Irische Märchen
in deutschem Kirchlein
von Herrn K.K.Bajun
Du kleines,
vergessenes Kirchlein von Meßdunk – welch
ein Charme strahlt an diesem Abend von deinen welken Mauern
mit dem verwitterten Innenputz ab! Obschon stark beschädigt,
trägt dieser Putz noch immer eine herrliche Ornamentmalerei.
Die Apsis wird überkrönt von einem überwältigenden,
blauen Sternenhimmel. Von der Kanzel herab hält ein
Arrangement Sommersträucher eine stumme und doch
so ergreifende Predigt. In den Fensteraugen stehen Kerzen
und senden ihr schwaches Licht durch Efeuranken hindurch
in einen grau-verregneten Sommerhimmel. Verwunschen ist
die Atmosphäre – ein Anblick wie aus dem Feenreich.
Drinnen aber, im Kirchlein, drängen sich am 16.Juno
2006 die Besucher der Veranstaltung „In Gärten
gelesen“ des Brandenburger Theaters. Der Brandenburger
JustKultur-Verein stellte als Mitorganisator und Pächter
des Kirchleins die Kirchenschlüssel zur Verfügung.
Marion Wiegmann liest "Irische Märchen".
Das macht neugierig: Irland, die Grüne Insel, letzte
Bastion der Kelten Europas, Land der Feen und Feldgeister
und Riesen, bis in die Knochen hinein durchmissioniert
von St. Patrick und doch – die Feen und Elfen halten
noch immer das Szepter in Händen. Nirgends ist man
der Anderswelt näher. Frau Wiegmann liest mit kraftvoller
Stimme und zieht die Atmosphäre der alten Iren in
das Schiff des Kirchleins von Meßdunk. Drei Vollblutmusiker
begleiten sie mit irischen Weisen: Gabriele Knobloch auf
der Violine, Jan Pribbernow auf der Gitarre und Sebastian
Pietsch mit dem Fagott und der Irish Whistle. Von der
Empore herab sieht das leere Orgelprospekt auf das Geschehen
herab und wundert sich über die fremden Klänge
voller Feuer und Rhythmus.
Voll fleischiger Wucht ist die Sprache der Stücke,
die Frau Wiegmann für ihren Vortrag erwählte.
Im „Mitternachtsgericht“ streiten sich ein
junges, lediges Mädchen und ein alter gehörnter
Zausel vor einer Feenrichterin um ihre Rechte. In „Finns
Kampf mit dem Riesen Kukulin“ rettet eine clevere
Ehefrau ihren Mann aus höchster Bedrängnis.
Ein altes europäisches Märchenmotiv, unzählige
Male kolportiert von anderen Nationen – aber in
dieser archaischen, anrührenden Form etwas ganz Besonderes.
Frau Wiegmann versteht es überzeugend, mehreren Charakteren
gleichzeitig ihre Stimme und Gestik zu leihen. Mag man
vier Jahrzehnte kommen und gehen gesehen haben –
es ist egal – hier wird man wieder das Märchen
hörende Kind. Mitgerissen vom Geschehen der Handlung
und den irischen Klängen erfüllte donnernder
Applaus das kleine verlassene Gotteshaus. Gewiß,
in einer Kirche soll man nicht klatschen. Aber wie zitierte
die Sprecherin eine irische Weisheit: Meine Meinung, Deine
Meinung – und zum Teufel damit!
Auch der große Laubbaum, der die Kameradschaft des
Kirchturms sucht, eng an ihn geschmiegt, wird gelauscht
haben. Und gefallen hat es ihm gewiß so sehr wie
uns. Jedenfalls schien das die Nachtigall herauszuträllern,
die das Publikum an der Kirchenpforte empfing.
Als unser Wagen über die Dämme inmitten der
im Abendnebel ruhenden Teiche vor Meßdunk heimwärts
fuhr, als finstere Laubwälder und dunstige Plane-Auen
an den Fensterscheiben vorbei glitten, da stand fest,
daß die Feenwelt auch bei uns noch nicht zur Gänze
verschwunden ist.
Wir bedanken uns für diese Erkenntnis bei den Damen
Wiegmann und Knobloch, bei den Herrn Pribbernow und Pietsch,
sowie bei den Veranstaltern für ein kulturelles Kleinod,
und wir versichern dem Kirchlein von Meßdunk: Etwas
so Pittoreskes, Hübsches und Anziehendes wie du kann
gar nicht vergessen werden! Mögen deine Mauern noch
vielen froh gestimmten Menschen schöne Stunden bereiten!