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Kabale und Liebe
Ein Drama von Friedrich Schiller
Gegeben am Brandenburger Theater

K. K. Bajun
Klassiker! Gebt uns unsere Klassiker! Spielt sie wieder landauf, landab: Schillern und den Großen Unbekannten von Stratford upon Avon, führt die Opern von Händel auf und die von Carl Maria von Weber! Ach, wir haben einen solch gewaltigen Schatz an überragender Kultur – und dürfen ihn so selten nur betrachten…
Wußten Sie, daß Friedrich Schiller sein Stück ganz einfach nur „Luise Millerin“ nannte? Erst der große Iffland soll ihm seinen heutigen, weltberühmten Titel gegeben haben: Kabale und Liebe.
Das Brandenburger Theater brachte das Trauerspiel um die unerfüllte Liebe zwischen der Geigerstochter Luise Miller und dem Präsidentensohn Ferdinand von Walter im März 2006 wieder zur Aufführung. Das ist begrüßenswert. Ach, meine Lieben, ein Klassiker auf der Bühne, dargebracht von Regisseuren und Bühnenbildnern, die nicht am Wahnsinn der Profilneurose kranken, die keine abstrakte Kunst auf die Bretter nageln, welche doch die Welt bedeuten sollen – das ist beinahe so selten geworden, wie ein Regenguß in der Wüste Gobi.
Uns ward dieses Wunder zuteil. Wir schwenken den Dreispitz und danken ergenbenst.
Das Ensemble des Hans-Otto-Theaters gastierte. Wir möchten gerne glauben, daß den Potsdamern das Spielen an der Brandenburger Dichterinsel Freude macht – ihr Stammhaus in der Landeshauptstadt ist zumindest von außen wenig reizvoll.
Das Stück selbst war gelungen. Die sparsame, an den Stil der Handlung angepaßte Kostümierung und Bühnenausstattung waren wohltuend und lenkten die Aufmerksamkeit auf das Thema. Wir gratulieren dem Spielleiter zu seinem für heutige Zeiten geradezu mutigen Entschluß, auf skurrile Effekthascherei vollständig zu verzichten, wie sie uns an so manchen westdeutschen Bühnen unter dem Mantel des Avantgardismus entgegenwidert.
Der von uns sehr geachtete Mime Herr Röhrig brillierte in seiner Rolle als Stadtmusikus Miller. An ihm ließ sich am besten studieren, was seinen Kollegen im Ansatz fehlte, deren schauspielerische Leistung desungeachtet als sehr ordentlich und solide zu bezeichnen ist. Das Handwerk ist ihnen allen zu Eigen. Aber da ist noch dieser kleine Sprung, diese Winzigkeit, dieses kaum Greifbare, was aus dem Handwerk die Kunst macht: es ist die Atmosphäre! Schillers Stück brodelt vor Dramatik. Und diese Spannung muß aus dem Spiel herauswachsen, hervorbrechen… Allzuoft hatten wir das Gefühl, daß ebenjene Dramatik zu sehr in das Stück hineingepreßt wurde.
Unser laienhafter Rat sei: Etwas mehr Theatralik! Wir sind im Theater! Hier ist es erlaubt. Hier ist es erwünscht. Hier ist es vonnöten!
Lieber Regisseur, liebe Schauspieler: Seht auf die Amphitheater der alten Griechen! Seht auf die Großen der Bühnenkunst, bevor die bewegten Bilder auf Zelluloid andere Maßstäbe zu setzen suchten! Diese neue Meßlatte mag ihre Rechtfertigung finden – aber eben im Kino, nicht bei Euch!
Sehen Sie – der große Siegfried Jacobsohn möge uns auf die unberufenen Pfoten hauen, wenn wir Unsinn schreiben – aber ein Schauspieler sollte doch noch etwas mehr in sein Spiel geben als seine „Rolle“! Da muß auch seine Persönlichkeit mit rein, denn gerade sie könnte das berühmte Sahnehäubchen sein – das Einmalige, das Unkopierbare. Tut er das, dann reiht er sich ein unter die Großen seiner Zunft. Monsieur Depardieu mag geben, wen er will – er bleibt der Monsieur Depardieu. Bruno Ganz, David Bennent, Mario Adorf, Klaus Maria Brandauer – das sind Sterne am Schauspielerhimmel, die genau diesen Sprung schafften.
Doch damit sei es auch schon genug der vorwitzigen Beckmesserei. Im Angesicht einer so respektablen Leistung steht der Kritik nicht viel Raum zur Verfügung. Uns gab die Begegnung mit Schiller viel – was auch denen Jugendlichen zu wünschen wäre, die von ihren Schulen in das Brandenburger Theater delegiert wurden und die den Wert ihres Entree-Billets wohl nur ermessen könnten, wenn er ihnen als Klingelton auf dem nicht abgeschalteten „Handy“ an die Ohren dränge.
Vom Brandenburger Theater aber wünschen wir uns noch recht viele solcher Inszenierungen, über die schreiben zu dürfen der durchaus angenehme Teil unserer manchmal recht sauren Profession ist.





B 3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006