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Brandenburger Landesgartenschau 2006 in Rathenow


Jules-Francois Savinien Lemarcou
Vom 22. April bis zum 15. Oktober findet in Rathenow die 2006er Brandenburgische Landesgartenschau statt und am ersten Mai hatte sie der Landbote in Augenschein genommen. Duft und Farben aus Rathenow! Das ist mal etwas Neues. Wir haben uns riesig gefreut.
Umgegraben wurde die geschundene Stadt der Optik schon des Öfteren. 1675 leisteten jene, allerdings wenig gärtnerische Arbeit die Schweden, die einst als Befreier von den katholisch-kaiserlichen Horden zu uns kamen und dann hierzulande mit derselben grausamen Force das Land zu devastieren begannen, wie einst ihre Kontrahenten.
Im August 1944 legte Bomber-Harris unseligen Angedenkens noch eins drauf und machte die Stadt der Optik beinahe dem Erdboden gleich. Das Elend war unbeschreiblich. Alles, was noch leuchtete, waren die Bombenbrände. Der Rest war Finsternis und Trostlosigkeit.
Die Kommunisten, die das zerbombte Erbe antraten, waren arme Teufel. Aber sie wollten den Leuten endlich lebenswerten Wohnraum schaffen, bezahlbar im Bau und – da sie zunächst von der Gleichheit aller Menschen ausgingen – auch uniform im Aussehen. So entstand in den Fünfzigern und Sechzigern eine öde und triste, gestalt- und gesichtslose Stadt. Alles war ein einheitliches, häßliches Grau-in-Grau. Kein Blickfang, kein Ort zum Wohlfühlen, kein attraktives Plätzchen, das zum Verweilen eingeladen hätte.
Um so begrüßenswerter ist die Entscheidung, Rathenow den Zuschlag für die Ausrichtung der diesjährigen Landesgartenschau zu geben. Farbe zog ein in die im wahrsten Sinne des Wortes schwer gezeichnete Havelstadt.
Beidseits des Schwedendamms erstreckt sich das Hauptgelände der Gartenschau und bezieht auch die wuchtigen, ehemaligen Mühlen am Westufer der Havel mit ein. Das Konzept überzeugt.
Auf drei Areale verteilt präsentiert sich die Ausstellung. Sie verteilt sich auf das Gelände am Schwedendamm vor dem Haveltore, die Altstadt und den Weinberg. Das ist alles einfach zu finden, denn jedes Teilstück wird durch ein alles überragendes Gebäude markiert. Die Mühlen tun diesen Dienst für die Hauptausstellungsfläche am Schwedendamm, auf der Ausfallstraße nach Stendal (B188). Der himmelstürmende Turm der St. Marien-Andreas Kirche markiert die Altstadt und der Bismarckturm die Weinberge.
Immer wieder knüpfen die Gestalter an Rathenows einzigartige Optiktradition an. Blumen, Farben, Sichtachsen, Optik – die Line ist gut angedacht – exzellent! Den Besuchern wird erklärt, warum und auf welche Weise sie überhaupt Farben wahrnehmen.
Andere Elemente, wie an Fernrohre gemahnende Tuben mit optischen Linsen, Geräuschinstallationen und eine überdimensionierte „Weltzeituhr“ in Form verschlungener Brücken über den zentralen Teich sind ja ganz hübsch, aber bei weitem nicht verständlich. Gerade zu letztgenannter Uhr haben wir eine Erklärung zur Funktion schmerzlich vermißt.
Eines jedoch hat uns zu wahrer Begeisterung hingerissen: die musikalische Begleitung der Gartenschau! Wir erlebten Wayne Martin live, den Bluessänger aus New Orleans, der schon so lange in Berlin lebt und mit seinen Second Liners auftritt – Kinders – det war wunderbar! Die Stimme, der Klang – viele haben zwar nicht gelauscht, aber die paar wenigen – die applaudierten von Herzen. Begleitet haben ihn Koryphäen wie Thomas Keller an einem dahinschmelzenden Saxophon, Günther Karer am Schlagzeug, Erhard
“Ernie“ Schmiedel – auch die „schnellsten Finger von Berlin“ genannt, am Keyboard und Hans Hoffmann, der den Baß zum Brummen brachte. Letzterer hatte schon mit Iggy Pop und Tangerine Dream, den Jungs um Edgar Froese, die Säle zum Kochen gebracht. Es waren derer einige, die meinten, die € 11,- Entree wären allein für diese Performance genugsam gerechtfertigt gewesen – Gartenschau hin oder her.
Eine überdimensionale, hübsch verkleidete „Maus“ drehte ihre zierlichen Pirouetten – warum sind die Deutschen nur so ein stieseliges Volk! Mit der hätten sie tanzen können. Aber der deutsche Gartenzwerg fängt eben nur im Musikantenstadl und beim Kölner Karneval das Schunkeln an.
Schade isses!
Doch, wir kommen wieder. Wenn die Jahreszeiten neue Blumen zum Blühen bringen. Und wenn die Blumen verblüht sind und die Gartenschau vorbei – dann kommen wir auch wieder – denn die arme Stadt Rathenow ist um einen strahlenden, bunten Lichtpunkt reicher geworden. Wenn wir von Stendal kommen, oder von Tangermünde, dann werden wir in Rathenow eine kleine Pause machen, hinten auf dem Schwedenwall und an der Mühlen gegenüber vom Haveltor, denn jetzt verlohnt die Rast.
Schön isses!





B 3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006