Die
CHarmonists
eine Vorstellung der Extraklasse am Brandenburger
Theater vom 03. November 2005
K. K. Bajun
Sie glauben nicht an die Auferstehung?
Dann ist es sicher, daß Sie am Abend des 3. November 2005 nicht
im Brandenburger Theater waren. Denn dort wären Sie Zeuge einer Reinkarnation
geworden. Nicht die des Herren der Christenheit, zugegeben! Doch was Sie
gesehen und gehört hätten, wäre nicht minder beeindruckend
gewesen, mein Wort drauf! Vor mir standen die Herren Frommermann, Biberti,
Collin, Cycowski und Leschnikoff. Am Flügel saß Herr Bootz.
Vor mir traten die Comedian Harmonists auf. Leibhaftig! Es gab keinen
Zweifel – sie waren es!
In gewisser Hinsicht hatte die Zeit meine Generation benachteiligt. Denn
als wir die Stühle im Parkett besetzten, war das berühmteste
Herren-Sextett der Welt vom Destillat der brüllenden menschlichen
Dummheit schon lange von der Bühne vertrieben worden. Was blieb und
für alle Zeiten zu bleiben schien – das waren kratzige Schellackplatten,
bearbeitete CDs und die Ohrwürmer, die man auch nach über einem
dreiviertel Jahrhundert immer wieder mal vor sich hinsummte. Sagen Sie
mal, und Hand aufs Herz: Summen Sie manchmal irgendeinen Trash-Titel vom
letzten Jahre vor sich hin, einen aus dem unendlichen Repertoire der atonalen
Dutzendware, die lediglich zur Berieselung dient; deren Protagonisten
allzuoft nur aus der Tiefe der Anonymität hervorblubbern um sich
dann regelmäßig an der Oberfläche zerplatzend ins Nichts
auflösen, ihre Titel zerweht wie ein paar welke Blätter im Herbstwind...?
Aber das hier! Das steht! Das ist eingegossen in die deutsche Kulturlandschaft
wie die Klassiker. Und man hört's und denkt: Das gab's nur einmal,
das kommt nicht wieder!
Doch! Genau das erhob sich wieder aus dem Vergessen wie die Dresdner Frauenkirche
– strahlend und wunderschön! Herr Vilsmaier nannte es: Die
Legende kehrt zurück. Und recht hatte er.
Da haben sich Sangeskünstler zusammengefunden, die ihr Brot an renommierten
Opernhäusern verdienen. Die hatten die Idee, den als unkopierbar
geltenden Glanz der Comedian Harmonists wieder zu neuem Leben zu erwecken.
Und mit ihm den Humor, der diesen herrlichen Gesang begleitete. Die überragendste
Kunst ist die, die das schönste Geschenk Gottes an den Menschen zuäßt:
Das Lachen! Weg mit dem verhaltenen Schlurfen durch den Escorial, weg
mit dem wichtigtuerischen Gesicht im Louvre! Lachen, Lachen, Lachen!
Diese sechs Herren verzauberten uns mit virtuosem Gesang, diese sechs
Herren ließen uns lachen, die Komik war authentisch. Da war nichts
Aufgesetztes, das Herz lachte. Herzen sangen, Herzen zeigten eine brillante
Performance, Herzen lachten!
Das war das Wunderbare an diesem Abend. Die Wellen stimmten einfach zwischen
der Bühne und dem Parkett. Zwischenapplaus, donnerndes Händeklatschen,
begeistertes Getrampel, Zugaben wurden eingefordert und gewährt und
die achtzigjährige Dame neben mir hatte Tränen in den Augen!
Tränen? Ich sah genauer hin: diese Tränen liefen nicht über
eine Haut, die von einem langen Leben gezeichnet wurde. Diese Tränen
rannen über die Wangen des jungen Mädchens, das sie anfangs
der Dreißiger Jahre war. Bubischnitt, Stirnband und Pfauenfeder.
Verstehen Sie: Sechs Herren mit herrlichen Stimmen und einem wunderbaren
Humor und großem Können glätteten Falten in einem alten
Gesicht – welche Frau würde nicht davon träumen! Ich weiß
nicht, ob das außer mir noch jemand sah. Dennoch, ich bin überzeugt:
Für eine Stunde waren fünfundsiebzig Jahre ihres Lebens egalisiert,
wie weggewischt. Für eine Stunde durfte sie wieder erblühend
jung sein. Diese alten Augen zum Leuchten bringen..., wenn es nur das
gewesen wäre, es hätte sechs Stimmvirtuosen allein schon zu
höchster Ehre gereicht.
Dieser Abend bezauberte auch uns Landboten, die wir ihn genießen
durften.
Dafür danken wir den Herren CHarmonists! Dafür danken wir den
Damen und Herren vom Brandenburger Theater um Herrn Intendanten Kneisel,
die das goldene Händchen bewiesen, diese Ausnahmekünstler zu
verpflichten. Und wir danken den Herrn Frommermann, Biberti, Collin, Cycowski,
Bootz und Leschnikoff, die mit ihrer Legende die Grundlage für einen
unvergeßlichen Theaterabend schufen.
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