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Juten Morjen, Herr Preil!
Herbert Köfer gastierte am BT


Ingeborg Krabbe und Herbert Köfer ließen die alten Zeiten hochleben.

Kotofeij K. Bajun
Vielleicht können die alten Römer weiter helfen. Riefen sie doch: vox pupuli vox dei est! Verdeutscht meint das, die Stimme des Volkes sei die Stimme Gottes. Kann das Volk also irren? Herbert Köfer rief und alle, alle kamen. So voll sah man das Haus selten. Die erste Sitzreihe wurde über dem Orchestergraben eingeschoben, die letzten saßen auf einer zusätzlich platzierten Bestuhlung im obersten Parkett. Das müssen fünfhundert gewesen sein. Und es waren derer viele, die man sonst im Musentempel kaum zu Gesicht bekommt. Was zog sie? Köfers Name, der sehnsuchtsgeladen aus den späten, aus den noch heilen Siebzigern herüber hallte? Der erste Nachrichtensprecher der Aktuellen Kamera ist ein absolut ernst zu nehmender Schauspieler, der während seiner Karriere große Rollen bravourös bediente. Die aber an jenem Abend kamen um ihn zu sehen, die verbanden ihn wohl eher mit der Fernsehserie „Rentner haben niemals Zeit“. Der kleine Hickhack über'n Gartenzaun, mäßig gewürzt mit langbärtigen Kalauern. Letztere bezogen ihre Pointen aus Wortwitzen, welche angesiedelt waren zwischen Rolf Herricht, dessen Partner Hans-Joachim Preil und der knappen Gürtellinie.

Das alte Strickmuster zeigte ungebrochen Wirkung: Das Volk lachte. Es lachte wie damals, als es entnervt vom Anstehen nach Trabantkeilriemen, Kubaorangen und ABBA-Platten befreit aufatmete, wenn ihm Köfer in seiner treuherzigen Serie einen Teil der Alltagssorgen nahm. Diese Serie „Rentner haben niemals Zeit“ ist nun in der kapitalistischen Realität angekommen. Da jonglieren sie auf der Bühne mit Tchibo und Apple und mit Discountern aller Couleur. Apps und Chatrooms erheitern das Volk und die Mimen klamauken wieder die ewig platten Possen bar jeden Tiefgangs... Aber das Publikum – das dankt es ihnen ehrlichen Herzens. Was auf der Bühne geboten wird, das ist nicht die Kunst, die Shakespeare, Moliere oder Corneille im Sinne hatten. Es ist das Ohnsorg-Theater, es ist die Kleinkunst des Volksschauspielers Willy Millowitsch, es ist die leichte Muse, die so leicht ist, dass sie eine Gänsefeder in Verlegenheit brächte. Aber sie macht das Publikum glücklich und das ist der entscheidende Punkt! Die Leute lachen über einen hektischen, sich für alle und jeden aufopfernden Kleingärtner und neunundachtzigjährigen Rentner – Donnerwetter, Köfer ist agil wie in alten Zeiten! – dessen neues iPhone den armen Mann in den Herzkasper treibt. Sie lachen über Köfers schrullige, kauzig krötige Nachbarin Ingeborg Krabbe, die einst der Leipziger Pfeffermühle ihren scharfen Glanz verlieh. Ingeborg, Ingeborg – wohin bist du entschwunden?


Eingeseift wurde bei der Gaudi nicht nur Herbert Köfer.

Die brillante Dorit Gäbler findet sich wie ein Käfer mit den noch immer hübschen Beinen strampelnd in einem Gartenabfallpott wieder. Die Haare stehen dem Kritiker zu Berge, doch das Volk – lacht. Es lacht aus vollem Halse Und es hat ein gottgegebenes Recht zu lachen und wir wollen es lachen lassen. Dies hier ist sein Stück. Es ist kein Othello, kein König Lear, kein Hamlet, keine Iphigenie – es ist nur ein bisschen harmloser Ulk im Umfeld zweier Datschen in der Kleingartensparte „Uhlenhorst“. Welch hoher Wiedererkennungswert haftet dem an, welche breite Basis der Identifikation! Die Pointen, ein wenig schlüpfrig, nicht zu anstrengend, ebenso die Charaktere, ins Skurrile, nein, nicht ins Komische überzeichnet – noch ein paar solcher Aufführungen und das BT rettet das Budget des kommunalen Haushalts. Ein unverfänglicher Schwank erinnert die Leute daran, dass sie noch ein Theater besitzen. Ein trivialer Schwank erheitert die Chur- und Hauptstadt. Prosit Brandenburg – auf deinen Allerwelts-Schwank! Er sei dir gegönnt!


Wie ein Käfer strampelt Dorit „aus der Tonne“ Gäbler mit den Beinen.

 
B
10. Volumen

© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012

29.01.2012