kreuz gedroschen wurde. Also seit
zweitausend Jahren. Am Tode des Rabbis, den die Christen mit griechischem
Namen Jesus nennen, nahmen nur sehr wenige Leute Anteil. Die übrige
Welt ging weiter ihren brutalen Geschäften nach und die Christen
begannen ihren ewig verheulten Sermon, daß Gott die sündige
Welt schon strafen werde. Dem aber war das offensichtlich alles wurscht.
Nach wie vor suchten Naturkatastrophen die Menschen heim und nur ein paar
durchgeknallten Spinnern kam es notorisch in den Sinn, eine Verbindung
zwischen einem Erdbeben und dem im christlichen Sinn unmoralischen Verhalten
der Betroffenen zu ziehen.
Da sich aber auch nach dem gewaltigsten Vulkanausbruch, Erdbeben, Überschwemmung,
Atomangriff oder was auch immer – das Leben neu zu formieren begann
um im alten Trott weiterzumarschieren, mußte Gottes Hammer her.
Die Tabula rasa! Also träumte ein gewisser Johannes – wahrscheinlich
im Opiumrausch – auf der griechischen Insel Patmos einen Albtraum,
der einem Menschen der Gegenwart unweigerlich eine Zwangseinweisung nach
§52 PsychKG einbringen würde, damals aber in den Reigen der
kanonischen Schriften unter dem Namen „Apokalypse des Johannes“
einging. Was der Wahn dieses Johannes da ausbrütete, das trieb seither
durch Generationen von überhitzten Seelen hindurch seltsame Blüten.
Davon eine eben ist der Film, dem wir heute einige erschütterte Worte
widmen.
Da sehen wir Jürgen Prochnow – Sie erinnern sich: der KaLeun
aus „Das Boot“ – als Jesus von Nazareth durch die sündige
Welt stiefeln und gesiegelte Papyri um sich werfen. Nein, der Herr Prochnow
mimt nicht jenen schmächtig-arischen Schücht, als welcher der
Jude Jesus durch die abendländisch-christliche Ikonographie geistert.
Sein Jesusbild hat zwar keinen semitischeren, dafür aber einen durchaus
glaubwürdigeren Ausdruck.
Herr Prochnow ist gut. Zu gut, als daß er von einer so schwachen
Rolle zermanscht werden könnte. Ein Charakterdarsteller wie er glänzt
eben in jeder Besetzung!
Wir wollen das honorieren! Selbst dieser gähnend langweilige Schinken
vermag ihn nicht kirre zu kriegen. Doch zunächst wissen wir nicht,
in welcher Mission er unterwegs ist. Es ist nur verwunderlich, daß
allerlei Katastrophen folgen, sobald Jesus Prochnow wieder ein antikes
Siegel zerbrochen hat. Da werden Fische im Meer gekocht, die Erde bebt,
es wird windig, der Mond wird blutrot etc, etc.
Der Rabbi aber marschiert unbeirrt weiter. Bei der ersten nachchristlichen
Jahrtausendwende hatten die Leute noch wirklich Angst vor dem unvermeidlichen
Letzten Gericht. Hatten die Heiligen Schriften nicht pausenlos von Tausendjährigen
Reichen gequasselt, bevor es ein Braunauer GröFaZ tat? Tausend Jahre
– das klang plausibel. Aber zweitausend? Wer kommt denn auf so abwegige
Zahlen?
Wie dem auch sei. Das Neue Rom heißt Amerika. Also muß der
Rebbe eine Schiffspassage lösen, oder die fünftausend Kilometer
über den Atlantik laufen – ist etwas weiter als die berühmte
Wanderschaft über den See von Genezareth. Was er da soll? Na, das
Ende der Welt im Hort der Zivilisationen einläuten. Verflucht!
Also mietet er sich in Demi Moores Garage zur Halbpension ein um von dort
aus weiter die Apokalypse vorzubereiten. Frau Moore ist hochschwanger
und am 29. Februar soll’s dann so weit sein. Der Rabbi weiß
es schon. Wie auch nicht – das erwartete Kind soll ja das Letzte
sein, ein seelenlos Geborenes, das siebte und letzte Zeichen der Apokalypse.
Sobald dieses Kind das Licht der Welt erblickt hat, geht der ultimative
Showdown los! So beschlossen vom Herrn der Welten, gestempelt und gesiegelt.
Damit die Sache schön nach Drehbuch verläuft, läßt
der Skriptschreiber einen Mongoloiden seine inzestinösen Eltern abfackeln
und für diese Untat im Namen Gottes die kalifornische Gaskammer gewärtigen.
