Unvergleichliche Königin
Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen
Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen
J.-F. S. Lemarcou
Zwei Frauen sind es an der Spitze
Preußens, vor denen wir Nachgeborenen noch heute das Knie beugen
– sie gleichsam als Landesmütter ansprechen – und beide
heißen Luise. Orthodoxe Grammatiker mögen mir jetzt in die
Feder fallen wollen: Beide Damen weilen nicht mehr unter den Lebenden
– also müßte ich die Vergangenheitsform des Verbums
„heißen“ wählen. Tu ich aber nicht. Denn in mir,
in uns leben und wirken die beiden weiter. Die eine war die Frau des
Großen Kurfürsten, Luise Henriette von Oranien, die andere
war das beherzte, das herzensgute Luiseken von Mecklenburg-Strelitz.
Dem Briefwechsel mit ihrem zukünftigen Gatten Friedrich Wilhelm
III. von Preußen galt die März-Soiree aus der Reihe „Märkische
Leselust“ am Brandenburger Theater. Ein würdiges Thema. Etwa
fünf Dutzend Menschen und ein schnarchender Mops lauschten den
Ausführungen der Frau Caroline Lux, des Herrn Kay Dietrich und
dem Harfenspiel Frau Cornelia Büttners. Die Texte stellte in bewährter
Manier Herr Hans-Jochen Röhrig zusammen, den wir als Vortragenden
wie auch als Schauspieler gleichermaßen zu schätzen gelernt
haben.
Einzig die einleitenden Worte des Herrn Professor Knut Kiesant gemahnten
uns an die schier endlosen Vorlesungen unserer Universitätszeit.
Wir waren ernsthaft versucht, nach der Viertelstunde auf die Tische
zu klopfen, was dem studentischen Beifall entspricht – oder aber
der Genugtuung über die Erlösung von einem besonders gedehnten
Vortrag. Natürlich muß den weniger in der Materie Befindlichen
ein kurzer Ausblick in den historischen Kontext gewährt werden.
Nun, wenn sich Herr Kiesant dazu verstehen könnte, Herrn Röhrig
bei einem solchen Unterfangen etwas zwischen die Finger zu schauen,
dann dürfte das Klopfen der Studenten nach seiner nächsten
Vorlesung zweifelsohne als eine Beifallsbekundung interpretiert werden.
Die Sprache der Briefe wurde fein getroffen. Es ist die Kunst eines
Mimen, seinen Zuhörer in die Welt des Stückes hineinzuziehen.
Frau Lux und Herrn Dietrich gelang es, den zeitlichen Abgrund von zweihundert
Jahren vergessen zu machen. Man sah die beiden Liebenden förmlich
die Feder ins Tintenfäßchen tunken, man sah sie sich necken,
scherzen, mitfühlen, mitleiden. Man vergaß Titel und Bedeutung
der historischen Persönlichkeiten – zwei Menschen erstanden
vor uns in ihrem innersten Fühlen. Und nur die häufig wiederholten
Phrasen von Krieg, Feind, Ehre und Vaterland gemahnte an die seither
verstrichenen einundzwanzig Jahrzehnte.
Die kindliche Naivität eines siebzehnjährigen Mädchens
und ihres dreiundzwanzigjährigen Bräutigams, beide aufgewachsen
in ausgesprochen militärisch geprägten Zeiten, mögen
nach den Erfahrungen der Kriege des Zwanzigsten Jahrhunderts befremden
– wer in der Lage ist, über die Gräben dieser völkermordenden
Auseinandersetzungen hinweg in die Gegenwart der Briefeschreiber zu
sehen, der wird eher gerührt den Worten zweier Menschen lauschen,
die sich in voller Verantwortung schon in jungen Jahren als Landeseltern
begriffen.
Faszinierend erscheint uns, daß in jener Epoche der Aufklärung
die Zahl der Adligen empor schnellte, die auf die albernen Animositäten
ihrer Kaste pfiffen und sich auf ein natürliches Menschsein besinnen
wollten.
Dumme Laffen verspotteten Friedrich Wilhelm III. später dafür,
daß er zu Paretz das Leben eines bürgerlichen Gutsverwalters
führte, statt sich wie ein gesalbter Majestätsgockel aufzuführen.
Die Spötter sind wohl unter denen zu suchen, die um den Absatz
solcher Druckerzeugnisse wie „Bild der Frau“ fürchten.
Wir Preußen ziehen den Hut vor diesem Mann, denn wir wissen: In
der Schlichtheit, dem Unprätentiösen liegt Preußens
wahre Größe. Der Inhalt der Briefe ist echt, nicht geschraubt,
nicht verheuchelt und deshalb sind diese beiden Menschen uns nahe. Friedrich
Wilhelm mit seiner Sehnsucht nach Luise und ein paar Kirschen –
Luise in ihrer Sehnsucht nach Friedrich Wilhelm und einem Leben mit
ihm und ohne Zahnweh…
Frau Büttner unterstützte den gedanklichen Zeitsprung mit
zarter Hand – eine Harfe ist doch ein wundervolles Instrument!
Kompositionen der Herren Hasselmanns, Dussek, Bochsa, Ph. J. Mayer und
Pozzoli schufen einen der Romantik verpflichteten musikalischen Rahmen
von besonderer Güte.
Mit der Reihe „Märkische Leselust“, über die wir
nun schon zum zweiten Male berichten dürfen, ist dem Brandenburger
Theater ein Format gelungen, das kulturelle Akzente setzt. Es stimmt
uns froh, eine solche Veranstaltungsreihe in unserem Theater zu wissen.
Jeder Organisator, jeder Mitgestalter, jeder Zuhörer eines solchen
Ereignisses legt lebendiges Zeugnis davon ab, daß wir dem importierten
„Trash“ getrost Hohn lächeln dürfen. Geist und
Kultur sind unser Erbe – auf das wir so mindestens so stolz sein
dürfen, wie auf unsere tapfere Luise.