...auf so was kommste doch nich anne frischen
Luft!
Urban Priol zog am BT vom Leder
In gewohnt hektischer Aufgeregtheit fesselte
Priol sein Publikum
Michael
L. Hübner
"Rede über alles – nur nicht über 45 Minuten!",
riet einst Kurt Tucholsky. So selten der Übervater des deutschen
Journalismus irrte, bei Urban Priol hätte er klein beigeben müssen.
Priol – Mittelfeldstürmer der deutschen Kabarett-Nationalmannschaft
gastierte in Brandenburg an der Havel. Vier mal 45 Minuten, ganze drei
Stunden lang hielt er sein Publikum alert und hellwach bei der Stange.
Das Theater bläst seit Monaten zur Attacke auf die Kulturzentren
„Residenz“ und „Hauptstadt“. Mit der Verpflichtung
Priols führten die Kulturkämpen von der Grabenpromenade wieder
ein ganz schweres Geschütz ins Feld. Seit Wochen ausverkauft, drohte
der Saal des Großen Hauses schier zu bersten. Über vierhundert
Besucher gaben einem der geistreichsten Narren der Republik einen wahrhaft
begeisterten Empfang. Drei Stunden aktuelles, scharfzüngiges und
pointiertes Kabarett der Spitzenklasse, Priol war in Höchstform.
Wie lange muss der Mann eigentlich zwei Finger in die Steckdose halten,
um so viel Energie abstrahlen zu können? Der wirre Kranz der abstehenden
Haare, das physiognomische Markenzeichen dieses Parade-Kabarettisten,
mag vielleicht harmlos-clownesk wirken. Aber Vorsicht! Wer ins Fadenkreuz
Priols gerät, der kommt ganz fix in arge Bedrängnis. Auf die
Frage PreußenSpiegels jedoch, ob er sich als Kyniker, nota bene:
nicht Zyniker!, verstehe, also als jemand, der beiße um zu helfen,
nicht um zu verletzen, bejahte Priol dies. „Es geht mir nicht
darum, lediglich auszukeilen, ich will zum Guten verändern“,
sagt er, aber ganz kräftig zupacken kann er trotzdem. Wenn der
kleine, quirlige Mann die Zähne wetzt und seine aufgeregten Halbsätze
ins Publikum schießt, dann sollten in den Machtzentren der Republik
die Alarmglocken schellen! Wo Priol hinlangt, da fliegen die Fetzen.
Man sollte ihm zutrauen, Wahlen alleine durch seine Auftritte entscheidend
zu beeinflussen. Er demontiert geistlose Worthülsen und reißt
denen die Masken vom Gesicht, die mit Nebelkerzen um sich werfen. Priol
nennt Ross und Reiter bar jeden falschen Respekts bei ihren wahren Namen.
Und niemand ist vor seiner brillanten politischen Analyse sicher. Auch
wenn das wirtschaftsfreundliche Parteienspektrum von FDP bis zur CDU/CSU
im Allgemeinen und seine Lieblingsfigur Angela Merkel im Besonderen
massive Prügel kassiert, parteilich ist dieser Urban Priol nur
in einer Hinsicht: Er hält es mit denen, die am Ende der Zahlungskette
stehen und auf deren Rücken sich jene austoben, die da meinen,
sie hätten ein gottgegebenes Recht dazu. Das aber bedeutet keineswegs,
dass er seine Schützlinge, das gemeine Volk nämlich, schont.
Urban Priol als Gast am BT ist dürfte
ein Highlight der Saison sein.
Die kriegen ebenfalls
ihr Fett! Denn es gibt immer welche, die andere zu verblöden trachten
und es gibt diejenigen, die das willig mit sich machen lassen. Letzteren
bläst er den Dampf von der Stirne. Und da sitzen sie dann und so
mancher erkennt sich wieder und klatscht ertappt und betreten, während
Priol hofft, er habe etwas Nachhaltiges hinterlassen. Doch auffällig
oft zitiert er den Kampf Don Quijotes mit den Windmühlen. Da schwingt
etwas Resignierendes in Priols Stimme. Aufstecken aber kennt er nicht:
Unbeirrt lehrt dieser Chirurg der menschlichen Seele und ihrer Schwächen
weiter. Er lehrt sein Publikum Worte und Wortschöpfungen zu sezieren,
ihren Sinn und Unsinn zu hinterfragen. Er lehrt sie genau hinzusehen.
Trotzdem dürfen sie lachen. Lachen befreit. Priol weiß das.
Das Lachen der Anderen ist seine wichtigste, seine schlagkräftigste
Waffe. Darauf aber beschränkt sich sein Arsenal keineswegs: Priol
reduziert die Dinge gnadenlos auf ihren nackten Kern ohne zu simplifizieren
und dann serviert er die Pointen mit eiskalter Schärfe, mit Humor,
mit Biss eben! Durch jedes seiner verbalen Feuerwerke wetterleuchtet
echte Anteilnahme und emotionale Beteiligung. Das macht ihn glaubhaft,
echt, unverwechselbar. Wäre der Aschaffenburger Priol ein Berliner,
man würde Unter den Linden zu ihm sagen: Urban, du bist knorke!
Dem Brandenburger Theater aber war der Besuch Priols ein Prädikat
mehr auf dem noblen Etikett. An dem Hause kommt eine bundesweite Kulturlandschaft,
die sich mit Seriöserem befasst als einer selbstverliebten Nabelschau,
nicht mehr vorbei. Viele Besucher, die der Name Urban Priols an die
Grabenpromenade lockte, werden diese Erkenntnis mit nach Hause genommen
haben. Und wenn sie neugierig geworden sind, was das Haus noch mehr
zu bieten hat, dann hat ein brillanter Kabarettist der Spitzenklasse
der Chur- und Hauptstadt einen weiteren unschätzbaren Dienst geleistet.
Dafür sei er bedankt!
Urban Priol grüßt die Leser
des PreußenSpiegels und des Preußischen Landboten.