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Tauben vergiften zum Buffet
Kotofeij K. Bajun Welche der anwesenden Damen beim Hereinschweben dieses Tom Quaas nicht augenblicklich ihr Herz an diesen letzten Gentleman in seinem angegossenen Frack, dem dünnen Oberlippenbart, der Schmalzlocke, der gut sitzenden Fliege und dem eleganten Spazierstock verlor, die hatte es wohl versehentlich mit dem Mantel an der Garderobe abgegeben. Quaas, das Multitalent, machte im perfekten Zusammenspiel mit seiner bezaubernden und technisch brillanten Partnerin Anna Böhm am Bechstein-Flügel Kreislern wieder lebendig. Das ist alles andere als einfach. Denn Kreisler hatte die Latte sehr, sehr hoch gehangen. Der unnachahmliche jüdische Schalk in einem vor Wortwitz funkelnden Feuerwerk der deutschen Sprache, der rabenschwarze, beißende und zupackende, ebenso derbe wie gleichzeitig sublime Humor und vor allem die furiose Mimik... Just Letzteres nötigte dem Kritiker neben der sportlichen Leistung eines durchtrainierten Tom Quaas die höchste Achtung ab. Denn man könnte die Stücke Kreislers auch mit stoischer, unbewegter Mine interpretieren und hätte einen nicht minder komischen Effekt. Die Comedian Harmonists haben`s teilweise vorgemacht. Entscheidet man sich aber für die mimische Variante, dann ist der ganze Künstler gefordert. Das ist ein Seiltanz, eine Gratwanderung, ständig bedroht von grimassierender, alberner Kasperei. Ein Quaas aber tanzt auf diesem Seil mit nahezu schlafwandlerischer Stilsicherheit. Und die Anna Böhm am Flügel nahm sein Mienenspiel auf, traf punktgenau den Einsatz, passte alle Höhen und Tiefen dem Ausdruck Quaasens an, Andante, Piano, Fortissimo – wie's gerad' opportun war. Ohne diese Tastenfee wäre gar nichts gegangen. Zu verdanken hatte Brandenburg an der Havel dieses Kulturereignis der Nobel-Klasse der rührigen Brandenburger Kulturikone, dem Weinhändler Michael Treffehn, der Quaas eines Tages in Dresden sah und ihn hernach ungeniert ansprach. Was daraus wurde, war für ein paar Stunden Wiener Kaffeehaus in der Läutkirche auf authentischem, hundert Jahre altem Kirchengestühl von St. Katharinen. Treffehn bot seine erstklassigen Weine, Michael Zemlin vom Inspektorenhaus verwöhnte seine Gäste mit einem göttlichen Buffet – wer an diesem Abend den Weg nach St. Pauli fand, der konnte sich das Billett nach Berlin oder in die Residenz sparen: Die Hochkultur hat am Stadtkanal Platz genommen. Nur die rekonstruierte Architektur der einst schwer in Mitleidenschaft gezogenen Klosterkirche goss etwas Essig in den Wein: Nachbesserungsbedarf erheischt die Akustik.
Seit der Krieg der Läutkirche Dach und Gewölbe nahm, verliert sich in den westlichen Bereichen des Sakralgebäudes die Sprache des Vortragenden, die Töne überlagern sich echohaft, der freie Dachraum schluckt zuviel. Bei den nächsten Veranstaltungen dieser Art wird bereits über Akustiksegel nachgedacht. Dann aber ist die Chur- und Hauptstadt um ein zugträchtiges Kulturformat reicher und wollen doch mal sehen, ob dann nicht sogar die Hauptstädter und die Potsdamer eine Fahrkarte in die Havelmetropole lösen, wenn der geschmackvoll geplante Abend Erinnerungswert erhalten soll. Tom Quaas kommt auf jeden Fall wieder. Hat er fest versprochen. In der Domstadt sind Kreisler, Quaas und die berückend hübsche Anna Böhm jedenfalls stets willkommen!
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© B.St.Ff.Esq., Pr.B.&Co,2012
23.04.2012