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Die Litanei von den Gottesgaben

von Herrn Halldor Laxness

von Herrn K. K. Bajun

Was ist wertvoll? Das Vermögen, ein Diamant, ein Haus, der Nerz der Gattin, die Rolex am Handgelenk? Nein, das ist alles eitler Tand, nicht des Erwähnens wert.
Ein Buch von Halldor Laxness beispielsweise – das ist wertvoll. Das ist unvergänglich, das macht glücklich.
In seinem Werk „Die Litanei von den Gottesgaben“ erzählt Herr Laxness vom Hering und den Menschen, deren Leben an diesem Fische hängt. Er erzählt von seiner rauhen, sturmumtosten Insel Island, und er erzählt, das man meinen möchte, Herr Grimmelshausen ist auferstanden von den Toten oder ist doch nie gestorben.
Da ist der Autor, der sich als Vogelhändler ausgibt, ein Papageno gewissermaßen. Seinen Namen bekommen wir nie zu erfahren. Dieser Vogelhändler schriftstellert ein bißchen herum und läßt sich ansonsten durch die nicht minder rauhe Wirklichkeit der zwanziger und dreißiger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts treiben. Und erstaunlichen Charakteren begegnet er, der Vogelhändler und Schriftsteller: einem menschlichen Großkapitalisten genannt Islandsbersi, einem Kapitän außer Dienst, der zum Vertreter einer Reykjaviker Bank bestimmt wurde, einem Bolschewiken, der von Island aus die Weltrevolution in Gang setzen will und einem anderen Kommunisten, der eine Fabrik leitet, es aber ablehnt, in den Tagen der Revolution die Macht zu übernehmen.
Was für eine Revolution? Nun, die welterlösende, die, von der die Internationale so tapfer schmettert. Stattgefunden hat sie in einem von Gott und der Welt verlassenen Nest an der Nordküste Islands und drei Stunden hat sie gedauert. Dann war der Alkohol alle und alles verlief im Sande.
Der ganze Irrsinn dieser Welt gefangen wie unter einem Brennglas in einem Fischernest, von dessen Existenz nicht einmal Gott etwas ahnt.
Die Regierung in Reykjavik füttert das Volk mit Abfall und die Minke, das sind amerikanische Nerze, mit Apfelsinen, weil sie sich einen Zuwachs des Nationaleinkommens verspricht. Aber die Biester wollen die Südfrüchte nicht fressen und drehen lieber Enten den Hals um.
Die moderne Zeit würde von einer Groteske sprechen, von schräger Literatur – wir nennen es: genial! Und wir wissen: im Falle Laxness hat sich das Nobelpreiskomitee nicht geirrt.
Herr Laxness drischt auf die sublim herausgearbeiteten Schwächen seiner Mitmenschen nicht mit der Keule ein. Geradezu mit sanfter Hand demaskiert er sie, zieht sie nackend aus, ohne sie bloßzustellen. Er karikiert mit meisterlich gesetzten Worten. Wir lachen bei der Lektüre, wir lachen und das Lachen bricht selbst das letzte Bollwerk der Dummheit, welches doch noch jedem aggressiven Geblaffe desinteressiert standgehalten hat.
Das ist der Humor von Pinsel – Heinrich, einem unserer wertvollsten Berliner, unserem Zille!
Das ist die tiefe Liebe, die sich auch der geringsten Kreatur erinnert, der Blume hinter dem Müllkasten, der Zigaretten fressenden und alkoholabhängigen Ziege auf dem moddrigen Anger von Djupvik.
Es gibt Stimmen, die meinen, das Buch sei ohne Zusammenhang geschrieben worden. Liebe Leute! Wie jedes gute Buch ist es ein Spiegel Eurer selbst. Wer hier keinen Zusammenhang sieht, der soll das nicht dem Autor ankreiden, sondern eher die Defizite in der eigenen Bildung, der eigenen Seele kritisch beleuchten. Ab einem IQ, der sich deutlich von dem der eigenen Pausenstulle distinguiert, ist der Zusammenhang kristallklar gegeben, der rote Faden zuverlässig gespannt.
Geht! Greint über die Werke Picassos und all seiner unglücklichen Nachahmer, wenn Ihr den Mut dazu habt – aber schweigt stille zu Laxness, denn ihr versteht ihn nicht.
Wie Heinrich Zille und Herr Grimmelshausen macht auch der große Barde vom Polarkreis keinen Bogen um Elend und Tod. Aber er haut ihn uns nicht um die Ohren. Er nimmt des Lebens blühende und des Todes knöcherne Hand und legt beide behutsam in die Unsrigen: Da, fühl! Und wir fühlen. Wir spüren.
Mit scheinbar trivialen Pinselstrichen malt der große Isländer das Wuchtige, das Bedeutende, das Gravierende. Locker und leicht aus der Hand, ach, so sprudelnd, so unbeschwert…
Doch es ist ein tiefer, tiefer Ernst hinter dem Ganzen. Mindestens so tief, wie die eisige See rund um die feurige Insel Island. Der Autor hat es selbst anklingen lassen in seinem Werke, als er den Clown Grog beschwor – den ernstesten Menschen, den er je kannte.
Halldor Laxness! Wir verbeugen uns vor Deinem großen Geist, vor Deiner Menschlichkeit, vor Deinem grundgütigen Herzen. Wir sind Deine Zeitgenossen – diese Erde durften wir teilen mit Dir – das ist uns Ehre und Verpflichtung zugleich!

 
B 3.
Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006