Der Trisomie-21-Mann stilisiert sich selbst zum christlichen Märtyrer
– und da hätten wir dann den einzig authentischen Punkt des
ganzen Filmes erwischt: Ja, so kennen wir diese Märtyrer –
fähig zu fanatischem Mord und aberwitziger Rechthaberei im Namen
einer unverstandenen Moral. Der Teufel soll sie holen! Der Staat Kalifornien
will dem Verwalter des Bösen dabei entgegenkommen und den Elternmörder
vergasen. Der Vater aller Dinge aber, in dessen Namen ja das unsägliche
Verbrechen begangen wurde, möchte erst seinen lieben, mongoloiden
Mördersohn zu seiner Rechten wissen, ehe er denn die sündige
Menschheit zur Gänze ausradiert. Es ist zum Verzweifeln. Wir wissen
mit all unserer Theologie nicht mehr, von wo wir dieses Gewusel aufrollen
sollen: Da spricht der Herr: „Du sollst Vater und Mutter ehren!“
Das mißratene Früchtchen aber bringt sie bestialisch um. Hat
denn der unterbelichtete Langdon-Down-Geschädigte überlesen,
daß geschrieben steht: „Du sollst nicht töten!“
und „Die Rache ist Mein, spricht der Herr.“? Oder konnte er
am Ende gar nicht lesen? Hat er nur ausgeführt, was ihm eingeblasen
wurde?
Ist der Herr nun wirr geworden? Was will ER denn nun eigentlich? Ist ER
wirklich der würfelnde, boshafte Demiurg, den die Gnostiker vermuten?
Rottet er die Menschheit nun aus, weil sie ihm gehorchen, oder nicht gehorchen,
oder gar alles beides? Und warum in alles in der Welt muß nun auch
der Rest der Schöpfung dran glauben, nur weil ihre angebliche „Krone“
kollektiv ausgetickt ist? Merkwürdige göttliche Logik, das…
Und warum schickt ER nun ein zweites Mal SEINEN eingeborenen Sohn auf
die Erde? Diesmal als Vollstrecker. Weil ER sich an das Geschreibsel SEINER
eigener Propheten halten muß?
Nein, ER ist GOTT! ER muß nicht. ER muß gar nichts. ER kann
heute „hüh“ und morgen „hott“ und keiner
kann IHM irgendwas! Also gibt ER der unverbesserlichen Kreatur wieder
mal eine Chance. Die Gott-weiß-wievielte. ER, der die Zukunft kennt
und das Herz eines jeden einzelnen Menschen. Und wieder muß einer
bzw. eine sterben: Demi Moore – die atheistische Unschuld vom Lande
muß ihren erlauchten Geist aufgeben, damit die Welt abermals erlöst
werde und der Herr von seinem Countdown Abstand nehme. Ach, diese ewige
Litanei vom Opfertod – einer für alle… Wir haben sie
ja so satt! Spätestens seit dem permanenten Opfergeschwafel der Nazis
ist uns das Thema dermaßen über!
Ach ja – der Cartaphilus spielt auch eine Geige in diesem Quietschorchester.
Sie erinnern isch sicher jenes hohepriesterlichen Türstehers, der
den armen Rabbi vor dessen letztem Gang noch grundlos abwatschte und dafür
vom Lamm Gottes zur Unsterblichkeit verflucht wurde. Da gab’s doch
noch einen, den Ahasver, den Schuster aus der Via Dolorosa, dem Ähnliches
widerfuhr und der darob zum Ewigen Juden wurde. Den haben die Amerikaner
wenigstens hiesigen Ortes in Ruhe gelassen. Gott sei Dank!
Aber der Cartaphilus: Als katholischer Priester verkleidet versucht er
heimtückisch das göttliche Projekt von Armageddon zu befördern,
weil seine persönliche Erlösung vom Weltuntergang abhängig
ist. Dabei scheint er uns einem theologischen Mißverständnis
aufgesessen zu sein: Ihn hatte der Rabbi ja schließlich nur verflucht,
zu bleiben, bis er wiederkäme.
Nun – er kam wieder, in Herrn Prochnows Gestalt. Fluch erfüllt
– basta! Ach, wenn’s doch bloß so einfach wäre!
Nee, so leicht lassen die Amis uns nicht aus der Chose. Wir werden noch
ein bißchen gegrillt. Es sind harmlose, stinklangweilige und kaugummiartige
Blasphemien, die uns noch bis zum fernen Abspann vorgeköchelt werden.
Wir sind zu müde um zu gähnen. Wir schalten ab.
Beim Einschlafen denken wir noch, wenn’s dem Herrn ernst ist mit
SEINER Apokalypse, dann reicht eventuell der Dauerbeschuß mit solch
unsäglichen Schinken, daß ER irgendwann auch mal den Schalter
abdreht. Dazu muß er SEINEN lieben Sohn, an dem ER Wohlgefallen
hat, nicht noch mal durch diese Welt jagen, damit er Siegel brechend Fische
im Meer kocht. Ein Komet tut’s auch.
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