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Königsblau im Opernpalais
Eine Theatervorstellung der Extraklasse

K. K. Bajun
Das Leben eines Rezensenten ist oft sauer Wein und trocken Brot. Doch manchmal, so ab und zu, da bricht die Sonne durch und es wird einem warm ums Herze, wenn man die Feder ins Tintenfäßchen tunkt und die Erinnerungen Revue passieren läßt.
Unter den Linden, in der Hauptstadt nobler Mitte, dort, wo Berlin am ursprünglichsten, am authentischsten ist, just dort wurde verwichenen Sonntag ein Stück gegeben, welches dem Kritiker ein glückliches Lächeln auf die Seele zaubert. Das Opernpalais Unter den Linden lieh seinen Prinzessinnensaal der Aufführung eines Preußenkrimis des unseren Lesern sicherlich wohlbekannten Autoren Dr. Tom Wolf. Ja, darauf haben wir uns gefreut wie ein kleines Kind auf den Weihnachtsbaum. Und mit genau denselben großen, staunenden Augen nahmen wir wahr, was sich bot.
Ach, das Ambiente ist köstlich! Ein apartes Haus, fürwahr.
Aufgehoben die alte Theatertradition: hier Bühne – dort Zuschauerraum. Die Mimen spielten das Stück zwischen den an festlicher Tafel schmausenden Gästen.
Nun ist es von Vorteil, wenn man sich bereits mit den Werken des Herrn Wolf vertraut gemacht hat. Dann nämlich weiß man, daß in ihnen Kriminalistik und Haute Cousine Hand in Hand gehen. Als Hauptfigur tritt uns der Zweite Hofkoch Friedrichs des Großen, Monsieur Langustier entgegen, dessen detektivische Ambitionen ihn immer wieder vom Royalen Herdfeuer weg zu den Schauplätzen des Verbrechens führen, wohl ausgestattet und versehen mit dem Permiss seines königlichen Chefs.
Und so tritt uns das Stück als eine entzückende Gesamtkomposition entgegen, zu gleichen Teilen komponiert aus dem Genuß fürs Auge und dem für den Gaumen.
Wie bemüht erscheint uns im Angesicht dieser superben Mischung aus Tafelfreuden und Schauspielkunst die sogenannte „Event“ – Kultur Berlins, die sich mit immer neuen Sensationen und „Attraktionen“ eines zahlenden Publikums versichern will! Hierher der Blick! Im Opernpalais wurde die Maßschnur ausgelegt, für das, was wirklich nobel und gehaltvoll ist.
Die Schauspieler waren formidabel – allesamt. Friedrich II. von Preußen, gespielt von Herrn Christoph Gottschalch, ... – das war der König! Wir, die Nachgeborenen, die ihm, unserem Großen Landesvater nurmehr vor seinem Denkstein auf der Terrasse von Sanssouci und in unserem täglichen Handeln die Reverenz erweisen können, fühlten, wir seien IHM begegnet. Seine Rolle verkörperte eine der „realen“ Personen der Handlung. Doch der Autor spielt geschickt und amüsant mit dem Geflecht von Fiktion und Wirklichkeit. Honore Langustier (Herr Peter Grünig – Sonderapplaus!) gehört zu den „Erdichteten“. Er teilt dies Schicksal mit beinahe allen berühmten Detektiven der Weltgeschichte, die uns an ihre Abenteuer fesseln.
Desungeachtet präsentierte auch diese Figur sich so überzeugend, so brillant, daß der leise Zweifel offenblieb, „ob nicht am Ende doch alles so gewesen sei“.
Ach, das hätten Sie sehen sollen: Wie er hereinquirlte, der Straßburger Koch, an der Hand die quietschlebendige, verführerische Tochter Marie (Frau Daniela Frezzato). Voll elsässischer Lebendigkeit waren die beiden. Ihre Dialoge ein flüssiges Durcheinander von Französisch und Deutsch. Waren das etwa echte Refugees? Wo nicht – nominiert sie für die Gründgens-Medaille! Herr Ganz, lassen Sie die beiden den Iffland-Ring schon mal Probe tragen! Das war begeisternd. Ja, so haben wir uns den Monsieur Langustier vorgestellt – na, vielleicht eine Spur behäbiger, gesetzter, bedächtiger – aber das Gebäude der Phantasie erbaut nun einmal jeder Leser für sich selbst und richtet sich darin ein. Die Spielleitung und die Mimen aber haben ein Recht auf ihre souveräne Interpretation – und für dieses Privileg haben sie Ehre eingelegt.
