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Adam und Eva
Eine Komödie von Peter Hacks
Gegeben am Brandenburger Theater am 15. September 2006

von Herrn Kotofeij K. Bajun

Aaah…! Moliere, Racine, Corneille am Brandenburger Theater?!
Nein, Peter Hacks! Und es ist kein Zufall, daß der drei erstgenannten Herren Erwähnung getan wurde. Das Stück von Herrn Hacks hätte ihnen problemlos zur Ehre gereicht. Das war was! Wir applaudieren mit lachendem Gesicht, glücklichem Herzen und wir applaudieren immer noch.
Fünf junge Vollblutschauspieler von den Uckermärkischen Bühnen Schwedt gaben eine Komödie mit philosophischem Tiefgang zum Besten und ließen vor unseren Augen die Mysterien- und Fastnachtsspieltradition des abendländischen Mittelalters auferstehen.
Fünf Rollen nur: Gottvater, die Erzengel Gabriel und Satanael und eben die Ureltern – Adam und Eva.
Es geht um den aus der Genesis hinlänglich bekannten Sündenfall. Es geht um alles. Es geht um die Philosophie, die die Welt zusammenhält. Es geht um leicht blödige Loyalität und Widerspruch um des Widerspruchs Willen. Es geht um IHN, Gottvater, den in all seiner Allmacht Einsamen mit seinem kaum zu bändigenden Wunsch nach Abwechslung, Unterhaltung, nach einer gegenteiligen Meinung. Und – es geht um uns! Um das, was uns zum Göttlichen erhebt, um das, was uns vom Göttlichen entfernt.
Da schafft ER sie nun, die Kreaturen aus Lehm und Dreck und dem Hauch des Unendlichen, wie der selige Stefan Heym es in seinem „Ahasver“ so trefflich formulierte. Und dann zieht ER sich aus dem Tagesgeschäft zurück, um SICH SELBST durch die entstehende Eigendynamik und die Gewährung von etwas mehr Spielraum für’s Chaos zu erfahren, die ersehnte Abwechslung zu genießen. Aber am Ende muß doch alles so kommen, wie ER es plante, lange, bevor das erste Atom Gestalt annahm durch SEINEN Willen.
Gabriel himmelt den Meister an, Satanael schnoddert wider ihn, wie es die ihm zugewiesene Rolle verlangt und alles dreht sich um die beiden Versuchskarnickel Adam und Eva. Eritis sicut deus, scientis bonum et malum - Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Gut aber sinnlos dahinleben – oder sich wie der Schöpfer selbst kreativ und schaffend mit dem Nichts abkämpfen, um ihm ein Etwas abzuringen – das ist hier die Frage.

Diese Frage wird von Frau Monika Radl als Eva, Herrn Peter-Banjamin Eichhorn als Adam, Herrn Wolfram Scheller als Gottvater, Herrn Stephan von Soden als Gabriel und last but absolutely not least Herrn Uwe Schmiedel als Satanel überzeugend beantwortet.

Die schauspielerische Leistung des kleinen Ensembles hätte Gründgens selbst Respekt abgenötigt. Ein hervorragender Teufel, ein brillant – depperter Gabriel, ein intellektuell vor sich hinödender, köstlicher Lieber Gott und ein hinreißendes Urelternpaar. Wobei wir schon bei der Kostümierung wären. Durch drei Akte hinweg trugen die beiden Kronen eines jeden Stammbaums – nichts. Gewagt! Aber herrlich. Herrlich, nicht nur weil sie in dieser sparsamsten Kostümierung geradezu blickfesselnde Figur machten, herrlich vor allem, daß kein vermuckerter Aufschrei „Eklat, Skandal“ mehr das Bühnengeschehen störte. Noch vor wenigen Jahren wäre die Republik darüber ins Wanken geraten. Es tut gut, freie Luft zu atmen. Und genau diese freie Luft haben uns Adam und Eva ja apfelfressend eingehandelt. Wir bezahlen den Genuß mit dem Schrecken des Todes – aber was soll’s! Heute rot, morgen erst tot, gaudeamus igitur, juvenus dum sumus! Der Liebe Gott kommt leger einher, mit herrlich verknalltem blauem Haar und weißem Sackleinen, ganz Lebemann, ganz Chef – jovial von einem eigentümlichen Humor beseelt, wie er eben nur einsamen Chefs beschieden ist, die meilenweit über den Dingen stehen und somit Opfer ihrer eigenen Attitüden werden. Gabriel, korrekt gekleidet, der perfekte Beamte, Erfüllungsgehilfe, der nie was versteht, in allem gefällig zu sein bemüht ist. Satanael – ach, ein Augenschmaus! Ja, so muß er aussehen der Herr der Finsternis, der Hans Leuchtentrager, der Verführer, der ewig und alles verneinende Schlingel der. Begeisternd. Die Schlange, besser ging’s nicht – ach, das macht Freude.

Wir bewundern das herrliche Grimassieren dieser jungen Leute, dieses prononcierte Schauspiel, diese leicht übertriebene Mimik und Gestik, diese Deklamation, das zeitweise Gebrüll voller ungekünstelter Leidenschaft – und wir fühlen uns – im Theater. „Wo denn sonst“, werden Sie sagen. Nee, das richtige Theater, das, in dem Tucholsky an Pallenberg Gefallen fand, das können Sie heutzutage mit der Lupe suchen. Genau in solch einem Theater aber durften wir heute sitzen. Schauspiel, Komödiantentum, gewichtiger Inhalt, gravierende Botschaft unter lachender Maske – das ist Theater nach unserem Herzen.

Die Bühne knapp und sparsam in rot und grün gehalten, lenkte den Weg ohne Possen und Flausen auf die Figuren und die Handlung. Wir hatten nicht das Gefühl, daß irgend etwas gefehlt hätte.

Die einzig störende Komponente war das hintergründige Gejaule von der Dezenniumsfeier des Stadtkanals Brandenburg im Theaterpark. Nein, hier ist nicht der Graben gemeint, der seit Jahrhunderten leise und nur von etwas Froschgequake und Entengeschnatter illuminiert den Zug der Stadtmauer begleitet, hier geht es um den SKB, den örtlichen Fernsehsender. Daß die Mimen gegen diese nervende Geräuschkulisse so tadellos und wacker anspielten, sei ihnen als besondere Qualität attestiert.

Regie und Dramaturgie, vertreten durch Herrn Udo Schneider und Frau Sandra Pagel haben das Hacks’sche Stück schön übersetzt – wie gesagt, wir klatschen noch immer.


 
B 3. Volumen
© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2006