Das Liebekonzil
von Herrn Dr. Oskar Panizza
K. K. Bajun
Einhundertundzehn Jahre ist dieses
Stück nun alt und vor einhundertundzehn Jahren verurteilte ein
Münchener Lumpengericht den Verfasser für dieses Meisterwerk
zu einer einjährigen Gefängnishaft.
Unser geistiger Vater, Dr. Tucholsky, streichelte liebevoll sein Exemplar,
das er sicher vor jedem deutschen Zugriff in der französischen
Hauptstadt wußte.
Und wir mußten „Das Liebeskonzil“ eines der ganz,
ganz Großen der deutschen Literatur nun endlich für die Bibliothek
des Landboten erwerben. Die Preise indeß waren verheerend: Neuerscheinungen
wurden mit beinahe einhundert Euro gehandelt, antiquarisch flogen uns
Summen von € 850,-, € 250,-, € 500,-… um die Ohren.
So ein Haufen Geld für ein verpöntes und richterlich verdammtes,
indiziertes Werk? Wie merkwürdig! Konnte man trotz gerichtlich
angeordneter Zerstörung der Druckplatten eine Weiterverbreitung
nicht verhindern und versucht nun, dem Urteil unter Zuhilfenahme der
Geldschraube Geltung zu verschaffen?
Nein, soweit brauchen wir in diesem Falle wohl nicht zu gehen: Ein paar
Kenntnisreiche haben wohl den ungeheuren Wert dieses grandiosen Stückes
begriffen und schaukeln nun aus diesem Grunde das Spiel von Angebot
und Nachfrage in diese lichten Höhen. Die deutschen Verlage könnten
etwas tun, um diese das Buch sicher ehrende, für den Normalverbraucher
allerdings unerquickliche Entwicklung zu stoppen. Sie könnten das
Liebeskonzil wieder auflegen und bewerben, wie sie es mit dem verrückten
Potter Harry tun. Im Unterschied zu letzterem brächte des Dr.Panizzas
Werk nämlich wirklich etwas für die Allgemeinheit!
Worum geht es? Sehen Sie, der Dr.Panizza hat die Bigotterie und Verlogenheit
der Institution „Katholische Kirche“ leidenschaftlich gehaßt.
Einer der übelsten Vertreter dieser Institution war Rodrigo Borgia,
der als Papst Alexander VI. die allen kirchlichen Glaubensgrundsätzen
Hohn lachende Monstrosität und Gottesferne einer verkommenden Bande
im geistlichen Ornat illuminierte. Er stand stellvertretend für
die Entartung und Perversion der Idee „Kirche“, die den
armen galiläischen Rabbi Joshua, der zu Unrecht als ihr Gründer
gilt, zu wahrer Verzweiflung getrieben hätte.
In seinem Stück „Das Liebeskonzil“ nun nimmt der Autor
Bezug auf diese auch für die Zeitgenossen Alexanders VI. sichtbare
Verkommenheit der kirchlichen Führungsebenen und ihrer Protagonisten,
die in so himmelschreiender Divergenz zu dem von ihnen vorgetragenen
und aus den Evangelien hergeleiteten Ansprüchen stand. Er läßt
das göttliche Strafgericht auf diese verruchte Bande herabregnen,
und zwar in Gestalt der Syphilis, die zu dieser Zeit erstmals als endemische
Seuche beschrieben wurde.
Sicher, die göttlichen Figuren werden von Dr.Panizza überaus
komisch, irdisch und respektlos gezeichnet. Aber Gottvater, Gottsohn
und die Heilige Jungfrau werden dieses mit Schmunzeln quittiert haben.
Die Mucker konnten diese „Blasphemie“ nicht verkraften.
Sie regten sich auf, sie wären in ihren religiösen Gefühlen
verletzt worden. Nein, das waren sie gewiß nicht. Denn dazu hätten
sie erst einmal welche haben müssen. Und genau dort ist der Punkt
zu suchen, wo ihnen der brillant erzählende Dr.Panizza empfindlich
auf die Hühneraugen trat. Er packte sie am Kragen, der Stoß
ging mitten ins Herz! Ein hochintelligenter Meister der Deutschen Sprache
haute dem Pöbel, sogar dem intellektuellen, eine runter, daß
es knirschte. Und der Pöbel langte zurück. Mit aller Gewalt.
Sie buchteten ihn ein und ein bayerischer Landtagsabgeordneter kläffte
sogar, man möge diesen Panizza erschlagen wie einen räudigen
Hund. Die unerhörte Dummheit, die aus diesem unerträglichen
Hohlkopf spricht, ist bezeichnend für die Meute, die sich nunmehr
auf einen einzelnen Mann stürzte, dessen einzige Waffen sein Geist
und seine Feder waren.
Sie zerbrachen ihn. Dennoch – wenn die jenseitigen Vorstellungen
der Katholiken auch nur im Entferntesten zutreffen, dann sitzt Dr. Oskar
Panizza jetzt bei seinem gütigen Vater im Himmel, während
der Teufel, den er so charmant beschrieb, das elende Gesindel, das diesen
genialen Autor zu dessen Lebzeiten so quälte, langsam und genüßlich
über offenem Feuer rösten wird. Und mit was? Wie Herr Klaus
M. sagen würde: Mit Recht!