Des Königs Freund und Vertrauter aus Rheinsberger Tagen, der Monsieur Jordan (Herr Peter Drescher) – eigentlich die Rolle des Chefs pro forma, der an der Seite des überragenden Intellekts zum hilflosen Adlatus verkümmert – auf der Bühne des Prinzessinnensaals jedenfalls hat er sich glänzend in gleich zwei Besetzungen behauptet.
Maries Zukünftiger – der Graf von Beeren, Herr Eckhard Ischebeck, spielte ebenfalls eine Doppelrolle, (wie auch der König übrigens): Einmal den Publikumsliebling, den Beau, den Everybody’s Darling und dann den abgewrackten, zum Räuber degradierten Soldaten – Klio mag wissen, welche Herausforderung die Schauspielkunst an eine so diametrale Rollenzuweisung stellt. Wo nur hat die ProDacapo Theaterproduktionen Berlin e.V. ein solches Ensemble von Könnern rekrutiert? Teufelskerle!
Mehr noch: Die Handlung eines Buches auf wenige Stunden herunterzukürzen, ohne dem Werk an Substanz zu nehmen –Donnerwetter! Ganz famos!
Wir hatten das Publikum gut im Sichtfeld. Ein auf Dauer angelegtes Lächeln umspielte die allermeisten Minen.
Dieses befreite Lachen, wenn die Leute wieder einmal eine der wahrhaft intelligenten und humoristischen Anspielungen des Autors aufgenommen und reflektiert hatten... Die Spannung auf den Gesichtern - nee, gelangweilt hat sich wohl keiner an diesem Abend am cöllnischen Ufer der Spree!
Übrigens: Im näheren Umfeld des Opernpalais’ liegen die Originalschauplätze der Handlung – wenn auch in zwischenzeitlich etwas veränderter Form. Das würzte das Schauspiel, das gab dem Ganzen einen weiteren, geradezu sublimen Reiz!
€ 69,- ist ein Billet wert – und das Cent für Cent. Ja, ja – ich höre Sie ächzen: Ein stolzer Preis! Doch bedenken Sie: Das Opernpalais Unter den Linden ist die in klassizistische Form gegossene Antithese zum weit, weit stromabwärts gelegenen Ohnsorgtheater. In diesem Hause, in der Nachbarschaft von Zeughaus und Prinz-Heinrich-Palais, Staatsoper und „Kommode“, dem Dome gegenüber, haben wahre Kunst und feiner Esprit eine Heimstatt.
Ein lichter Stern an Preußens Autorenhimmel und eine hervorragende Schauspielertruppe sind ihren Besuchern ein wehrhafter Schild gegen flache Anzüglichkeiten, dußlige Verwechslungsspäßchen und schalen Humor. Die Damen und Herren Gastronomen servieren dazu königliche Tafelfreuden.
„Sekt oder Selters!“ ist ein Leitmotiv unseres Chefredakteurs. Mögen wir Preußen auch für die Spartaner des Nordens gelten – ab und an muß Schaumwein perlen! Gäbe es eine vorzüglichere Gelegenheit, als an einem „königsblauen“ Abend im Herzen der Hauptstadt zum Schauspiel brillanter Mimen Mousse und Kaninchenkeule, Eiscreme und Schokolade zu genießen?
A votre santé, Mesdames e Messieurs! Merci! C’était tout très bien!

Opernpalais Unter den Linden
Unter den Linden 5
10117 Berlin
Telefon: 030 20268-3
Fax: 030 2044438
E-Mail: info@opernpalais.de
Termine:

29. Oktober

12. und 26. November

10. und 23. Dezember 2006

14. und 28. Januar

11. Februar

11. und 25. März

08. und 29.April 2007
Preis pro Person:

€ 69,00

inklusive Drei-Gänge Menü

Einlaß: 18:30 Uhr,

Beginn:19:00 Uhr
Das dem Stück zu Grunde liegende Buch „Königsblau – Mord nach jeder Fasson“ von Herrn Dr. Tom Wolf ist erschienen im
be.bra Verlag Berlin und kostet
€ 9,90

 


 
B 3.
Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006