Mein Nachbar Ameise
Ein Stück von Herrn Georg Hermann
Vorgetragen in der Reihe „Märkische
Leselust“ des Brandenburger Theaters
Am 14. Mai 2006
K. K. Bajun
Am Ende ließ Herr Röhrig
die Katze aus dem Sack: Mit der Lesung des Stückes „Mein
Nachbar Ameise“ ist die Reihe „Märkische Leselust“
fürs Erste abgeschlossen. Es geht in die Sommerpause. Das stimmt
wehmütig. Ist doch die „Märkische Leselust“ eine
der apartesten Inventionen des Brandenburger Theaters.
Nichtsdestotrotz – ein gutes Ereignis wird oft mit einem Feuerwerk
beendet. Herr Röhrig, Frau Weißenborn, Frau Herzog am Spinett
und Frau Winkler an des Königs geliebter Querflöte ließen
es noch einmal funkeln, brannten ein Feuerwerk voll subtilen, köstlichen,
dennoch leisen und intelligenten Humors ab, illuminierten es mit Musikstücken
Händels, Quanzens, des Königs und Des Meisters J. S. Bach.
Das kleine Foyer gab die Bühne, wie immer durch die riesige Glasfront
in die malerische Frühlingslandschaft vor der neustädtischen
Stadtmauer nahtlos übergehend.
Draußen wie drinnen Frühling. Das Sujet war trefflich gewählt:
Herrn Hermanns Stück um den greisen Lordmarschall Keith, Nachbar
und Freund Friedrichs des Großen. Dieser sitzt nun im Frühjahr
des Jahres 1760 in seiner Villa, von seiner Heimat Schottland exiliert,
voller Sehnsucht nach seinem geliebten Valencia in Spanien, umgeben
von seinem kleinen Hofstaat, der da hauptsächlich besteht aus dem
greisen türkischen Diener Ibrahim und seiner Pflegetochter Emine.
Letztere ist die Tochter eines türkischen Paschas und Generals,
der in der Ukraine im Kampf gefallen ist und die anfänglich von
des Lordmarschalls bei Kunersdorf verunglückten Bruder aufgezogen
wurde. Blitzgescheit und bildhübsch verzaubert die Orientalin die
Herzen der preußischen Officiers in der Residenz. Das will nun
dem alten Herren gar nicht gefallen und so faßt er den Entschluß,
sich auf seine alten Tage noch einmal zu verheiraten – mit der
Pflegetochter. Er will sie sicher und abgesichert wissen: Vor seinem
Ableben vor den Nachstellungen der feschen jungen Leutnants und Capitäns,
nach seinem Dahinscheiden soll sie wenigstens sorgenfrei leben können.
Er liebt das Mädchen wirklich. Doch diese hat ihr Herz schon vergeben.
Just an einen dieser Herzen brechenden Capitäns der friderizianischen
Armee, die der alte Lordmarschall so fürchtet.
Sein Nachbar, der König, dessen Auge wie immer nichts entgeht,
sieht’s und schmunzelt und begleitet das Geschehen wie gewohnt
mit seinen spitzzüngigen, bissigen und feinironischen Kommentaren.
Herrlich! Der Autor verwendet einige Originalbemerkungen, die er allerdings
so geschickt einflicht, daß sie keineswegs aus dem Zusammenhang
gerissen erscheinen. Es geht auch nicht anders. Friedrichs Witz hat
ein unkopierbares Alleinstellungsmerkmal, und das ist – Friedrichs
Witz!
Das ganze Stück atmet seinen Geist. Leise, unaufdringlich, fern
aller Plattheit – ach, uns wird das Herze warm. Herr Röhrig
brilliert wie immer, Frau Weißenbach hat hie und da einige Textunsicherheiten,
die jedoch nicht störend ins Gewicht fallen. Ganz im Gegenteil,
die Atmosphäre wird sogar etwas patiniert. Beider Dialektbeherrschung
ist wunderbar. So können sie sich die verteilten Rollen einander
zuspielen, jeder aufgrund der fünf handelnden Personen jede Rolle
besetzen. Exklusiv aber gab Frau Weißbach den Friedrich, Herr
Röhrig den alten, mürrischen Diener Ibrahim – es war
superb.
Wir werden die Mimen und ihre „Märkische Leselust“
vermissen und wünschen uns ihre baldige Wiederkehr auf die Brandenburger
Bühne.