Casanova
eine romantische Komödie aus den U.S.A.
Don Miquele Barbagrigia
Was haben wir schon gegen einige
Filme aus den U.S.A. gewettert. „Fade, hirn-, sinn-, und kulturlose
Schinken“ haben wir sie genannt, zusammengedreht von einer Nation,
deren größte Herausforderung in der Schaffung einer eigenen
Kultur zu bestehen scheint.
Der neueste „Casanova“ aber, diese Gott-allein-weiß-Wievielte
Auseinandersetzung mit dem Ewigen Herzensbrecher, die ist einfach wunderbar.
Die ist göttlich. Die ist bezaubernd, blitzend, glitzernd –
betörend. Das ist ein Feuerwerk an liebenswürdigem Humor,
das sprüht vor Farben und Eleganz, das atmet venezianische Leichtigkeit
– das macht einfach nur Spaß!
Man mag einwenden, die Handlung sei flach, bar aller dramatischen Schwerpunkte
– aber diese Kritik wischen wir vom Tisch – sie wäre
berechtigt oder nicht. Hier geht es um Unterhaltung. Hier geht es um
Sinneslust, an der auch mal andere Organe partizipieren sollen, außer
immer nur die der Fortpflanzung dienlichen. Augen und Ohren und auch
die Seele sollen ans Buffet treten und satt mögen sie werden. Erholen
sollen sie sich von all der notorischen Quälerei durch die Pilchers
und Konsaliks dieser Welt!
Na klar – die Amis können nicht anders: Auch ins achtzehnte
Jahrhundert tragen sie die Probleme der Neuzeit, ihren albernen und
oft skurril anmutenden Feminismus, ihre verworrenen Vorstellungen von
Political Correctness. Geschenkt!
Wir haben Tränen gelacht, als wir den Film sahen. Wir waren glücklich
noch Stunden danach und wir sind heiter, wenn wir uns seiner erinnern.
Das zählt! Das ganz allein!
Was einzig an dem Kinoerlebnis störte, war der leere Saal. Mögen
es zwei Dutzend Besucher gewesen sein. Wir stellen fest – das
ist nicht die Schuld des Films, nicht die des Sujets – der Name
Casanova jagt den Leuten noch immer Schauer der Erregung über den
Pelz – das ist die stumpfe Blödheit einer „verprollten“
Bevölkerung, die sich nur noch für eine Wiederbelebung der
Gladiatorenspiele des Circus Maximus oder eben seiner modernen Sex-
und Ballerderivate hinter dem Ofen hervorlocken ließe.
Die kommen nicht, wenn ein Film mit dem Titel „Casanova“
das grandiose Kunststück fertigbringt, Szenen der nackten Wollust
mit preziöser Dezenz außen vor zu lassen und trotzdem eine
knisternde Erotik zu erzeugen. Geistreicher und pointierter Witz interessiert
die Konsumenten des Trash-TV nicht. Filmmusik von Vivaldi und Händel
ist nicht kompatibel zu dem tumben Gewummer und Gewimmer, mit denen
sie ihre Hörorgane frühzeitig vergreisen lassen. Nun, dieser
Gesellschaft wissen wir uns gerne ledig. Mögen sie bleiben, wo
der Pfeffer wächst. Wenn es nur nicht eine fatale Folge zeitigte:
Daß Filme, die zum wertvollen Kulturgut zu rechnen sind, wie „Farinelli“,
Shakespeare in Love“, „Der König tanzt“, „Cyrano“,
„Elizabeth“ oder eben „Casanova“ irgendwann
nicht mehr produzierbar erscheinen. Die internationale Filmindustrie
ist nun mal eine Industrie – wie der Name schon sagt. Da geht’s
um Einnahmen und Ausgaben. Um nichts sonst. Die Einnahmen des Brandenburger
Concerthauses mögen an jenem Abend gering gewesen sein. Weitaus
geringer, als dieser Film es verdient hätte. Das ist das weinende
Auge, das wir von jenem Abend mit nach Hause nehmen – aber für
beinahe jeden Film gibt es noch ein Leben nach dem Kino. Signore Casanova
und all ihr Leinwandschönen – wir sehen uns wieder. Ganz
sicher!
Regie: Lasse Hallström
Drehbuch: Michael Cristofer, Jeffrey Hatcher
Schauspieler: Heath Ledger, Sienna Miller, Jeremy Irons, Lena Olin,
Lauren Cohan, Charlie Cox, Natalie Dormer, Stephen Greif, Tommy Körberg,
Andrea Osvart, Francis Pardeilhan, Oliver Platt, U.S.A 2005